Otto Hochreiter (li.), Emil Breisach und Kurt Flecker präsentierten Manifest und Überlegungen zu einer Hochschule der bildenden Künste.
In einem Manifest halten der Präsident der Akademie Graz, Emil Breisach, und Stadtmuseumsdirektor Otto Hochreiter fest, dass seit vielen Jahren in der heimischen Kunstszene darüber geklagt werde, dass Graz als zweitgrößte Stadt Österreichs und Kulturhauptstadt der EU über keine Hochschule der bildenden Künste verfügt.
Zwar besteht an der HTL Ortwein ein bereits etliche Jahre währender Schulversuch als Meisterschule in Malerei, Bildhauerei, Metallgestaltung und keramischer Formgebung; bisher jedoch sind die zweijährigen Lehrgänge einer weiterführenden akademischen Ausbildung nicht anrechenbar. Ein akademisches Studium der bildenden Kunst kann in Österreich an Universitäten in Wien, Linz und Salzburg absolviert werden. Weil junge Künstlerinnen nach ihrer Ausbildung vorzugsweise in Wien verbleiben, schließen Breisach und Hochreiter aus dieser Situation, dass „die heimische Kunstszene unter ständiger Verarmung" leidet. In besagtem Manifest ersuchen die Proponenten nun die Kulturpolitik des Landes und der Stadt Graz, „gemeinsam aktiv zu werden und so bald wie möglich die akademische Ausbildung der heimischen Künstler in Graz zu gewährleisten." In einer Pressekonferenz legten Emil Breisach und Otto Hochreiter, unterstützt von Kulturlandesrat LHStv. Dr. Kurt Flecker, ihre Vorstellungen von einer Grazer Universität für bildende Künste dar.
Der Abwanderung entgegenwirken. Während zwar eine deutliche Präsenz junger Literaten und Musiker in Graz zu verzeichnen sei, wanderten junge bildende KünstlerInnen „reihenweise", so Breisach, nach Wien, Linz oder Salzburg ab. Die Einrichtung einer Hochschule bzw. Universität der bildenden Künste, vorzugsweise in Angliederung an die Universität für Musik und darstellende Kunst, sollte dem entgegenwirken. Mehr noch, eine Universität für bildende Kunst könnte Auslöser zur Entwicklung einer Künstlerszene sein, die über Österreich hinaus Beachtung finden können. Angesichts einer Liste von Unterstützungserklärungen ist Kulturlandesrat Kurt Flecker „durchaus optimistisch, mittelfristig zu einem Ziel zu kommen", wenngleich man sich keinen Illusionen hingeben dürfe, „von heute auf morgen reüssieren zu können." In der Sitzung der Landesregierung am 19. Juni, erklärt Flecker, wurde sein Antrag, die Meisterschulen an der HTL Ortwein in das Regelschulwesen zu überführen, einstimmig beschlossen. In einem nächsten Schritt folgt das dringende Ersuchen an die Bundesregierung, diesem Beschluss stattzugeben und den Lehrplan sowie die Wochenstundentafel dieser künstlerischen und kunst-gewerblichen Ausbildungsgänge auf ein EU-weit konkurrenzfähiges Niveau anzuheben. Zugleich wurde in dieser Sitzung beschlossen, seitens der Landesregierung die Bemühungen von Graz zu unterstützen, eine Universität für bildende Kunst in Erweiterung der bestehenden Kunstuniversität einzurichten. Ein Konzept für dieses Unterfangen, unter Einbeziehung bestehender Institute und Ressourcen, wird bis zum nächsten Frühjahr im Büro des Kulturlandesrates ausgearbeitet, um sie der Bundesregierung vorzulegen. Betreffend die Ortweinschule erwartet Flecker eine verbindliche Antwort bis spätestens Jahresbeginn 2008.
