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„Umbruch – Aufbruch“: Eisenerz wird re-designt |
Archiv - Arbeit und Wirtschaft | |
Mittwoch, 11. Oktober 2006 | |
Der ökonomische Strukturwandel in Europa seit den siebziger und frühen achtziger Jahren zeigte sich im Niedergang traditioneller Industrieregionen. Industrierückgang, Arbeitslosigkeit und Abwanderung trafen viele Regionen und Städte, die bis dahin als Zentren des industriellen Wachstums gegolten hatten. Hatte die Industrialisierung seit dem 19. Jahrhundert zu einem gewaltigen Wachstum städtischer Gebiete geführt, so wurde nun ein plötzlicher Zusammenbruch dieser Räume konstatiert. Dramatische Schrumpfungsprozesse, wie in England und in den neuen deutschen Bundesländern, sind in Österreich nicht zu verzeichnen, doch die Region um Eisenerz hat schon jahrzehntelang eine stetige Abwanderung aufzuweisen. Diese führte zu einer massiven Überalterung, sodass auch die Anzahl der Haushalte massiv absinkt. Bürgermeister Mag. Gerhard Freiinger will nun auf die schwierige wirtschaftliche Situation aufmerksam machen und Lösungen für die Probleme von Eisenerz entwickeln. Die Gemeinde Eisenerz setzt in diesem Zusammenhang vielfältige Initiativen: Die Ausstellung „Umbruch – Aufbruch" im Stadtmuseum im Kammerhof beschäftigt sich mit den Chancen und Problemen schrumpfender Städte, das Symposium „Umbruch – Aufbruch" lieferte wertvolle Informationen über Schrumpfungsprozesse und Lösungsansätze, mit dem Projekt „re-design Eisenerz" soll die Stadt neu belebt werden und der internationale Ideenwettbewerb „Eisenerz 2021" soll konkrete Projekte initiieren. Der Ideenwettbewerb ist noch nicht abgeschlossen, die Präsentation der Ergebnisse erfolgt am 27.11 2006 in Eisenerz. KORSO wird darüber berichten. Manfred Unterholzer „Umbruch – Aufbruch" - Die Ausstellung Das Team: DI Ingeborg Nussmüller, DI Werner Nussmüller, Mag. Rainer Rosegger, DI Richard Resch (von li) Geballte Ladung an Informationen. Seit 9. September 2006 läuft im Stadtmuseum im Kammerhof in Eisenerz die Ausstellung „Umbruch – Aufbruch". Der Besucher trifft auf eine ausführliche Darstellung der Phänomene von Strukturwandel und Veränderungen sowie auf eine Auswahl von Ideen und Konzepten zur Bewältigung der daraus resultierenden Probleme. Grundlegende Thematik ist die Aufarbeitung von Wachstum – Schrumpfung – Entwicklung. Der weltweite Übergang von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft ist auch in der Steiermark spürbar. „Eine zunehmende Abnahme und Alterung der Gesellschaft in weiten Teilen des Landes, eine Konzentration der Bevölkerung auf den Großraum Graz sowie eine auch zukünftig zu erwartende Entleerung der Städte zugunsten umliegender Gemeinden prägen diese Tendenzen und ziehen weitere Veränderungen in vielen gesellschaftlich relevanten Bereichen nach sich", so DI Richard Resch, Raumplaner und Mitglied des Ausstellungsteams. Konzipiert wurde die Ausstellung von der Architektin DI Ingeborg Nussmüller, dem Architekten DI Werner Nussmüller, dem Soziologen Mag. Rainer Rosegger und dem Raumplaner DI Richard Resch. „Umbruch - Aufbruch" baut auf der Ausstellung „shrinking cities" in Berlin auf und bietet „eine geballte Ladung an vielfältigen Informationen über „Schrumpfen, Stagnieren, Wachsen und Entwickeln, vor allem die steirischen Fakten der Veränderung waren noch nie so gesammelt dargestellt", so Werner Nussmüller. Aufforderung zum Tun. Gleich zu Beginn erwartet die BesucherInnen eine eindrucksvolle Rauminstallation: Eine Welle durchzieht den Gewölberaum und versinnbildlicht das Auf und Ab von Veränderungen in geschichtlicher, zeitlicher und lokaler Betrachtung. „Es war mir ein Anliegen einfache, verständliche Bilder zu entwickeln, die lange nachwirken. Ebenso wichtig ist mir das Hinausblicken über den eigenen Tellerrand und die Präsentation von Handlungsansätzen", so Ingeborg Nussmüller. Die Ausstellungstechnik ist bewusst reduziert gehalten. Einfache Gerüststangen mit Netzen bilden die Räume und sind zugleich Tragkonstruktionen für sämtliche Informationen. „Abseits von populären Medien soll eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Strukturwandel erfolgen und die wissenschaftlichen Inhalte sollten für jedermann begehbar sein", meint der Soziologe Rosegger. Ideen, Konzepte, und Bewältigungsstrategien prägen den Abschluss des Projektes. Der Besucher wird aufgefordert sich die Beispiele aktiv abzuholen. „Durch die Kommunikation der Inhalte soll zum Tun aufgefordert werden, dies gilt vor allem für die Entscheidungsträger der Region", so Werner Nussmüller. Bei der Eröffnung der Ausstellung am 8.9.2006 appellierte LH-Stv. Dr. Kurt Flecker an die Solidarität: „Die Gesellschaft muss dort eingreifen, wo es von selbst heraus nicht zu schaffen ist", so Flecker. „Mit dem Projekt ,redesign Eisenerz‘ wollen wir Ideen für eine Neugestaltung des Lebensraumes speziell für die Bewohner der Region Eisenerz entwickeln … und man kann Regionalentwicklung nur mit den Bürgern machen", hielt Landesrat Johann Seitinger fest. Die Publikation. Eine umfassende 80-seitige Publikation, herausgegeben von DI Richard Resch, beleitet die Ausstellung. Namhafte internationale und österreichische Autoren setzen sich in über 40 Beiträgen und Dokumentationen mit den Entwicklungen, Trends und Herausforderungen der Globalisierung, mit weltweit schrumpfenden Städten, der Alterung der Gesellschaften und den damit verbundenen Folgen auseinander. Eine Auswahl von 20 international beachteten Ideen und Ansätzen auf internationaler und regionaler Ebene zeigt Möglichkeiten und Wege auf, wie diesen Herausforderungen begegnet werden könnte. Diese Broschüre ist gratis erhältlich beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16, Landes und Gemeindeentwicklung, Telefon 0316 877 – 2644. Das Symposium „Umbruch – Aufbruch" Der steirische Erzberg „war geradezu ein Symbol für den Wiederaufbau", so Bürgermeister Gerhard Freiinger in der Eröffnungsrede zum Symposium „Umbruch – Aufbruch" im Innerberger Gewerkschaftshaus. „Unsere Aufgabe ist es die Ursachen für die negative Entwicklung aufzuzeigen und wir müssen Eisenerz eine neue Zukunft geben. Ich bin überzeugt, dass Eisenerz viel zu bieten hat." In diesem Zusammenhang erwähnte Freiinger den Recyclingpark Eisenerz, wo seit Anfang dieses Jahres mit modernsten technischen Methoden Shredderabfälle aufbereitet werden. Der Landesbaudirektor DI Gunther Hasewend betonte in seinem Referat besonders die Notwendigkeit zur „inneren Kooperation", ohne die alles umsonst sei. Der Berliner Architekursoziologe Werner Sewing stellte die Frage: „Kann man intelligent schrumpfen?" und plädierte für einen ganzheitlichen Blick bei der Entwickelung der Strategie für eine städtebauliche Erneuerung. Für die Journalistin Elisabeth C. Gründler ist die soziale Intelligenz des Menschen der entscheidende Faktor für die Bewältigung von Strukturproblemen. Gründler berichtete über konkrete Projekte, so über die WIR-Bank in der Schweiz, die während der Wirtschaftskrise in den 30er Jahren eine Buchwährung einführte. Rainer Rosegger, Soziologe aus Graz, betonte, dass Schrumpfen die Chance zu Wachstum in anderen Bereichen sein könnte. Hinsichtlich neuer Ansätze plädiert Rosegger für die Bereitschaft zu radikalen Überlegungen und zitiert den Ökonomen Joseph Schumpeter: „Der Erfolg von Innovationen beruht auf der Durchsetzung neuer Kombinationen von Gegebenem". Mag. Markus Seidl von der Österreichischen Raumordnungskonferenz referierte über die künftige Bevölkerungsentwicklung in Österreich und konnte folgende langfristige Trends konstatieren: Bis zum Jahre 2031 wächst die Bevölkerung in der Ost-West-Achse Österreichs, der Süden wird stagnieren. Verglichen mit dem Jahre 2001 wird es in Wien um 24,5% mehr Erwerbspersonen geben, in der westlichen Obersteiermark um 19% weniger. Der Raumplaner DI Richard Resch verwies darauf, dass Eisenerz mit seinen Problemen nicht allein dastehe, „viele Gemeinden entlang des Alpenbogens (z.B. in Friaul) haben ähnliche Probleme." Architekt DI Werner Nussmüller ist zuversichtlich: „Die Schrumpfung soll als Chance verstanden werden, die vorhandenen Potentiale zu nutzen und neue Perspektiven zu