Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Archiv - Art Box
Sonntag, 12. November 2006
Image Das ist ja oft so: Man kommt wo hin, und jemand anderer ist schon da. Beim Reisen kann das manchmal nerven. Im Kopf und in der Kunst ist das anders. Da ist Platz genug. Und da freut man sich dann schon, wenn man einmal wo hinkommt, wo jemand ist. Oder zumindest war. Angelika Thon reist gern. Geographisch sowieso. Nächstes Jahr nach Indien, wenn es sich ausgeht. Jetzt gibt es Indien ja nicht so, wie sich unsereins das vorstellt, wenn er in den Atlas schaut.

Eine bunte Seite, auf der groß INDIEN steht. Darunter schimmern ja hunderte Welten. Und tausend Indien. Und Jahrtausende Geschichte. Und jede Menge Vorurteile. Da heißt es dann, die Seele anziehn und den Kopf aufsetzen, sonst brauchst du gar nicht hinfahrn. Da würd ja sonst ein Cluburlaub am Wörthersee auch reichen. Ihr halt nicht. Weil das keinen Wert hat. Und der Wert halt aus der Zumessung von Wertigkeit entsteht. Und Konsum sowieso keine Belohnung für Arbeit ist. Weil der Konsum ein System unterstützt, das mit dem, was man braucht, nix zu tun hat. Und dieses System den Begriff Arbeit pervertiert.

ImageArbeit als Strafe. „Ich will", sagt Angelika Thon, „Arbeit nicht als Strafe haben. Und es ist natürlich eine Strafe, wenn der Mehrwert aus meiner Arbeit nicht zu mir kommt. Und das trifft in den letzten Jahren wieder verstärkt vor allem Frauen. Prekäre Arbeitsverhältnisse sind Arbeitsverhältnisse von Frauen. Und ‚außerhalb’ der Arbeitswelt trifft es die Frauen dann gleich noch einmal. Da wird heftig an der Schlechterstellung gebastelt, indem öffentliche Angebote zurückgefahren werden. Und da kommen dann ja auch noch die anderen: Kinder, Alte, Behinderte, Arbeitslose, Ausländer. Die interessieren heute auch niemanden mehr. Und da wird auch nichts getan. Weil wir angeblich kein Geld mehr haben."
Diese gesellschaftlichen Veränderungen global der Globalisierung in die Schuhe zu schieben, hält sie für die Kardinallüge einer männlich definierten Welt. Wenn es im viertreichsten Land der EU kein Geld mehr Image für die gemeinsamen Anliegen einer Gesellschaft gibt, ist das traurig. Wenn im selben Land einem Prozent der Bevölkerung 30 Prozent der gesamten Vermögenswerte gehören, stellt sich die Frage, warum das so ist. Und warum das so sein soll.

Was heißt jetzt „Arbeit" in der Kunst? Deshalb hält Angelika Thon auch den Begriff „Arbeit" in der Kunst für wenig sinnvoll: „Da wirst du dann eh nur nach der simplen Formel Arbeit = Lohnarbeit = Abhängigkeit auf das Unwesentlichste reduziert, dem pekuniären Wert deines Tuns, dem Kunstmarkt eben. Und der hat mit der Wirklichkeit in der Kunst recht wenig zu tun, weil er sich seine Regeln ganz woanders holt. Selbstbestimmung ist mir da schon wichtiger. Auch, wenn dann nicht so viel herausschaut. Aber das bin ich mir wert."
Hast du es als Frau schwerer als die männlichen Kollegen? „In der Kunst kommst du als Frau hauptsächlich dann ein Stückerl weiter, wenn du deinen Körper benutzt. Wenn du dich als Person in den Mittelpunkt stellst und anschaun lässt. Dann darfst du auch ein bisserl Erfolg haben. Und da gibt es kaum Ausnahmen. Weil die Auftraggeber ja auch fast immer Männer sind." Und dann der ernüchternde Befund: „Feminismus existiert in der Gesellschaft erst, seit Männer das als Vorteil betrachten."

