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Donnerstag, 12. Oktober 2006
Brechen wir eine Lanze für die Tapferkeit
Mit bewunderndem Erstaunen schüttle ich hier öffentlich den Kopf über den verlegerischen Mut des Tropen-Verlags. Hat dieser doch tatsächlich den Nerv ein Buch wie Denis Johnsons „Seek" unter dem Titel „In der Hölle" Untertitel: „Blicke in den Abgrund der Welt" aufzulegen. Das schwarzweiße Cover zeigt schwarze Kindersoldaten, die dem potenziellen Leser entgegensehen und einen Reflex auslösen, der mit „Sehen-wir-lieber-woanders-hin" umschrieben werden kann.

Auf den ersten Blick handelt es sich also um ein Buch, das wie geschaffen dazu ist, bewusst ignoriert zu werden. Wir alle wissen ohnehin zur Genüge, dass es in Afrika „furchtbar zugeht" und wer will sich schon diesem Furchtbaren aussetzen, an dem man zu allem Überdruss nichts ändern kann, selbst wenn man wollte. Welchen Grund – außer einer Neigung zu Selbstquälerei – könnte man haben, dieses Buch zu lesen? Die Antwort fand sich leichter als erwartet. Es ist uns erlaubt, mit einem sympathischen und glänzend schreibenden Autor in Liberia und Somalia auf die Suche nach dem „Herz der Dunkelheit" zu gehen. Auf diesem Weg begegnen wir fast mittelalterlich anmutenden Grausamkeiten, grotesken Figuren und absurden Regeln. Auf der anderen Seite zeigt sich – überraschend – eine irritierende Menschlichkeit wie zum Beispiel in der Gestalt des in Liberia lebenden Italieners Rainieri, der es sich nicht vorstellen kann, an einem anderen Ort zu leben. „Ich hab überall Freunde ... und denen geht’s genauso wie mir – sie finden keine Arbeit! Überall das Gleiche! ... Ich bleib hier!" (S.120)
Denis Johnson: In der Hölle, Blicke in den Abgrund der Welt, Tropen Verlag 2006, 17,30 Euro.
In der Hölle, Blicke in den Abgrund der Welt, Tropen Verlag 2006, 17,30 Euro.
Denis Johnson, geb. 1949, veröffentlichte Gedichtbände und Romane, darüber hinaus schreibt er Reportagen für den „New Yorker". Johnson gilt als einer der wichtigsten Autoren der amerikanischen Gegenwartsliteratur.

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