Kompatible Hochschulsysteme. Wichtig für die Konzeption einer Hochschule der bildenden Künste, erklärt Otto Hochreiter, sei es, ein „Alleinstellungsmerkmal" für den Standort Graz im europäischen Umfeld der Hochschulen für bildende Kunst zu entwickeln. Derzeit sei eine „dramatische Entwicklung im Hochschulbereich" unter dem Stichwort Bologna-Prozess im Gange mit dem Ziel, europaweit gegenseitige Anrechnungskriterien von Studien und Teilstudien zu definieren. Vorgesehen sind Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Ausbildung und „Erhöhung der Mobilität der Studierenden". Voraussetzung dafür ist ein kompatibles Schul- wie Hochschulsystem. In einem zu erarbeitenden Hochschulkonzept seien die Nutzung der Ressourcen der geisteswissenschaftlichen Fakultät, der Kunstuniversität und auch der Ortweinschule anzustreben, um in dieser Verbindung eine „genuine" Studienmöglichkeit für bildende Kunst in Graz zu schaffen, die im europäischen Raum konkurrenzfähig ist. Es gehe nicht allein darum, heimischen KünstlerInnen eine akademische Ausbildung zu ermöglichen, sondern auch ausländischen einen attraktiven Grund zu bieten, ihr Studium teilweise in Graz zu absolvieren. Die neu zu schaffende Institution sollte zudem der Kunstausbildung für Lehrende und Forschung dienen, das künstlerische Personal müsse daher auch internationalen Ansprüchen genügen. Angesichts dieser Prämissen gälte es vor allem, inhaltlich adäquat dem erweiterten Kunstbegriff zu arbeiten und jedenfalls nicht allein etwa Malerei und Bildhauerei zu unterrichten. Die Mischung des Studienangebots hinsichtlich einer Transdisziplinarität, unter Berücksichtigung angewandter Mediengestaltung, Philosophie, Physik und Informatik, wird letztlich besagtes „Alleinstellungsmerkmal" bestimmen. Es wird also eine sehr Komplexe Aufgabe sein, schließt Hochreiter, ein tragfähiges Curriculum zu erstellen, um die Chance für ein europäisches Vernetzungsprojekt zur akademischen Ausbildung in den bildenden Künsten wahrnehmen zu können.
Wenzel Mraček
KUG-Rektor Otto Kolleritsch: Ein vorsichtiges Ja
Mit dem Rektor der Kunstuniversität Graz, Prof. em. Otto Kolleritsch, sprach Christian Stenner über die mögliche Erweiterung der KUG um eine Fakultät für bildende Künste.
Wie positionieren Sie sich gegenüber der nun öffentlich breiter geführten Debatte um eine Hochschule der bildenden Künste in Graz respektive um eine entsprechende Erweiterung der Kunstuniversität?
Wenn der politische Wille zu einer solchen Erweiterung besteht und man dazu bereit ist, sie auch entsprechend zu finanzieren, kann ich das nur begrüßen. Es wird sicher argumentiert werden, dass es nicht angehe, dass man in Österreich überall alles studieren könne: Es gibt ja schon in Wien die Akademie der bildenden Künste und die Universität für angewandte Kunst und in Linz die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung; und natürlich leben wir im Zeitalter der Mobilität, da könne man nicht an jedem Ort alles haben. Dem ist entgegenzuhalten, dass Graz – und das sage ich jetzt mit einem gewissen nicht unberechtigten Patriotismus – immer eine Metropole des künstlerischen Aufbruchs war und hier immer eine Strömung hin zur Moderne existierte, ob in der Musik oder der bildenden Kunst. Sie wirken ein wenig skeptisch, was die Finanzierung betrifft …
Eine Kunstuniversität, die den Bereich der bildenden Künste mit einschließt, darf natürlich nicht finanziert werden, indem man dem musikalischen und dem schauspielerischen Bereich etwas wegnimmt. Diese Studien in die Kunstuni zu integrieren müsste eine entsprechende Erhöhung des Budgets nach sich ziehen. Wären nicht Synergien zu erwarten?
Auch da bin ich eher vorsichtig, weil unter diesem Aspekt ja oft Einsparungen verkauft werden. Ich denke dabei vor allem an das Inhaltliche, etwa an Lehrveranstaltungen aus dem Bereich der Kunsttheorie oder Kulturgeschichte, die für alle Bereiche angeboten werden könnten. Ja, vielleicht wäre das sogar der sinnvollste Weg: Die Ortweinschule entsprechend aufzuwerten und kunsttheoretische Lehrveranstaltungen wie Vorlesungen aus kritischer Ästhetik, Wertungsforschung und allgemeiner Kulturgeschichte für ihre Studierenden an der Kunstuniversität anzubieten. Die Kunstuni hat internationales Renommee, könnte dieses nicht durch zusätzliche Studien weiter gesteigert werden?
46% unserer Studierenden kommen nicht aus Österreich, und wir fördern das bewusst, etwa durch Erlassen der Studiengebühren. Eine solche Reputation müssten sich die bildenden Künste dann erst erarbeiten, damit auch international renommierte Professoren hier lehren wollen.
