Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Dienstag, 5. Oktober 2010
Rund um die Verkettungen von Kunst und Fernsehen dreht sich im Medienturm die aktuelle Herbstausstellung. 11 KünstlerInnen einer jüngeren Generation, die im Alltag mit einer beiläufigen Konsumtion aufgewachsen sind, zeigen ihren künstlerischen Umgang mit dem Medium. Gleich zu Beginn stolpert man im Halbdunkel der Videoprojektionen in ein wandfüllendes Katastrophenszenario, das sich im Ausstellungsraum in einer retro-realen Wohnzimmersituation mit obligatem Röhrenschirm spiegelt. Christoph Draeger und Reynold Reynolds inszenieren hier im Haus einer bürgerlichen Durchschnittsfamilie typische Charaktere eines nach Aufmerksamkeit lechzenden Medienpublikums und das allgemeine Interesse an schlechten Neuigkeiten. „Apocalypso Place“ zeigt eine fernsehsüchtige Familie, die sich vor allem für Sitcoms und Bad News begeistert, bis sie selbst von einem Naturereignis getroffen wird. In der Rolle der nachrichtenrelevanten Opfer bleiben ihre Mitglieder dennoch gebannt vor dem Schirm und werden nur zwischendurch vom „breaking news“-Team vor der Kamera live in Szene gesetzt. Trotz allem behalten sie ihre den Sitcoms entlehnte, überdrehte Gesprächskultur bei bzw. sorgen mit befremdlichem Product Placement, wo keimtötende Putzmittel zur Desinfektion von Wunden angepriesen werden, für tragikomische Momente. Marco Lulic ist mit seiner Videoarbeit „Space Girl Dance 2009“ vertreten. Typisch modernistische Skulpturen von Erich Hauser bilden den Hintergrund für die Nachstellung eines Clips, den der amerikanische Aerobic-Star Raquel Welch anlässlich der Olympischen Spiele 1968 über eine Serie von Skulpturen in Mexico City gedreht hat. Mit vier Arbeiten ist Heimo Zobernig vertreten – 30 Minuten blickt er zum Beispiel frontal und bildfüllend in die Kamera oder er variiert Abwandlungen der Farbbalken des RGB-Systems und der Sinusschwingung des Kammertons A, die man zur Kalibrierung von Monitoren verwendet. Susanne Schuda wendet das Format der Telenovela an. Für „Die Schudas“ wurde die persönliche Wohnung in 3D nachgebaut und mit eigenem Programm bespielt. Fragmentierte Figurencollagen aus Internetmaterialien ergeben Klischeepersonen wie den fortschrittsbegeisterten Henry oder die suizidgefährdete Betty. Von selbst geschriebenen Texten überlagert wälzen sich hier die Familienprobleme von Streit und Verdrängung bis Einsamkeit. Omer Fast schafft mit „CNN Concentrated“  einen regelrechten Moderatorenwortschatz – aus unterschiedlichen Schnipseln mehrerer Protagonisten ergibt sich so ein eindringliches Zwiegespräch mit dem Nachrichtenkonsumenten – der wie Marlene Haring gerade zwischen Lachen und Weinen schwanken kann. Die Künstlerin blickt dabei aus dem Rahmen ihres Videoselbstportraits auf etwas, das sich dem Blick des Betrachters entzieht. „Wichtig ist, was man sieht“ impliziert als Titel hier die Mentalität der Gemeinschaft aller Fernseh-Konsumierenden, die zwar überall, aber nie wirklich dabei sind.

Verbotene Liebe, Kunst im Sog von Fernsehen ist eine Koproduktion mit dem Kölnischen Kunstverein und bis 27. November beim Kunstverein Medienturm zu sehen.

| Eva Pichler
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