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Museumsquadrant und Ausbau der Landesbibliothek:
Archiv - Kultur
Donnerstag, 12. Oktober 2006
Image Das größte Projekt in 200 Jahren Joanneum-Geschichte nimmt Gestalt an

Mit der Initiative von LH-Stellvertreter Dr. Kurt Flecker zum Ausbau der Landesbibliothek kann die dringend notwendige Sanierung und Umgestaltung des zentralen Grazer Museumsstandortes endlich Wirklichkeit werden. Die beiden Kultur- und Wissensinstitutionen sollen räumlich und organisatorisch enger zusammenwachsen.

Im Jahr 1811 stiftete Erzherzog Johann das innerösterreichische „Nationalmusäum" Joanneum. Rechtzeitig zum 200-jährigen Jubiläum dieses für die Steiermark bedeutenden Ereignisses soll ein Projekt abgeschlossen sein, das in den 90er Jahren begann und nun durch den positiven Beschluss des Landtages in die krönende Endphase kommt: Die Erneuerung des gesamten Landesmuseums Joanneum und der Um- und Neubau des so genannten Museumsquadranten mit der Landesbibliothek.

Generalsanierung. Im Rahmen des „Konzepts Joanneum-Neu" wurden in den letzten Jahren das Schloss Eggenberg – unter anderem durch die Übersiedelung der Alten Galerie ins Schloss –, das Volkskundemuseum in der Paulustorgasse, die Jagdausstellung in Stainz und das Lapidarium und der Planetengarten im Schlosspark Eggenberg neu gestaltet. Nun steht den Gebäuden in der Raubergasse und in der Neutorgasse eine Generalsanierung ins Haus. „Die Haustechnik hat das Ende ihres Lebenszyklus erreicht. Es stehen Großinvestitionen in allen Bereichen an, die für den Betrieb eines Museums unabdingbar sind: Elektrik, Heizsystem, Klimatechnik oder Sicherheitstechnik", so Dr. Wolfgang Muchitsch, Geschäftsführer des Landesmuseums Joanneum. Dringlich ist auch die Schaffung eines barrierefreien Zugangs zu den Ausstellungsräumlichkeiten der Raubergasse.

„Jetzt können wir wieder frei atmen." Den entscheidenden Ausschlag zum Beginn der Planung gab das Bekenntnis des steirischen Kultur-Verantwortlichen LH-Stellvertreter Dr. Kurt Flecker zur Aufrechterhaltung des innerstädtischen Standortes der Steirischen Landesbibliothek. „Wir sind äußerst dankbar, dass wir nach einer mehrjährigen Abwehrschlacht jetzt Verständnis in der Politik gefunden haben. Drei Jahre hindurch herrschte ein Zustand, wo man nicht wusste, ob wir aufgelöst oder stark reduziert werden. Jetzt können wir wieder frei atmen und das überträgt sich auch aufs Publikum", freut sich Hofrat Christoph Binder, Direktor der Landesbibliothek.
Der haus- und sicherheitstechnische Zustand der Landesbibliothek und der Platzmangel machen einen Neubau besonders dringlich. Als die Bibliothek im Jahr 1893 eröffnet wurde, waren 14 oder 15 Personen dort beschäftigt und der Buchbestand betrug rund ein Drittel der heute über 700.000 Bände. Heute kämpft die Landesbibliothek mit immensen Platzproblemen, das Gebäude in der Kalchberggasse ist voll bis unters Dach und ein Großteil der Bücher muss in externen Depots gelagert werden, was zu mehrtägigen Wartezeiten für die Benutzer führt.

Tiefspeicher und Haus der Natur. Kern des 48,5 Mio. Euro teuren Erweiterungsbaus ist ein mehrgeschoßiger Tiefspeicher unter dem Joanneumshof, der für etwa eine Million Bände Platz schaffen und auch dem Joanneum als Depot dienen soll. „Dies ist die dringendste Maßnahme, damit wir wieder all unsere Bücherschätze an einem Ort versammelt haben und damit sie vor allem griffbereit für das Publikum sind", bekräftigt Binder. Sobald dieser Tiefspeicher fertig gestellt ist, soll die Generalsanierung des Stammhauses der Landesbibliothek folgen, das dann mit moderner technischer Ausrüstung und mit den nötigen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet wird. Ebenso sollen größere Benützerräume und modernere Büros geschaffen werden.
Von Seiten des Landesmuseums will man in der Raubergasse möglichst viel Fläche für museale Funktionen schaffen. Alle Verwaltungsbereiche sollen daher in die Häuser Mariahilferstraße 2 und 4 übersiedeln, deren Sanierung bis zum nächsten Jahr abgeschlossen sein soll. „Diese Lösung ermöglicht es uns, mit allen nicht wissenschaftlichen Bereichen aus der Raubergasse auszuziehen und für dieses Haus der Natur, für die technische Infrastruktur, aber auch für die Büros der Wissenschafter, für die Labors, für die Sammlungs- und Lagerbereiche die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen", erklärt Muchitsch. Das Haus in der Neutorgasse wird künftig das Bild- und Tonarchiv und, entsprechend seiner ursprünglichen Bestimmung, die kulturhistorische Sammlung beherbergen.

