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Signal der Moderne – 75 Jahre Stadtwerke-Haus |
Archiv - Kultur | |
Donnerstag, 7. September 2006 | |
Das Gebäude der Stadtwerke wirkte in der historistischen Umgebung der Zwischenkriegszeit auf die Passanten wie ein innerstädtisches Hochhaus.
Während einer nur relativ kurzen Blütezeit entstanden in den Jahren von 1928 bis 1932 trotz des kulturell strikt konservativ „heimatschützerisch“ geprägten Klimas in Graz einige beeindruckende Bauwerke im Stil der klassischen Moderne, die von einer vitalen Modernität Zeugnis ablegen, z.B. das Hotel International (Strauchergasse, heute ÖGB und Arbeiterkammer) oder das Arbeitsamt (im Krieg zerstört). Jedoch liegt nur ein einziges dieser Gebäude, das Haus der Grazer Stadtwerke am Andreas-Hofer-Platz, in der historischen Innenstadt der Murmetropole. Es wurde ab 1931 nach den Plänen des Grazer Architekten Rambald von Steinbüchel-Rheinwall errichtet. Heute wird das Gebäude zu den „Spitzenleistungen der österreichischen Architektur der dreißiger Jahre“ gezählt (Friedrich Achleitner).
Anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums der Grundsteinlegung des heute denkmalgeschützten Gebäudes zeigen die Grazer Stadtwerke in ihren Räumlichkeiten eine von der Architekturhistorikerin Antje Senarclens de Grancy und dem Studiengang Informationsdesign der FH Joanneum unter der Leitung von Erika Thümmel gestaltete Ausstellung. Architekturhistorikerin Antje Senarclens de Grancy: „Moderne Architektur stieß im konservativen kulturellen Milieu von Graz auf starke Ablehnung.“ Geniales Erstlingswerk. Das Stadtwerke-Gebäude war das erste eigenständige Projekt des damals knapp 30-jährigen Architekten Rambald von Steinbüchel-Rheinwall (1902–1990). Aus einer Grazer Arztfamilie stammend hatte er sich für das Studium der Architektur in München und Berlin entschieden. In den darauf folgenden Jahren erwarb er sich umfangreiche praktische Erfahrung in den Planungsbüros der international renommierten Größen der Moderne, Hans Poelzig und Peter Behrens, erläutert Antje Senarclens. Für den jungen Mann bedeutete die Teilnahme am Architekturwettbewerb für das Stadtwerke-Haus das Sprungbrett für eine internationale Karriere. Anfang des Jahres 1930 erfolgte von Seiten der Stadtgemeinde die Ausschreibung für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes für die städtischen Betriebe. Aus den 64 Teilnehmerteams wurde der Entwurf von Steinbüchel-Rheinwall (Motto „Rotes Dreieck“) als Siegerprojekt ausgewählt, weil er nach einhelliger Ansicht der Jury „die Grundrisslösung am konsequentesten umgesetzt“ hatte. Das erste „Hochhaus“ von Graz. Eine der zentralen Vorgaben des Auftraggebers war es gewesen, die bis dahin getrennten Verwaltungseinheiten Gas- und Elektrizität sowie Wasserwerk in zwei gleichwertigen Bereichen mit gemeinsamer Vorhalle zu vereinigen. Der Architekt löste diese Aufgabe, indem er auf dem L-förmigen Grundstück die beiden Flügel mittels eines Treppenturms vereinte. Der besondere „großstädtische“ Effekt entstand dabei durch eine „raffinierte Maßstabsverfremdung“, denn der Eckturm wirkt durch geteilte Fensterzeilen (zwei pro Stockwerk) wesentlich höher und vermittelte dem zeitgenössischen Betrachter den Charakter eines zwölfstöckigen „Hochhauses“. Funktionelle Architektur und moderne Materialien. Die Ausführung des Baus selbst warf eine Reihe von gravierenden Problemen auf, die durch die Unerfahrenheit Steinbüchel-Rheinwalls mit verursacht wurden. So wurde schließlich der Wiener Architekt Hubert Gessner hinzugezogen, der die technische Leitung und die statischen Berechnungen übernahm, während sich Steinbüchel auf den künstlerischen Bereich konzentrierte. Im Vordergrund stand nach seinen Vorstellungen eine ausgeprägte Funktionalität, die auf den „Service-Charakter“ des Baus Rücksicht nahm. Unter dem markant auskragenden Vordach an der Ecke mit dem Treppenturm betraten die Kunden das Erdgeschoss mit einer Eingangshalle und nach beiden Seiten durchgehenden Schalter- und Ausstellungsräumen, die dem Parteienverkehr vorbehalten waren. Sowohl straßenseitig für Passanten als auch von innen für die Wartenden zogen große Glasflächen mit ausgestellten Haushaltsgeräten den Blick auf sich. Ein charakteristisches Kennzeichen für Bürogebäude jener Zeit war das Bestreben, die Innenräume mit „hygienischen“ Materialien zu gestalten. Im Inneren dominierten daher Elemente aus Glas, Stahl und hellem Eichenholz. Als Bodenbelag fungierte Schall schluckender, blauer Gummi, während die Säulen mit rotem Gummi ummantelt waren. Faszination und Ablehnung. Die Öffentlichkeit reagierte mit gemischten Gefühlen auf das moderne Gebäude inmitten der historistischen Umgebung. „Die Atmosphäre der Zwischenkriegszeit war in Graz von einer besonders starken Ambivalenz zwischen klassischer Moderne und traditionsverhafteter Bodenständigkeit geprägt“, hebt Senarclens hervor. Zum einen faszinierte der karge Eisenbetonbau die Menschen, denn die damals in Graz erstmalig angewendete Fertigteilbauweise war eine echte Sensation: Die hierzulande unbekannten Schiebefenster wurden z.B. extra aus Amerika angeliefert. Andererseits erhoben sich missbilligende Stimmen auch von bekannten Architekturkritikern, wie von Robert Graf, der 1936 abfällig schrieb: „Hier scheint ein Ganz- und ein Halbemmentaler unvermittelt aneinander zu stoßen.“ Vom Leuchtfeuer zum Mauerblümchen. Nur wenige Jahre später sollten die Einschätzungen in Hinblick auf das in seinem urbanen Kontext auffällige Gebäude neu gewichtet werden. Nach dem Anschluss 1938 wurde es von den Nationalsozialisten aufwändig beflaggt und für propagandistische Zwecke genutzt, nicht zuletzt mit dem Ziel durch Konsumversprechungen (z.B. Elektrogeräte) dem Regime das Image des modernen Fortschrittsstrebens zu verleihen. In der Gegenwart erfuhr der einzigartige Charakter des Gebäudes durch den anstoßenden achtgeschossigen Büroturm der Postverkehrsbetriebe sowie den gegenüber liegenden wuchtigen Block der Steiermärkischen Sparkasse leider eine wesentliche Beeinträchtigung seines ursprünglichen Charakters. Josef Schiffer Ausstellung der Stadtwerke in Kooperation mit dem FH Joanneum, Studiengang Informationsdesign. Eröffnung: 12. September 2006, 18:00 Uhr, Ausstellungsdauer bis 20. Oktober 2006, Mo. bis Fr. 7:30 Uhr – 15:00 Uhr, Do. bis 18 Uhr. Ort: Kundenzentrum der Grazer-Stadtwerke AG, Andreas-Hofer-Platz 15, 8010 Graz, Tel: +43 (0) 316 887-2006
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