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„Anything goes“ an Bord der M.S. America |
Archiv - Kultur | |
Mittwoch, 15. November 2006 | |
Cole Porter, 1891 geborener Millionärsenkel, Student in Harvard und Yale, wo er statt juristischer Kenntnisse ironische College-Shows entwickelt, ein Weltstar, dessen Musicals zum Rohstoff für Hollywood werden, der aber in Folge eines Reitunfalles ein Bein verliert und eher verbittert stirbt, scheint selbst eine Musicalfigur. Tatsächlich ist sein Leben in „Night and Day" mit Gary Grant verfilmt worden.
Und keiner der Texter/Komponisten war wortgewaltiger, schwungvoller und eleganter als Cole Porter. Die schwungvolle Inszenierung von Cole Porters Musical „Anything Goes", die am Sonntag den 29. Oktober in der Grazer Oper Premiere hatte, bietet eine Art bonbonfarbene Archäologie der amerikanischen Massenunterhaltung. Cole Porters Songs und Melodien sind, wie Regisseur Josef Ernst Köpplinger und Dirigent Michael Brandstätter amüsant demonstrierten, längst in das kollektive Unterbewusstsein eingesickert. Prohibition, Börsenkrach und der Aufschwung des American Way of Life bis in die Fünfzigerjahre waren die Epochen, die sich durch unverschämt-bissige, respektlos-erotische Songs am besten beschreiben ließen. Zwar braucht es in Graz vor der Abfahrt des Luxusliners M.S. America nach London ein wenig Zeit, bis das zahlreiche Personal Tritt fasst. Aber spätestens, wenn das funkelnde Herz der Aufführung – Patricia Nessy als Reno Sweeney, illusionslose Nachtclubsängerin und Laienpredigerin mit gesundem erotischen Appetit – zu singen und tanzen beginnt, kommt alles in Takt: Götz Zemann als Börsenmagnat Whitney, sein Assistent Billy Crocker (Daniel Prohaska, sympathisch und beweglich), der der angebeteten Hope Harcourt wegen zum blinden Passagier wird und Hope (Elisabeth Ebner) selbst, die von der Mutter (Dagmar Hellberg) zur Geldheirat mit einem schrägen Lord verdonnert wird. Mit auf Fahrt Möchtegerngangster Moonface Martin, Gangsterbraut Erma (Boris Pfeifer, Isabell Classen, beide glänzend), chinesische Sünder bzw. Immiganten und natürlich die Schiffbesatzung plus Kapitän (Previn Moore mit einer sehr „schwarzen" Stimme). Crocker, der sich als Top-Gangster „Schlangenauge" ausgibt, wird seiner Berühmtheit wegen gefeiert, bis er sich als ehrlicher, blinder Passagier zu erkennen gibt. Dann sperrt man ihn ein. Neben den vielen berühmten Songs „You‘re the Top", „Anything Goes" oder „Blow, Gabriel, Blow" beeindruckt Dagmar Hellberg mit „Let’s Do it", während sie ohne jede erotische Korrektheit den dicken Whitney, ihre alte Liebe, verführt. Schwungvoll und respektlos surrt die musikalische Aktion inklusive ansehnlicher Tanzeinlagen auf der pastellfarbenen, pragmatischen Kulisse der M.S. America ab, bis jeder den ihm entsprechenden Partner bekommt. Düstere, aktuelle Elemente der Geschichte – Börsenspekulation, Immigration, Mediengeilheit – werden dankenswerter Weise überstrahlt. Beklagenswert ist allenfalls die bloß bruchstückhafte Übersetzung der Songs auf dem Schriftbalken – der geniale Texter Porter hätte Besseres verdient. Für alle zu empfehlen, die den heiteren, musikalischen Abend suchen. Willi Hengstler Noch am 9., 12., 15., und 26. November und am 7., 9. und 16. Dezember.
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