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Fisch auf der Schuhsohle – Jani W. Schwob |
Archiv - Kultur | |
Samstag, 6. Mai 2006 | |
Mit dem „Bildband" Ja! Nie, einer 63 Blätter im Format A3 umfassenden reichlich wilden Bilderzählung – mit der wahrscheinlich nicht nur diverse Analytiker ihre Freude hätten – war der Grazer Maler und Grafiker Jani W. Schwob bei einem vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst im Jahr 1993 ausgeschriebenen Förderungspreis für bildende Kunst in der Sparte Cartoons unter den besten vier Einsendungen vertreten.
Innerhalb von drei Wochen hatte er sich die stark psychedelisch anmutende und teils durch Schlafentzug bedingte Geschichte aus dem Hirn gezeichnet. Seinem Faible für Hybridwesen respektive für Mutationen von menschlichen Figuren zu Insekten wird der semiakademische Biologe Schwob in Ja! Nie gerecht, wenn etwa in einer Sequenz ein König mit seinem Hofnarren, offensichtlich unter Einfluss stimulierender Getränke, in ein wüstes Handgemenge verfällt, bis schließlich beide zu einer Fliege werden. Und weil hier nicht allein Einflüsse von Kurt Neumanns (1958) und David Cronenbergs (1986) Die Fliege maßgebend wahren, sind neben anderen auch Ameisen, Filzläuse, Raubwanzen, Spinnen, Strandasseln oder der Brasilianische Elefantenkäfer Protagonisten dieser nicht nacherzählbaren Bildgeschichten. Dem Zeitgeist in die Karten geguckt: Supermarktkunst. Der 1961 in Leoben geborene Autodidakt Jani W. Schwob ist Gründungsmitglied des bis zum Jahr 2000 umtriebigen Grazer KünstlerInnenvereins Artophobia, Veranstalter und Teilnehmer von Ausstellungsprojekten im öffentlichen Raum wie der Plakataktion Künstler gegen Ausländerfeindlichkeit (1993) oder dem Supermarkt: Wa(h)re Kunst (1994), einer ironischen Gegenposition zur Diskussion um Werte auf dem Kunstmarkt. Kundenfreundlich präsentierten dort 32 KünstlerInnen, darunter Arnold Reinisch, W. W. Anger und Edda Strobl, ihre Arbeiten zu erschwinglichen Preisen in Supermarktregalen. Jani W. Schwoblieferte dazu mit Deppen’s Einwegrasierer mehr oder weniger im richtigen Leben brauchbare Hygieneprodukte in ansprechender Verpackung. Wenn auch Zeichnung und sofwarebasierte Grafik in Schwobs Werk eine dominante Position einnehmen, arbeitet er doch genreübergreifend malerisch und plastisch. Eine Serie von Objekten, funktionstüchige Uhren als Beitrag einer Ausstellung zum Thema Zeit (1999, Retzhof) tragen die Bezeichnung Kairodrom; sie sind fragile Überschneidungen zwischen Tafelbild und kinetischem Objekt. Team-Malen. Ein eindeutig der Malerei verpflichtetes Projekt präsentierten der 2003 verstorbene Grazer Horst Grandits und Jani Schwob im Juni 2002 in der Grazer Postgarage: Unter dem Titel Cross Things; 2 Maler und 2n Bilder arbeiteten Grandits und Schwob über einen Zeitraum von zwei Monaten an zehn Bildtafeln im Format 200 x 140 Zentimeter. Der konzeptuelle Ansatz dieses Verfahrens basierte auf einem periodischen Wechselsystem und der gemeinsamen – aber nicht gleichzeitigen – Bearbeitung der Tafelbilder in einer Abfolge von Aktion und Reaktion, nicht unähnlich dem Prinzip der Improvisationen während musikalischer Aufführungen. In beider Künstler Ateliers befanden sich je fünf Bildtafeln. Beide begannen nun mit der Arbeit an jeweils Tafel Nr. 1 in ihrem Atelier über einen zuvor festgelegten Zeitraum. Danach tauschte man die Arbeitsräume und widmete sich in einem zweiten Durchgang der Arbeit an den Bildern Nr. 1 und dazu auch den noch unbearbeiteten Tafeln Nr. 2. Nach einem weiteren Atelierwechsel wurden nun jeweils die Tafeln 1 bis 3 der Bearbeitung unterzogen und so fort bis schließlich die zwei letzten Tafeln nur mehr einen einzigen Austausch erfuhren, also von Grandits und Schwob nur je einmal bearbeitet wurden. Die ursprüngliche Annahme, man könne aus den fertigen Tafeln einen Prozessverlauf in umgekehrter Reihenfolge ablesen, bewahrheitete sich nur bedingt. Vielmehr stellte sich heraus, dass die in Phasen – vom anderen unabhängig – vorgenommene Malerei einer Disziplinierung beider Künstlerpersönlichkeiten bedurfte, um dem Partner Bildraum zu gewähren, um eine eigene Idee nicht auch gleich an ein Ende zu bringen, sondern dem Anderen die Möglichkeiten zur Reaktion einzuräumen. Kunst für Kinder. Im Zuge eines acht Monate währenden Aufenthaltes in Leon, Nicaragua, initiierten Schwob, seine Lebensgefährtin Karin Sajer und Maria Mercedes Ortiz ein Projekt zur Förderung von Straßenkindern in Leon, das deren Schulbesuch ermöglicht. Mit Unterstützung der Stadt Graz, des Landes Steiermark und etlichen privaten Sponsoren konnten Sajer und Schwob in einem ersten Schritt nicaraguanische Kinder im Alter zwischen sechs und vierzehn Jahren für die Teilnahme an Workshops begeistern, in denen sie Zeichnungen und Malereien als Grundlage für Bilder und T-Shirts gestalteten, die in Ausstellungen in Österreich (u.a. Grüne Akademie Graz 2005, Cellarium Stift Rein 2006) und über die Website nicaragua.mur.at vertrieben werden. Der Erlös kommt ausschließlich der Finanzierung des Schulunterrichts für die Kinder und der Beschäftigung der Sozialarbeiterin Maria Mercedes Ortiz in Leon zugute: 13 Euro für ein T-Shirt entsprechen den Kosten für den Schulunterricht eines Kindes in einem Monat. Globalisierungskritik. Aus Aufenthalt in und Austausch mit Leon stammen auch die Motive der letzten Ausstellung malerischer und grafischer Arbeiten von Jani Schwob im Cellarium von Stift Rein unter dem Titel TIEMPO CENTROAMERICANO. Den surrealen Zeichnungen mit Kugelschreiber – selbstredend bestehen formale Annäherungen an Insekten – stehen jetzt realistische Porträts von Menschen in Nicaragua gegenüber. Aber Schwob muss natürlich auch Konsum- oder Globalisierungskritik einbringen, wenn durch die Oberfläche von mittels Computer bearbeiteten Bildern prähistorischer Götterfiguren auch Fragmente der Logos von weltumspannenden Getränke- und Fast Food-Konzernen dringen. Das eingangs erwähnte Faible findet seinen Abdruck in der Markenschuh-Sohle des alten Mannes im Bild Siesta: Den Puma hat Schwob steganografisch in einen Fisch verwandelt. T-Shirts tragen den dreifachen Siebdruck einer Fruchtfliege und das Motto vamos – gemma. – In diesem Herbst wieder nach Nicaragua! Wenzel Mraček Informationen zu Jani W. Schwob finden Sie unter http://members.aon.at/janischwob
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