Eine Debatte zwischen Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder und LAbg. Peter Hagenauer
Anlässlich der Diskussion um das neue Verkehrs-Sonderinvestitionsprogramm bat KORSO-Herausgeber Christian Stenner die Ressortchefin (VP) und den Verkehrssprecher der Grünen zu einem Round-Table.
Das steirische Sonderinvestitionsprogramm im Verkehrsbereich kostet 100 Mio Euro; Frau Landesrätin, erläutern Sie bitte die Schwerpunkte, die Sie damit verfolgen.
Edlinger-Ploder: Es geht dabei um Aufgaben, die innerhalb des Budgets nicht machbar sind, im Straßenbereich geht es dabei um große Lückenschlüsse wie den Ausbau der B57 im Gemeindegebiet von Leitersdorf und die Entlastung des innerstädtischen Verkehrs wie durch den Südgürtel in Graz. Was den öffentlichen Verkehr betrifft, strebe ich eine Verdichtung des Fahrplans durch Vertaktung und eine Erneuerung des Fuhrparkes an. Dadurch sollen Anreize geschaffen werden, die Menschen zum Umstieg auf die Öffis zu bewegen. Mit dem Ober-steiermark-Takt haben wir schon ein erstes positives Ergebnis, im Großraum Graz laufen die Verbesserungen auf ein S-Bahn-System hinaus, eine Stadt-Regionalbahn ist technisch nicht möglich. Die Mittel des Programms fallen zu 60% auf die Straße und zu 40% auf den öffentlichen Verkehr.
Hagenauer: Aus Sicht der Grünen bedeutet Schwerpunktsetzung, dass man vom eigentlichen Problem ausgeht, und das ist die Gesundheitsgefährdung durch Feinstaub in weiten Gebieten der Steiermark, als nächsten logischen Schritt muss man die Maßnahmen identifizieren, mit denen man den Feinstaubwert z.B. innerhalb von fünf Jahren auf einen bestimmten Wert senken kann. Da kann man dann aber nicht vorgehen wie jetzt im Landtag und davon sprechen, dass wir halt eine Autogesellschaft sind und dass deswegen alles so schwierig sei; es gibt ja auch genügend Beispiele wie die Stadt Zürich, wo dieses Problem überwunden wurde. Letztendlich ist es immer eine Frage des politischen Willens. Die Ablehnung der Stadt-Regionalbahn, die eine der effizientesten Lösungen ist, weil man nicht umsteigen muss, enttäuscht mich schwer. Sie ist technisch möglich, dafür gibt es Beispiele wie in Karlsruhe.
Lassen wir das mal so stehen. Die Grünen sehen den Kampf gegen die Feinstaub-Bedrohung als zentrales Motiv für ein Verkehrsprogramm. Von welchem Motiv haben Sie sich leiten lassen?
Edlinger-Ploder: Die Motivation ist die gleiche, nämlich dazu beizutragen, dass wir eine gesündere Umwelt schaffen. Wir unterscheiden uns im Weg, aber nicht in der Lösung, weil ich auch meine, dass öffentlicher Verkehr verstärkt angeboten werden muss. Wir leben aber in einem Land, das durch den Autocluster wirtschaftlich erfolgreich wurde und das durch seine Topografie einen hohen Pendleranteil hat. Man kann daher nicht von heute auf morgen ein Radikalprogramm fahren, das dem Mehrheitswunsch der Bevölkerung widerspricht. Ich setze auf positive Motivation, und da muss ich leider feststellen, dass Verkehrsreferenten vor mir sicher zu wenig dafür getan haben den öffentlichen Verkehr zu forcieren.
Hagenauer: Radikalismus ist, die Menschen krepieren zu lassen. Am Feinstaub sterben laut Statistik jährlich Hunderte Menschen in unserem Bundesland. So gesehen ist – mit Verlaub – die ÖVP die radikale Partei und ich bin der Gemäßigte, weil ich auf das Leben der Menschen Rücksicht nehme. Die notwendigen Maßnahmen werden erst dann mühsam, wenn man den Menschen nicht klar sagen will, was Sache ist: Ihr habt doch Kinder und wollt, dass sie gesund bleiben – darum müssen wir den Autoverkehr einschränken. Das verstehen sie. Darüber hinaus muss es natürlich bessere ÖV-Angebote geben. Die Stadtregionalbahn ist ein äußerst effizientes System und hat dort, wo sie eingesetzt wurde, riesige Fahrgastzuwächse gebracht. Der Obersteirertakt ist ein richtiger und wegweisender Schritt. Was wir jetzt brauchen sind wirkliche Angebote, die den Bedürfnissen entsprechen: Wer morgens mit dem ÖV in die Arbeit fährt, muss auch am Abend damit zurückkommen. Die Möglichkeiten gibt es: In Zürich hat nur mehr jeder zweite Haushalt ein Auto. Da fährt der ÖV auch am Wochenende und in der Nacht, und wer will, kann sich unter zehn Leihwägen einen aussuchen; wenn man kein Auto hat, ist man dort also mobiler.