Kritik an Frauen? „Wir sollten nicht so blöd sein und aus lauter Rücksichtnahme immer nur 20 Prozent von dem fordern, was wir haben wollen. Wir sind viel zu empfänglich für Problemreihungen und lassen uns dauernd einreden, dass es im Moment wichtigere Dinge gibt, als die grundlegendsten Rechte der Frauen zu verwirklichen. Da war die Johanna Dohnal ganz anders. Die hat mir imponiert. Wir sollten dort hingehen, wo wir was können und dort unseren Platz einnehmen. Wenn uns aber dazu die Möglichkeiten vorenthalten werden, ist das eine Frechheit."

Sollen wir uns Kunst überhaupt noch leisten? Vom Rand der Gesellschaft aus betrachtet sieht sich manches leichter. Angelika Thon schaut von dort. Es wird aber am Rand der Gesellschaft der Platz auch immer knapper. Die Entsolidarisierungsjunkies drücken und drängen immer mehr Bereiche des Lebens dorthin ab. Auch die Kunst, wenn sie nicht gerade Gewinne bringt. Oder saisonal bedingt unter Hochkultur firmiert.
Das ist halt so, dass dort, wo die Unbequemen zu Hause sind, zuerst das Licht ausgeht. Da werden halt die Arbeits- und Lebensbedingungen für KünstlerInnen immer schlechter. Die Jungen haben es dann besonders schwer: „Die dürfen schon was machen, aber ohne Geld. Und gerade in der Netzwerkkunst unter Aufhebung des Urheberrechts. Da schmücken sich dann welche mit deren Arbeit, ohne irgendeine Eigenleistung dafür erbracht zu haben. Das frustriert. Viele verlassen auch ihre Heimat, weil sie hier keine Arbeitsbedingungen mehr vorfinden, wo sie auch noch leben können. Gerade deshalb müssen wir uns Kunst leisten. Auf jeden Fall. Und bedingungslos. Weil Kunst für alle Menschen eine Bereicherung ist, indem sie sich aus sich selbst bereichern können. Jeder Mensch ist ein Kunstwerk." Leider ist das nicht selbstverständlich, weil: „Selbstverständlich ist gar nichts."

Rhizom. Und die eigene Arbeit? „Ich hab einen Fulltimejob. Malerei, Ausstellungsgestaltung, Bühnenbild, Lektorin an der FH-Joanneum / informations-design usw. Seit 1997 bin ich bei Rhizom. Vor allem deshalb, weil Rhizom die gängigen Schemata im Kunstbetrieb unterläuft. Weil das nichts ist, dem man sich einfach unterwirft oder ausliefert. Das gehört thematisiert, Rhizom macht das. Und da ist natürlich auch das offene Feld und die Vielfältigkeit, das brauch ich eben für meine Arbeit."
„Auch, weil Rhizom sich kontinuierlich weiterentwickelt, ohne dadurch in eine Non-Stop-Geschichte auszuarten. Und, Rhizom ist eine Plattform ohne Formwertung. Eine Vielfalt ohne wenn und aber. Und das ergibt dann immer wieder eine Summe, die wesentlich mehr ist als ihre Teile. Das ist spannend. Und schön ist es auch. Sogar dann, wenn es oft schwierig ist mit der Finanzierung, mit der Planung. Und den langen Vorlaufzeiten, gerade bei internationalen Projekten. Aber da braucht es halt ein bisserl Risikobereitschaft. Und Mut auch. Aber den hab ich ja."
Und Indien? „Deswegen fahre ich ja hin. Und natürlich, damit ich wenigstens eines von diesen tausend Indien kennen lerne."

Fotos: © 2006 by Angelika Thon

Biografie

Angelika Thon
geb. 1957 in Graz, Freischaffende in den Bereichen Bildende Kunst, Ausstellungsgestaltung, Bühnengestaltung, künstlerisch-wissenschaftliche Projekte.

