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Forscher des Landesmuseums entdecken sensationelle Fossilien
Archiv - Wissenschaft und Forschung
Mittwoch, 8. Februar 2006
ImageWochenlang streift Dr. Martin Gross vom Landesmuseum Joanneum durch das Grazer Umland, um die geologische Karte (von Graz) von Prof. Helmut Flügel zu vervollständigen. Ausgerüstet mit einem Geologenhammer entnimmt der Spezialist fürs Neogen (früher: Tertiär) wo auch immer es möglich ist Proben. Knochenarbeit, im wahrsten Sinne des Wortes.

Vor allem das dicht besiedelte Gebiet ist ein Problem bei der Forschung. „Manchmal wird man bei Baustellen fündig, ab und zu findet man aber auch Gesteinsmassen die zwischen dem dicht bewachsenen Boden hervorlugen", erzählt der Paläontologe. Selten allerdings haben die Forscher so viel Glück wie letzten August am Stadtrand von Graz. Auf einer Fläche von 50 mal 100 Metern lagen bis zu 12 Millionen Jahre alte Knochen für jeden sichtbar frei auf dem Boden. Kein Wunder, dass die Paläontologen ihren Augen kaum trauten. In einer Notgrabung kamen dann die sensationellen Funde zu Tage: Wirbelstücke von Waranen, 10 cm lange Wildschweinhauer, über 20 verschiedene Pflanzenarten, 15 verschiedene Schneckenspezies, versteinerte Frösche, Nattern, Schildkröten, Mahlzähne von Urelefanten und Knochen einer Kurzhalsgiraffe sowie versteinerte Süßwasserkrabben und Muschelkrebse, so genannte Ostracoden.

ImageSüßwasserkrabben: Zeugen eines urzeitlichen Ökosystems. Um die Süßwasserkrabben und die Muschelkrebse kümmert sich Martin Gross persönlich. „Es gibt europaweit nur wenige Stellen an denen fossile Süßwasserkrabben gefunden wurden. Der Fund bei Graz wird wohl einer der wichtigsten sein", erklärt Gross im Gespräch. Die äußerst gut erhaltenen Rückenpanzer und Scheren machen den Fund so wertvoll. Außerdem geben die Krabben Aufschluss darüber, wie weit das Meer vor 12 Millionen Jahren gereicht hat. Für die Steiermark bedeutet das: „Bis zum Plabutsch, nicht weiter" resümiert der Paläontologe und Sedimentologe, denn: „Süßwasserkrabben vertragen vieles, nur kein Salzwasser". Gemeinsam mit dem deutschen Biologen Sebastian Klaus werden die Tierchen nun genauer unter die Lupe genommen. Anhand von DNA-Analysen von noch lebenden Vertretern dieser Art versucht der deutsche Kollege die verwandtschaftlichen Beziehungen zu klären.

Arbeitsweise. Besondere Aufmerksamkeit widmet Gross den Muschelkrebsen. Die Tierchen sind zwischen einem halben Millimeter und einem Millimeter groß. „Wir haben dort bestes Material gefunden." Aber wie werden Tiere, die einen halben Millimeter groß sind, eigentlich entdeckt? „Zuerst nimmt man eine Gesteinsprobe und löst sie in verdünntem Wasserstoffperoxyd auf. Der Schlamm wird durch immer kleinere Siebe geseiht, bis nur mehr ein kleiner Rest übrig bleibt", erörtert Gross die methodische Vorgangsweise. Der Blick durchs Mikroskop gibt dann das Ergebnis preis. Ein Erfreuliches, dieses Mal. Durch die bestens erhaltenen Fossilien konnte sogar das Geschlecht der Ostracoden bestimmt werden.

Subtropisches Klima. Vom subtropischen Klima zu der Zeit zeugen nicht nur die Süßwasserkrabben, sondern auch die gefundenen Wirbel eines ein Meter großen Warans, die im Norden von Graz zu Tage kamen. Heute leben die zur Gruppe der Reptilien gehörenden Tiere in Afrika, Australien, Süd- und Südostasien. Zusätzlich untermauern der gefundene Unterschenkelknochen einer Kurzhalsgiraffe und die Mahlzähne eines Urelefanten diese Theorie. Die 20 exotischen Pflanzenarten werden zur Zeit von einer Samen- und Fruchtspezialistin (Paläobotanikerin) der Geologischen Bundesanstalt untersucht, den Schnecken und Muscheln nimmt sich der Direktor der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums, Dr. Matthias Harzhauser, an.

ImageWeitere Grabungen im Frühling
Die schweren Regenfälle im Sommer machten weitere Grabungen fast unmöglich. Bis zu einem halben Meter stand der Fundort teilweise unter Wasser. An den wichtigsten Stellen wurden Holzpfeiler aufgestellt, um die genauen Positionen zu wahren. Ein wenig konnte im Herbst noch gearbeitet werden, bis der Schnee den Paläontologen erneut einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Im Frühling soll es weitergehen. Ein größeres Team wird sich um weitere Grabungen kümmern. Bis zur endgültigen Erforschung des 5000 Quadratmeter großen Areals wird es noch eine Weile dauern. Bis dahin wird der genaue Fundort geheim bleiben um eventuellen Raubgrabungen von Hobbypaläontologen vorzubeugen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Funde der Nachwelt erhalten bleiben. Bleibt zu hoffen, dass die Witterung der vergangenen Monate den Fossilien, die dort noch vermutet werden, nicht zu sehr geschadet hat.

Manuela Palmar

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