In der Schweiz klappt es offenbar mit der Verbesserung des öffentlichen Verkehrs, und das bekanntlich nicht nur in den Städten und beim Personenverkehr, sondern z.B. auch beim Güterverkehr. Woran scheitert’s bei uns?
Edlinger-Ploder: Nun, ich hoffe nicht, dass die Maßnahmen scheitern. Aber ich bin nicht radikal, sondern liberal und daher gegen Zwang. Wenn man um die Gesundheit seiner Kinder bangt, dann müsste man eigentlich schlau genug sein zu sagen: Ich verzichte auf das Auto. Ich diskutiere übrigens auch mit keinem Raucher über Feinstaub, weil der von Vornherein unglaubwürdig ist. Und ich möchte auch ein bisschen vor diesen tagespolitischen Hysterien warnen, die absolut unangebracht sind. Darum habe ich auch ein Problem mit Kollegen Wegscheider, weil die von ihm angekündigte Sperre von Graz sehr hohe Kosten verursachen wird.
Hagenauer: Wenn ein Auto in den Graben fährt, ist nicht der der Radikale, der die notwendige Reparatur setzt, sondern derjenige, der den Karren von der Straße gefahren hat. Aber die Diskussion erübrigt sich, weil uns Brüssel ohnehin mit der Luftreinhaltungsrichtlinie zu Maßnahmen wie Straßensperren zwingen wird – und niemand soll darauf hoffen, dass die Grenzwerte aufgeweicht werden: Wir haben die höchsten Feinstaubwerte in Europa, und wenn die noch zulässig werden, könnte man gleich die ganze Richtlinie abschaffen.
Zur Finanzierung des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs haben SPÖ und KPÖ eine Nahverkehrsabgabe wie in Wien vorgeschlagen, die drei bis fünf Euro pro Beschäftigtem und Monat betragen soll. Da gab es sofort reflexartige Ablehnung von der Wirtschaft, obwohl diese ja auch von einem verbesserten öffentlichen Verkehr profitieren würde – z.B. durch eine Verringerung der Stauzeiten. Wie ist Ihre Position dazu?
Hagenauer: Amüsant finde ich, dass die Stadt Graz einstimmig eine Resolution verfasst hat, mit der eine Nahverkehrsabgabe gefordert wurde – und der Grazer Bürgermeister ist ja meines Wissens ÖVP-Mitglied und Wirtschaftstreibender. Wir benötigen jedenfalls zusätzliches Geld für die Finanzierung des Verkehrs. Wir müssen aber auch sehen, dass durch den massiven Bau von Supermärkten am Stadtrand die Situation für die Innenstadtwirtschaft tatsächlich schwieriger geworden ist, darum habe ich Verständnis dafür, dass man sich gegen eine Abgabe wehrt, die an der Zahl der Beschäftigten bemessen wird. Kein Verständnis hätte ich aber dafür, gar keine Nahverkehrsabgabe einzuführen. Übringens kann man das Geld ja auch vom Straßenbau nehmen.
Frau Landesrätin, wehren Sie sich auch dagegen, mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu bekommen?
Edlinger-Ploder: Die Frage ist, ob ich dann aus dem allgemeinen Budget nicht weniger bekäme. Das Problem der Nahverkehrsabgabe liegt darin, dass ich damit Raumordnungseffekte erziele, die ich nicht haben will, weil jene am stärksten belastet werden, die ohnehin am meisten mit den Kosten der Infrastruktur belastet sind – es sei denn, man wendet sie auf die ganze Steiermark an. Und man kann auch nicht sagen, es sind ohnehin nur ein paar Euro. Für Magna wären es immerhin 570.000 Euro. Und ein kleines Geschäft am Franziskanerplatz mit vier Beschäftigten müsste dann – in einer Zeit, wo die Gewinnspannen im Handel sinken – immerhin 20 Euro monatlich mehr an Lohnkosten tragen.
Nun ist das ja kein besonders bedeutender Betrag, und es ist ja z.B. auch die Tourismusabgabe, mit der alle Betriebe einen bestimmten Wirtschaftssektor unterstützen, von den Unternehmen letztendlich akzeptiert worden.
Edlinger-Ploder: Wie auch immer, es gibt diesen Widerstand, und ich denke auch nicht, dass dies die richtige Möglichkeit zur Finanzierung ist. Es geht letztendlich immer auch um einen gerechte Lastenverteilung. Beim Verkehrsverbund ist das ja auch gelungen.
