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„Integrationsfrage wurde an den Gemeindebau delegiert“
Mittwoch, 8. Dezember 2010
„Die Botschaften des Botschafters“ wurden bei einer Veranstaltung des Bundes sozialdemokratischer AkademikerInnen Ende November diskutiert – konkret ging es um die jüngst geäußerten Thesen des türkischen Botschafters Kadri Ecvet Tezcan. Univ.-Prof.in Gudrun Biffl, Leiterin des Departments Migration und Globalisierung an der Donau Uni Krems, Prof.in Inci Dirim, Professorin für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Uni Wien, die grüne Abgeordnete Alev Korun und der Soziologe Univ.-Prof. Christoph Reinprecht hoben mit ihrer Expertise die Integrationsdebatte für zwei interessante Stunden aus der österreichspezifischen Gemengelage aus Vorurteilen, Unwissen und Alltagsfaschismus. Migrantinnen zeigen laut Umfragen ein hohes Gefühl der Zugehörigkeit und gelten trotzdem oft als nicht integriert“, kontatierte etwa Biffl und verwies auf ähnliche historische Reaktionen gegenüber Juden: „Auch wenn sie zum Katholizismus übergetreten waren, hielt man sie dennoch nicht für integriert.“ Dirim entlarvte die Behauptung von den nicht Deutsch sprechenden Kindern mit Migrationshintergrund als Mär: „Dass Kinder gar kein Deutsch lernen, gibt es nicht.“ Woran es allerdings fehle, seien LehrerInnen mit Deutsch-als-Fremdsprache-Kenntnissen, entsprechende Förderprogramme und bilinguale Schulen („Diese Modelle haben sich z.B. in Deutschland als sehr erfolgreich erwiesen“). Und sie stellte klar: „Deutsch lernen ist das Ergebnis eines Integrationsprozesses und nicht dessen Voraussetzung.“ Korun wandte sich gegen Homogenisierungsversuche („die Türken“, aber auch „die Österreicher“), Reinprecht sah die „doppelzüngige“ Politik der SP, die einerseits den Gemeindebau trotz Wohnungsbedarfs lange Zeit nicht für AusländerInnen öffnen wollte, dies unter der Hand durch eine liberale Einbürgerungspolitik aber doch tat, als einen der Gründe für die aktuelle Rechtsentwicklung: „Gesellschaftspolitische Fragen wurden an den Gemeindebau delegiert.“ Mediation und Gebietsbetreuung seien Möglichkeiten, den Konflikten („Meist geht es um Kinderlärm und die Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen“) entgegenzuwirken. Biffl plädierte schließlich dafür, jenen sozialen Gruppen, die ein Wählerpotenzial für die extreme Rechte darstellen, weil sie glauben, dass sie weniger Aufmerksamkeit erfahren als AusländerInnen, mehr Chancengleichheit zu gewähren – und gleichzeitig Realitätssinn zu bewahren: „Wir leben nicht mehr in einer Einwanderungsgesellschaft, sondern in einer Migrationsgesellschaft, der Aufenthalt in einem anderen Land ist oft nur vorübergehend; dafür sollten die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden.“
Am Rand der Veranstaltung sprach KORSO-Herausgeber Christian Stenner mit der Verantwortlichen für das neu geschaffene Integrationsressort des Landes, Landesrätin Bettina Vollath.
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