Synergien nutzen. Die Leiter der benachbarten Institutionen bekräftigen, in Zukunft noch enger zusammenarbeiten und Synergien nutzen zu wollen. So sollen in fernerer Zukunft die Bestände der Fachbibliotheken des Landesmuseums, die gemeinsam über etwa 200.000 Bände verfügen – was dem Bestand der Niederösterreichischen Landesbibliothek entspricht – über den OPAC, die Internetkataloge der Grazer Bibliotheken, dem Publikum zur Verfügung stehen. Außerdem greift man von Seiten des Joanneums gerne auf die reichhaltige bibliothekarische Erfahrung der Mitarbeiter der Landesbibliothek in der Beschlagwortung und im Umgang mit der neuen Datenbank DABIS zurück und will sich zukünftig auch verstärkt bezüglich der Ankäufe absprechen. Ob dieser Zusammenarbeit auch durch einen gemeinsamen Eingangsbereich für die drei Häuser Ausdruck verliehen wird, liegt in den Händen des zur Planung auserkorenen Architekten; Binder spricht sich für eine solche Lösung aus. Das Ausschreibungsverfahren nach den EU-Richtlinien läuft bereits. In einer ersten Verfahrensrunde wurden 10 Architekturbüros ausgewählt, aus deren Plänen eine Jury (bestehend aus den Architekten András Palffy, Walter Chramosta, Johannes Axel Justin und Pierre De Meuron, einer der bekanntesten Museumsplaner, sowie Peter Pakesch, Wolfgang Muchitsch und Gertrude Celedin) am 16. und 17. November den Sieger küren wird, der dann die Detailplanung übernehmen wird.

Gemäß dem Gründungsauftrag eine Bibliothek für alle Bürger und Bürgerinnen des Landes. „Die LB ist in den letzten Jahren stark in Diskussion geraten. Die Notwendigkeit des bisherigen Umfangs wurde in Frage gestellt. Der neue für die Kultur zuständige Referent, LH-Stellvertreter Kurt Flecker, hat aber zu unserer großen Freude gleich nach Übernahme der Amtsgeschäfte einen Regierungsbeschluss herbeigeführt, das Joanneumsgebäude und die LB jetzt endlich auszubauen und zu modernisieren", sagt Binder erleichtert. Flecker hat auch das jahrelang geltende Einkaufsverbot in allen populären Bereichen, durch das auch die Benutzerstatistik der Landesbibliothek eingebrochen war, nach seinem Amtsantritt aufgehoben. „Es ist gut, dass es viele Bibliotheken und unter ihnen auch die Landesbibliothek gibt, auch wenn sie teilweise nicht ausreichend geliebte Kinder der Politik sind. Den Menschen Appetit auf das Lesen zu machen ist eine lohnende Aufgabe, der daraus folgende Hunger auf Literatur muss jedoch auch gestillt werden", begründet Flecker im KORSO-Gespräch seine Entscheidung.
„Das Kernstück des Hauses ist die umfassende Sammlung, Aufbereitung und Dokumentation des gesamten steirischen Schrifttums, wir haben aber auch Basisliteratur zu allen Wissensgebieten. Die Landesbibliothek versteht sich vom Sammlungsauftrag, von der Arbeitsweise und der Methodik her als wissenschaftliche Bibliothek. Sie nimmt aber, wenn man die Kundenschichten betrachtet, eine Mittlerfunktion ein. Wir haben in unserem Publikum einen Querschnitt durch die gesamte Bevölkerung. Wir wollen gemäß unserem Gründungsauftrag allen Bürgern und Bürgerinnen des Landes offen stehen, mit all ihren legitimen Bedürfnissen, ob das die Bedürfnisse der Forschung und Lehre sind, des Studiums, der Schule, der beruflichen Fortbildung – oder Unterhaltungsbedürfnisse. Eine Bibliothek ist kein Selbstzweck, sondern dient der Bevölkerung", unterstreicht Binder. Und so sei es auch kein unzumutbarer Luxus, wenn ein Buch öfter als einmal in Graz vorhanden sei und drei Bibliotheken unterschiedlicher Ausrichtung nebeneinander existierten.