Hagenauer: Die Finanzierung muss davon ausgehen, wie viel Geld für die gewünschten Maßnahmen benötigt wird. Dann merkt man sofort, dass die Nahverkehrsabgabe allein nicht ausreicht. Der damalige Landesrat Paierl war in der letzten Legislaturperiode nahe daran, in Parteienverhandlungen über eine Stellplatzabgabe für Supermärkte einzutreten. Darüber hinaus brauchen wir eine höhere LKW-Maut und Beiträge der Kommunen. Die Bedarfszuweisungen wären ein Hebel, jene Gemeinden, die nichts zum Verkehrsverbund beitragen, zu Beitragszahlungen zu bringen. Es geht ja um ein Problem, das ja die ganze Steiermark betrifft: Park & Ride darf nicht erst in der Stadt greifen, sondern muss entlang der Einpendlerstrecken eingerichtet werden. Und: Mit Angebotssteuerung allein wird es sicher nicht getan sein, man muss auch die Nachfrage steuern – zum Beispiel durch die grünen Zonen, die ja nichts anderes als ein Signal dafür sind, dass man besser nicht mit dem Auto in die Stadt fährt, weil man damit die Gesundheit seiner Mitmenschen schädigt.
Das war jetzt eine Grundsatzerklärung – Frau Landesrätin, wie sieht Ihre aus?
Edlinger-Ploder: Ich möchte eine Gesamtverkehrsstrategie des Landes auf die Tagesordnung setzen, die die wichtigsten Prioritäten beinhaltet. Dann kann man auch nachvollziehbare Jahresprogramme herunterbrechen, und die Verkehrspolitik würde so überprüfbar, transparent und evaluierbar. Derzeit reiben sich die Forderungen hektisch aneinander – im Landtag wird heute zwischen Verbundpreis und Öffnung der Landestankstellen allem zugestimmt. Auf diese Weise kann ich ja keinen Landtagsbeschluss umsetzen, weil der Landtag nicht weiß, was er will. Das ist eine weitere Motivation für eine Gesamtverkehrsstrategie: Ich möchte daraus eine Regierungsvorlage machen und breite Zustimmung dafür im Landtag erreichen; das wäre dringend notwendig für wirkliche Weichenstellungen, die auch einen Kulturbruch gegenüber der bisherigen Verkehrspolitik darstellen.
Ich danke beiden TeilnehmerInnen für die anregende Diskussion.
» 1 Kommentar
1"Optimale Allokation der Ressourcen" am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33
Ich will jetzt wissen, wer genau Frau Edlinger-Ploder eingeredet hat, dass eine Stadt-Regionalbahn technisch nicht möglich sei. Die Übelbacher Bahn könnte bereits jetzt bis Spielfeld oder bis zum Grazer Ostbahnhof fahren, weil Spurweite und Stromversorgung ÖBB-gleich sind, die GKB von Wies bis Andritz, die GVB mit Dieselzusatztraktion vom Grazer Stadtzentrum bis in die ungarische Pampa fahren, Die neuen Taurus-Loks mit Mehrstromtechnik von Wien über Graz nach Triest und Venedig in wenigen Stunden. Wer ist der klapprige Hofrat, der der Frau Landesrätin einredet, eine Stadt-Regionalbahn sei technisch nicht möglich? Das will ich endlich mit Name und Vorname wissen. Jedenfalls gehört er sofort in Pension geschickt. Da gibts noch die Grazer Schleppbahn am rechten Murufer, die bis zum Puchwerk geht, drittgrößter Arbeitgeber in Graz, ein tragikomischer Fall, weil den Mitarbeitern verboten wird, ihr Fahrrad auf dem Firmengelände abzustellen, vielleicht jetzt nicht mehr. Beklagt hat sich bei mir darüber der Chefentwickler für die Allradtechnik. Mag sein, dass in Graz gute Autos gebaut werden. Wir sollten endlich lernen, sorgfältig damit umzugehen. In der Steiermark gibt es so viele ungenutzte Möglichkeiten, allein die Schienen, die ich hinter Unkraut verborgen sehe, die alten Trassen, die sich mit geschärftem Blick noch überall erkennen lassen, wäre politischer Wille da, um die vorhandenen Ressourcen optimal ins Spiel zu bringen. Verkehr ist leider ein männlich besetztes Themenfeld. Ich habe erlebt, wie die damalige Grazer Vizebürgermeisterin DKfm Feldgrill-Zankel von dieser Männergesellschaft gnadenlos gemobbt wurde und mich ob meines Geschlechts schämen müssen. Dabei hat sie großartiges geleistet - für Graz ein flächendeckendes Verkehrsleitsystem für blinde Menschen allein zu Fuß. Geht nicht?-Gibts nicht! sage ich immer zu Technikern und Beamten, die mir so kommen. Alsdann... Hans Fraeulin
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