„Graz braucht – klarerweise – unbedingt eine Universität der Künste"
Univ.-Prof. Dr. Götz Pochat (Kunsthistorisches Inst. KF-Uni): Man müsste eine Akademie der bildenden Künste an die Studieneinrichtungen der bestehenden Kunstuniversität (Musik, Darstellende Kunst) adaptieren. Ein Vorteil wäre sicher, wenn ein Teil des Studiums verpflichtend etwa an ausländischen Instituten abgelegt werden könnte. Dafür bedarf es der Voraussetzungen zur europaweiten Anerkennung absolvierter Studien oder Studienabschnitte. Gerade die Grazer Kunstuniversität zeigt, dass wir durchaus äquivalente Situationen zu den Universitäten in Wien (angewandte, bildende Kunst) schaffen könnten. Univ.-Doz. Dr. Werner Fenz (Kunsthistorisches Inst. KF-Uni): Der Beschluss, sich um eine Hochschule der bildenden Künste zu bemühen, ist sehr wichtig. Es müssen jetzt sofort Konzepte entwickelt werden, die die Attraktivität eines Hochschulstandortes Graz betonen und nicht als Kopie anderer Hochschulen wahrgenommen werden. Ein Austausch mit dem Nachbarraum Kroatien, Slowenien und Italien sollte angestrebt werden, um möglichst verpflichtend drei Viertel der Studienzeit in Graz und ein Viertel im Ausland absolvieren zu können. Prof. Peter Weibel (Direktor ZKM Karlsruhe, Chefkurator Neue Galerie): Graz braucht – klarerweise – unbedingt eine Universität der Künste. Im 21. Jahrhundert muss man sich allerdings die Geschichte der Kunstvermittlung überlegen. Was man von Schulen wie Bauhaus oder dem Black Mountain College lernen kann, ist, dass man für Graz ein Universitätsmodell entwickeln muss, das weit über die bestehenden in Wien, Salzburg und Linz hinausreicht. Mit der einfachen Erweiterung etwa der Ortweinschule würde sich Graz in die dritte Reihe stellen. Wenn Kunstschulen wirklich gut sind, gehen von ihnen neue Entwicklungen in der Kunst aus. Unser vorläufiges Ziel muss ein neues Curriculum, ein neuer Lehrplan sein, der für den globalen Wettbewerb im 21. Jahrhundert geeignet ist: Ohne Materialtechnologie, ohne naturwissenschaftliche Ausbildung wird ein Künstler im globalen Kontext nicht mehr konkurrenzfähig sein. Eine neue Universität muss aber nicht alle Disziplinen selbst unterrichten, muss diese aber anbieten können, wie es mit einer Vernetzung der Grazer Universitätsinstitute mit Instituten im Ausland vorstellbar ist. Der Lehrplan also muss aus Graz kommen, nach dem Studierende ihr Studium an kooperierenden Universitäten nach einem Stipendiatensystem absolvieren können. Dr. Christa Steinle (Direktorin Neue Galerie): Traditionelle Ausbildungsstätten für Malerei und Skulptur gibt es in Österreich ja. Ich glaube nicht, dass wir auch in Graz Maler und Bildhauer ausbilden müssen, die wiederum in die Zentren der Aufmerksamkeit gegenüber zeitgenössischer Kunst abwandern würden. Es müsste in Graz – auch in Verbindung mit dem Institut für Kunstgeschichte – eine Schule der Kritik etabliert werden. Die Lehre der Kunsttheorie also muss interdisziplinär forciert werden, um den Ansprüchen der Kunst im 21. Jahrhundert gerecht zu werden. Dr. Elisabeth Fiedler (Kuratorin Neue Galerie): Natürlich ist es notwendig, Graz wieder zu einem wichtigen Standort der Entwicklung der bildenden Kunst zu machen. Das darf aber nicht nach den Modellen einer inzwischen hundertjährigen Tradition der Ausbildung geschehen. Es hat keinen Sinn, Künstler zu produzieren, die anschließend nicht reüssieren können. Das Beispiel der Musikuniversität zeigt, dass man eigenständige Formen eines Lehrangebotes schaffen kann, aufgrund dessen Studierende nach Graz kommen wollen. Die künstlerische Ausbildung jedenfalls muss durch andere Wissenschaften ergänzt und über mehrere Institute vernetzt werden.
» 1 Kommentar
1"Univ. der bildenden Künste" am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33
Ich kann dieses Vorhaben, das, so wie ich hoffe, auch in die Tag umgesetzt wird, nur absolut gutheissen. 1984, nach der Matura, wollte ich Kunst studieren, was mir aber wegen der Entfernung (Wien) leider nicht möglich war. Liebe Grüße G.Wil
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben. Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
|