erarbeiten, denn es gibt viel Raum für neue Entwicklungen, das sind zum Beispiel die aufgelassenen Geschäfte und die leer stehenden Wohnungen". Eisenerz im Aufbruch Seit nunmehr drei Jahren ist der gebürtige Kalsdorfer Mag. Gerhard Freiinger, Bürgermeister der Stadt Eisenerz. Für KORSO sprach Manfred Unterholzer mit Bürgermeister Freiinger über die aktuellen Initiativen der Gemeinde. Bürgermeister, Mag. Gerhard Freiinger: „Die Umsetzung konkreter Maßnahmen ist mir ein besonderes Anliegen." Welche Probleme sind in Eisenerz besonders zu spüren? Eisenerz war 1960 eine Stadt mit 12.000 Einwohnern, allein 4500 Personen waren am Erzberg beschäftigt. Heute hat die Gemeinde ca. 5.700 Einwohner und es arbeiten noch etwa 200 Menschen am Erzberg. Zurzeit stehen ca. 700 Wohnungen leer und dazu kommt noch ein zu groß dimensioniertes Kanalsystem. Zudem ist Eisenerz die im Schnitt „älteste" Stadt Österreichs, 40% der Einwohner sind über 60 Jahre alt. Wo kann nun angesetzt werden, um diese Probleme zu lösen? In einem ersten Schritt wurde vom Wohnbund Steiermark in der Studie „re-design Eisenerz" der Wohnungsmarkt unserer Stadt analysiert und ein Entwicklungsplan zur Verbesserung der Wohnungssituation erstellt. Ab dem Frühjahr 2007 sollen rund 500 Wohnungen beseitigt und 700 Wohnungen umfunktioniert werden. Eine Trägergesellschaft unter Beteiligung der Wohnbauträger wird in Kürze gegründet und soll die Rückbaumaßnahmen übernehmen. Außerdem wird das Land Steiermark an den Bund herantreten und über eine diesbezügliche Sonderfinanzierung verhandeln. Ein weiteres Projekt ist der vom Land Steiermark finanzierte internationale Ideenwettbewerb „Eisenerz 2021". Der Wettbewerb ist fast abgeschlossen, die Ergebnisse werden am 27.11. 2006 hier in Eisenerz präsentiert. Vor allem in den Bereichen Stadtentwicklung, Innenstadtbelebung und Bergtourismus gibt es interessante Projekte. Doch müssen wir uns bewusst sein, dass das Dogma des permanenten Wachstums nicht mehr gehalten werden kann und auch eine Stagnation zu akzeptieren ist, wenn man bereit ist, die damit verbundenen positiven Aspekte zu erkennen. Als letztes Projekt möchte ich noch die Ausstellung „Umbruch – Aufbruch" erwähnen, die noch bis 10. Dezember im Stadtmuseum und Kulturzentrum im Kammerhof läuft. Das Aufzeigen und Aufspüren von gegensätzlichen Entwicklungen wie Wachstum und Schrumpfung, Krisen und Chancen soll dem Besucher neue Betrachtungswinkel eröffnen und Anreiz sein, Lösungsansätze zu entwickeln. Eisenerz ist geradezu ein Paradebeispiel für den Schrumpfungsprozess einer im Umbruch befindlichen Bergbau- und Industriestadt. Unsere Aktivitäten können durchaus modellhafte Wirkung für andere Städte haben, positive Rückmeldungen von Bürgermeisterkollegen bestätigen dies. Wann sind die ersten konkreten Schritte zu erwarten? Die Umsetzung konkreter Maßnahmen ist mir ein besonderes Anliegen. So soll im Frühjahr 2007 mit den Tätigkeiten für den Wohnungsrückbau begonnen werden. Weitere Maßnahmen als Ergebnis des Ideenwettbewerbes sollen auch zum selben Zeitpunkt gestartet werden. Stadtmuseum und Kulturzentrum im Kammerhof Als ehemaliger Verwaltungssitz des regionalen Eisenwesens und kaiserliches Jagdschloss von Franz Joseph I. ist der Kammerhof ein Haus mit viel Geschichte und Tradition. Einige besondere Räume, vor allem die einstigen Repräsentationsräume, verleihen dem Kammerhof heute als Museum, Bücherei und Kulturzentrum vor Ort eine charakteristische Note. Bildung, Kultur und Gastlichkeit werden hier groß geschrieben. Der Bogen der Veranstaltungen spannt sich weit von der heimischen Volkskultur bis hin zu international angelegten Ausstellungen, wie die aktuelle Schau „Umbruch – Aufbruch ". So versucht man die Bewahrung des kulturellen Erbes stets mit zukunftsweisenden Initiativen kreativ miteinander zu verbinden und für Gäste und BesucherInnen einen Ort menschlicher Begegnung zu schaffen. Ausstellung Umbruch – Aufbruch, bis 10. Dezember 2006, Di-So von 10-17 Uhr, Stadtmuseum im Kammerhof, Schulstraße 1, 8790 Eisenerz. Telefon 03848/3615
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