Archäologische Vorarbeiten. Lange bevor im Garten des Joanneums die Bagger anrollen, wird schon mit Schaufeln gegraben – von den Archäologen. Bei einer Besichtigung des Grabungsfeldes zeigt sich auch LMJ-Archäologe Prof. Dr. Diether Kramer äußerst erfreut über die für den Museumsquadranten gefundene Lösung: „Die Verzögerung des Ausbaus der Landesbibliothek war eine Schande. Dr. Flecker hat eine Entscheidung im Sinne der Wissenschaft getroffen, der Tiefspeicher ist die bestmögliche Lösung." Durch die Grabungen, die vom gemeinnützigen Verein Archäologieland Steiermark, dem AMS, dem Land Steiermark und der LIG gefördert werden, können in Vergessenheit geratene Teile der Stadtgeschichte abgeklärt werden. Bisher ist man etwa auf dem Niveau der gotischen Stadtmauer angelangt, unter einer Murschwemmschicht, in einer Tiefe von 5 bis 12 Metern, werden ältere, bis in die Hallstattzeit zurückreichende Funde vermutet. Eine Abfallgrube aus dem 16. bis 17. Jahrhundert, in der sich Austern- und Muschelschalen, aber auch Keramik- und Glasgegenstände befanden, wirft Fragen nach dem Zeitpunkt der Zuschüttung des Stadtgrabens auf. Doch vorerst will Kramer noch keine Diagnosen stellen: „Wir möchten die Grabungen ordnungsgemäß und ungestört abschließen, Befunde wird es danach geben." Vorläufig gehen die Grabungen noch bis zum 31. Oktober, man hofft aber auf eine Verlängerung bis zum endgültigen Baubeginn – spätestens 2008 – und möchte Synergien nutzen: Für die Tiefspeicher muss ohnehin eine 12 Meter tiefe Grube ausgehoben werden. Und gut koordiniertes Vorgehen wird in der Tat nötig sein, um den Jahrhundert-Umbau rechtzeitig bis zum Jubiläums-Jahr 2011 fertig zu stellen.

Katharina Dilena

Die Geschichte des Grazer Museumsquartiers


Image Das Areal des so genannten Museumsquadranten befindet sich zu einem Teil auf dem Boden des mittelalterlichen Stadtkerns, zum anderen geht es über diesen hinaus und berührt den Befestigungsgürtel der Barock- und Renaissancezeit. Archäologische Grabungen in den Jahren 1997 und 1998 förderten unter anderem Fundamente des Rauberhofes zu Tage. Auf diesen wurde das Stammhaus des Landesmuseum Joanneums in der Raubergasse zwischen 1665 und 1674 von Domenico Sciassia als Stadthaus für das Stift St. Lambrecht erbaut. Im Jahr 1811 wurde es von den Steirischen Ständen angekauft, um als Standort für das von Erzherzog Johann gestiftete innerösterreichische „Nationalmusäum" Joanneum zu dienen. 1825 bis 1826 wurde der straßenseitige Trakt nach Süden verlängert.
Erzherzog Johann wollte mit dem Joanneum in erster Linie eine Lehranstalt schaffen, die ihren Unterricht durch die Verwendung authentischer Objekte veranschaulicht. Zu diesem Zweck schenkte er dem Museum seine umfangreichen naturhistorischen Sammlungen. Nachdem die Technische Hochschule 1888 den Neubau in der Rechbauerstraße bezogen hatte, wurden die im Besitz des Landes Steiermark verbliebenen Sammlungen zum steiermärkischen Landesmuseum Joanneum ausgeweitet.
In den Jahren von 1890 bis 1893 wurde der Zubau des Bibliotheksgebäudes nach Entwurf von August Gunolt mit neobarocker Fassadierung an der Ecke zur Kalchberggasse errichtet.

Das neue Museumsgebäude in der Neutorgasse wurde zwischen 1890 und 1894 als Kulturhistorisches Landesmuseum und Kunstgewerbemuseum nach Entwurf von August Gunolt von Josef Bullmann erbaut. Gunolt wurde zu seinem Plan von Barockbauten im Stile J. B. Fischer von Erlachs inspiriert. Am 5. Juni 1895 wurde das neue Museum von Kaiser Franz Joseph persönlich feierlich eröffnet.

Der botanische Garten. Ab 1811 wurde auf der Bürgerbastei sowie dem in der Folge bis zum Eisernen Tor eingeebneten Befestigungsareal der Joanneumsgarten angelegt. Bereits ab 1814 wurde dieses Gartenareal durch Einbeziehung des Stadtgrabens vergrößert. Nach einer weiteren Vergrößerung erlangte der Joanneumsgarten 1836 seine größte Ausdehnung entlang der ehemaligen südlichen Befestigungsanlage zwischen Neutor und Eisernem Tor. Der botanische Garten war der Bevölkerung frei zugänglich und erfreute sich großer Beliebtheit. Im Jahr 1885 fiel trotz Bevölkerungsprotesten die Entscheidung zur Schließung. Ab 1889 wurde das Gartenareal für Wohnblöcke parzelliert und neue Straßenzüge wurden angelegt.

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