1976 Maturaabschluss – bildnerisches Fach bei Friedericke Nestler-Rebau
1981 Fachabschluss Bau- und Möbeltischlerei
1981 - 89 Entwurf, Planung und Ausführung im Bereich Möbelbau
1992 Magistra artium für Bühnengestaltung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz
1992 - 97 Lektorat/Assistenz an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz
1998 - 99 Ausstattung am Stadttheater Klagenfurt, Theater Basel, Showbourg Nijmegen
seit 1997 Mitglied bei der KünstlerInnenvereinigung Rhizom mit Beteiligung an laufenden Projekten
seit 2002 Lektorat an der Fachhochschule Joanneum, Graz

Auszeichnungen / Preise
1992 Coudenhove - Preis für die Diplomarbeit
1992 Steiermärkischer Landesförderungspreis für Fotografie mit der Gruppe S.E.A.
1993 Förderungspreis des Landes Steiermark für Zeitgenössische Bildende Kunst

Projekte (Auswahl)

Ausstellungen, Installationen
Europäischer Kulturmonat, „Gegenblickanlage"; documentaX, „PubliCity" / Kassel; „Trans Wien", Gürtel – Installationen; Grüne Akademie / Graz; Joanneum Ecksaal / Graz; Minoritengalerie / Graz; Hohenems – Palast / Vorarlberg; „Leben im 21.Jahrhundert - Risiken und Chancen", Symposion / Graz; Kunsthalle Feldbach / Gruppenausstellung „4 plus 4"; Kunsthalle Feldbach / Gruppenausstellung „6 maler"

Ausstellungsgestaltung
Konzeption „Altmexikanische Sammlung" Völkerkundemuseum / Wien; Steir. Landesausstellungen 1992-2000; Internationale Bühnenbildausstellung „Prager Quadriennale"; Stadtmuseum / Graz 1999-2002; ESC im Labor; Schloss Trautenfels; Feuerwehrmuseum Groß St. Florian; Wintersportmuseum Mürzzuschlag

Bühnengestaltung
Schauspielhaus Graz; Opernhaus Graz; Mezzanin – Theater / Graz, Bologna; Interdisziplinäre Hochschulprojekte / Graz, Wien, Salzburg; Ausstattungsassistenz Stadttheater Klagenfurt, Theater Basel, Nijmegen; Ausstattung: Film, Theater – Generationenprojekt / Europahaus Klagenfurt; Bühne / drama graz_forumstadtpark theater /Festival, la strada

Projekte1997- 2005 mit der KünstlerInnengruppe Rhizom
„IN SITU" – aktuelle Positionen mexikanischer Fotografie und Videokunst; „KOKON" – eine infrastrukturelle Installation – Kolumbien / Mexiko / Österreich; „zu atmen" – eine Lautinstallation – Graz / Jakominiplatz; „interchange" Melbourne – Berlin – Wien – Graz; „inspirationes" (atemzüge) rhizom im Labor – Gruppenausstellung, Musikperformances; „oir es ver" (hören ist sehen) – Kunst im elektronischen Raum, am Beispiel von Radiokunst und Klangskulptur, Ausstellung (Foto - Text - Ton); „Jackson Real Roadmovie" – multimedia Installation und performance; „Geöffnet! räume und geschichten" – Aktionen, Interventionen, Installationen; „Grenzleben_borderlife" – Installation; „Hotel Rhizom" - Konzeption, Einrichtung, Ausstellung / Graz – Kulturhauptstadt 2003; „Hotel Rhizom_reflexion zone graz 2003" / aktuelle kunst in graz; „Stereorealitäten_ladies & gentlemen start your engiens!" – performance/steirischer herbst; „out of space" - Konzeption, Einrichtung, Ausstellung / steirischer herbst 2004; „T.T.T. TROUGHtheTEXT(URE)" – Installation, Austellung / aktuelle kunst in graz 2005; festival der regionen 2005 OÖ/Teilnahme mit 2 Projekten: „Postbustausch", „land art cross soccer; „lebend geschichte" – Installation, Gestaltung

weitere Informationen: http://rhizom.mur.at

die rezeptur der 100 bilder
raum_kompositionen mit besucherInnenbeteiligung

jedes einzelstück hat angrenzende passstücke ähnlich einem puzzle
leerstellen verschieben sich und die illusion eines gesamtbildes bleibt erhalten
so entstehen durch immer wieder neue ordnungen
variationen von bildkompositionen im raum
die bildsequenzen werden quer durch den ganzen raum getauscht
die ausstellungsbesucher/innen sind eingeladen
ihre komposition zu finden
die 100 bilder sind basismaterial
und erste variation gleich einem musikstück

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