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Integrative Therapie und Krankenkasse kannte man schon im Barock
Archiv - Wissenschaft und Forschung
ImageDer Soziologe Carlos Watzka bewies durch die statistische Analyse barocker Krankenprotokolle, dass psychisch Kranke früher nicht einfach weggesperrt wurden.

In seinem Buch „Arme, Kranke, Verrückte" zeichnet der Grazer Soziologe und Historiker Carlos Watzka ein völlig neues Bild vom Umgang mit psychisch Kranken in der Frühen Neuzeit.

Karitative geistliche Orden hatten im 16. und 17. Jahrhundert die ersten Hospitäler moderner Prägung in Mitteleuropa gegründet. Die in diesem Kontext stehende Entwicklung des Spitalswesens in der Steiermark beschreibt Watzka anhand von Quellen, die im Steiermärkischen Landesarchiv aufbewahrt werden.

Auf der Grundlage eingehender Analyse und statistischer Auswertung der Krankenprotokolle des Grazer Ordenshospitals der Barmherzigen Brüder für den Zeitraum zwischen 1694 und 1710 widerspricht Watzka bislang gängigen Meinungen. Seine Ergebnisse zeigen, dass psychisch Kranke nur selten weggesperrt wurden. Die stationäre Behandlung war von geringer Sterblichkeit und häufig auch – zumindest temporärer Gesundung – gekennzeichnet. Dieses Maß an humanem Zugang, wurde erst wieder mit der Psychiatriereform der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts erreicht. Anlässlich der Buchpräsentation sprach für Josef Schiffer KORSO mit dem Autor über den historischen Wandel in der Behandlung und Bewertung von psychischen Erkrankungen.

Welche Rolle haben die frühen Hospitäler in der Behandlung von psychisch Kranken gespielt?
Das Hospital der Barmherzigen Brüder ist 1615 als erstes Krankenhaus der Steiermark entstanden. Erst seit 1694 gab es bei den Elisabethinen stationäre Pflege auch für Frauen. Die Ordenshospitäler unterscheiden sich grundlegend von den bürgerlichen Spitälern, die verschiedenste Funktionen als Altersheime, Armenhäuser und Pflegeanstalten erfüllten. Im frühen 18. Jahrhundert gab es in der Steiermark etwa hundert derartige Anstalten der sozialen Fürsorge. Die psychisch Kranken haben dort wahrscheinlich eine geringere Rolle gespielt, während geistig und mental Behinderte häufiger anzutreffen waren.
Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder wurden um 1700 jährlich etwa 200 Patienten behandelt; davon betrafen etwa zehn Fälle psychische Erkrankungen. Die Unterbringung in den Spitälern war im Gegensatz zum 19. Jahrhundert sehr offen. Rund zwei Drittel der psychisch Kranken waren im selben Saal mit den übrigen Patienten untergebracht – ausgenommen gefährliche Tobsüchtige, die in Einzelzellen eingesperrt werden mussten. ...
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