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NetartCommunityCongress
Archiv - Rezensionen
Mittwoch, 8. Februar 2006
Während Ted Kaczynski im Wald versteckt und zurückgezogen in einer Hütte bei Lincoln, Montana, haust, werden seit 26. Mai 1978 Bombenattentate gegen Universitäten und Fluglinien verübt. Dass Kaczynski der über 18 Jahre lang gesuchte Unabomber ist, sollte sich erst nach einem Verdacht seines Bruders und der folgenden Festnahme am 3. April 1996 herausstellen.

Drei Tote und zahlreiche Verletzte gehen auf das Konto von Kaczynski. Dass der ehemalige Mathematiker mit über-überdurchschnittlichem IQ nicht einfach ein durchgeknalltes, vielmehr ein höchst kompliziert durchgeknalltes Superhirn ist, zeigt Lutz Dammbecks Filmdoku Das Netz. Unabomber, LSD und Internet. Eigenartige Verbindungen zum LSD-Testprogramm der USA, zum Erfinder des Terminus Personal Computer oder zum damals 94-jährigen Heinz von Förster, Mathematiker und neben Maturana und von Glasersfeld Protagonist des radikalen Konstruktivismus, ergeben sich für Dammbeck während dessen Reise und Recherche. Und alle Schnittpunkte hängen auch irgendwie mit der Konstruktion des Unabombers zusammen ...

Das Netz aber war aber nur der Einstieg in den NetartCommunityCongress 05, vom 7. bis 9. Dezember, im Grazer Dom Im Berg, nonstop über 40 Stunden. Die Organisatoren mur.at, unter Projektleitung von Doris Jauk-Hinz, richteten fünf Schichten zu Experimenten, Netzkultur, Diskussion und Essen, MusicPerformances und besagter Filmpräsentation ein. Dass die Theoriegruppe in Schicht III ihre Vorträge vor spärlich präsentem Publikum halten musste, mag ein Phänomen wie Präsenzangst der Individuen von NetCommunities zugrunde liegen. Hörenswert und spannend allemal die Vorträge von Erwin Fiala (Inst. f. Philosophie, KUG), Klaus Nicolai (CYNetart, Dresden), Werner Jauk (Inst. f. Musikwissenschaft, KFU Graz). Fiala erinnerte in seinem Vortrag an die Mediengebrauchsanweisung: Medien beschreiben uns nicht die Welt, sondern sie sind Werkzeuge, um die Welt zu betrachten. Vor allem sind sie Umcodierungsmittel. Eine Beschreibung von Sigmund Freuds Prothesengott könnte, mit Fiala, so lauten: Hätte man einen mittelalterlichen Menschen gefragt, was es denn sei, das es uns Menschen des 21. Jahrhunderts ermöglicht, mittels Medien, Rechner- und Speicherkapazität eine gleichzeitige Präsenz der Entitäten herzustellen respektive solche zu simulieren, so hätte der mittelalterliche Mensch geantwortet: Das ist Gott.

Wir schließen also aus der Umkehr obiger Bedingungen, wir selbst wären Gott – und es soll uns hinkünftig nichts Schlimmeres geschehen. Lutz Dammbecks Das Netz erscheint demnächst auf DVD bei Absolut MEDIEN Berlin als Arte Edition. Vorbestellungen über: info@absolutmedien.de

Wenzel Mraček

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