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Die Linken und Israel: Internationalismus als Trauerspiel
Montag, 13. September 2010
Wimmlers Demontagen von Karl Wimmler Was steht ganz oben auf der Liste, wenn hiesige Linke, sofern man auf solche zufällig noch irgendwo stößt, „internationalistisch“ sein wollen? – Neben den US-Kriegen ist es oftmals der Konflikt um Israel-Palästina, der hierzulande, aber auch in anderen europäischen Ländern das, was sich im politischen Spektrum als links versteht, immer wieder in besonderem Maße auf die Palme bringt. Bestenfalls kommen dazu noch einige Konflikte in Lateinamerika, in den letzten Jahren speziell um Venezuela („Evviva Chávez!“). Und natürlich wird den hiesigen Linken allenfalls auch warm ums Herz, wenn es Streiks oder Großdemonstrationen in irgendeiner (meist süd-)europäischen Metropole gibt. In der Regel hat es sich damit, was das internationale Interesse der „Linken“ betrifft. Die ohnehin schon kleine Welt ist für manche Linke besonders klein. Wie Israel. So ein Konflikt ist natürlich schlimm. Und wer die Welt retten will oder zumindest aufbegehren gegen Unrecht – die moralisch-emotionelle Seite dessen, was „links“ bedeutet – mag das Schlimme nicht. Und der Palästinakonflikt ist nun einmal schlimm.

Linke Einfallslosigkeit.
Nun ist dies seit Jahren auch Gegenstand unzähliger Kommentare mit dem Tenor vom „linken Antisemitismus“. Und da ist auch was dran, wenn auch weniger, als manchen Reaktionären lieb ist. Dass sich die Stalinisten nie oder nur halbherzig von ihrem periodischen Antisemitismus insbesondere im Osteuropa der 40er und 50er Jahre distanzierten, dass die hiesigen Nachkriegssozialdemokraten bis weit in die Kreisky-Jahre hinein Antisemitismus auch in den eigenen Reihen in beträchtlichem Umfang salonfähig werden ließen, dass die „Brecher“ der Gaza-Blockade im heurigen Juni – ahnungslos oder nicht – auch mit antisemitischen Hetzern und türkischen Faschisten gemeinsame Sache machten, ist Fakt. Fakt ist auch, dass sich all diese Umstände bei weitem nicht messen können mit dem gerade in unserem Land jahrhundertelang praktizierten katholischen Antisemitismus (von dem immer behauptet wird, es gäbe ihn nicht mehr, bis wieder irgendwo mehr als ein Rülpser hörbar wird).
Dass sich viele europäische Linke gerne auf den Israel-Palästina-Konflikt stürzen, liegt allerdings auch daran, wie die mediale Berichterstattung hierzulande tickt. Über nichts lässt sich so einfach, ungefährlich und geistlos berichten wie über diesen immer auswegloseren Konflikt. Und das täglich, wenn sich sonst nichts Brauchbares aufdrängt. Irgendwo wird dort oder in der unmittelbaren Nachbarschaft immer geschossen, eine Bombe gezündet, eine Siedlung errichtet oder gestürmt, werden „Vergeltungsmaßnahmen“ von dieser oder jener Seite inszeniert, wird irgendwer verhaftet, freigelassen oder was immer. Insbesondere die zu Philosemiten gewordenen früheren Antisemiten lassen kaum einen Tag ohne Fingerzeig nach Israel verstreichen. Der Dummheit derartiger Berichterstattung entspricht die Einfallslosigkeit der Linken, ihr immer wie ein Pawlow’scher Hund zu entsprechen. Auch darin, dass ihnen zu den restlichen 95 Prozent dieses Erdballs nur selten etwas einfällt. Die ganz normalen ungleichen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den reichen und den armen Ländern sind kaum Thema. Wie der zugegeben nicht gigantische Beitrag österreichischer Unternehmen zur Ausbeutung nicht nur diverser afrikanischer oder asiatischer Länder.

Statt Kampf gegen Waffenexporteure und Rohstoffgeier
… Aber auf diesem Gebiet herrscht weithin Funkstille. Woher kommt es zum Beispiel, dass sich hierzulande vor allem christliche und karitative Vereinigungen um die sozialen Zustände und Katastrophen in den armen Ländern kümmern? Ist das nicht ein eindeutiges Zeichen für einen ziemlichen Bankrott des linken Internationalismus? Zwar haben all diejenigen nicht Unrecht, die die angebliche „Entwicklungshilfe“ auch als Alibi und Nebengeleise der imperialistischen Ausbeutung sehen. Zugleich aber ist es so weit gekommen, dass beispielsweise die „Fairtrade“-Ideologie und -Praxis nachgerade als Inbegriff des fortschrittlich Umstürzlerischen erscheint. Mit der die Welt endlich der Gerechtigkeit näher komme, wenn die Zotter-Schokoladen auch noch mit Fairtraide-Bio-Diesel-Fahrzeugen ausgeliefert werden. Aber dieses Feld überlässt die Linke sowohl ideologisch, als auch praktisch dem Geschäft mit dem Mitleid wie der Ausschließlichkeit karitativer Tropfen auf heiße Steine. Linke Strategien haben da allzu häufig Sendepause.
Hellhörig werden viele Linke fast nur, wenn die US- oder NATO-Militärmaschinerie gegen irgendwelche Länder losgelassen wird, die der Oberkommandierende zum medial bestens aufbereiteten Schurkenstaat erklärt hat. Oder wenn ein Oberstleutnant gegen die Unterwerfung seines Landes unter die US-Wirtschaft putscht, wie Chávez, und sich dann im täglichen Propagandakleinkrieg wiederfindet. Oder wenn aus durchsichtigen Gründen gegen „die Griechen“ gehetzt wird und Ähnliches. Alles andere scheint zu kompliziert: Den europäischen Waffenexporteuren und Rohstoffgeiern in den Arm zu fallen (hier stehen die x-Millionen Toten des Kongo in den letzten Jahren für Dutzende andere Fälle), müsste tägliches Brot linker Politik in den reichen Ländern sein, ist aber kaum Thema. In Nigeria läuft bekanntlich aus Bohrlöchern jedes Jahr so viel Rohöl aufs Land und ins Meer wie beim Unglück der Exxon Valdez vor Alaska (1989). Und in die Luft geflogene Bohrinseln und Ölverseuchungen vor den Küsten armer Länder schaffen es selten in die Nachrichten der Metropolen. Daher auch dazu soviel Schweigen. Auch links. Von Strategien, die Totengräber dieses Erdballs und seiner Bewohner in ihren Zentren zu erschüttern, ist weit und breit nichts zu sehen. Weshalb man sich jedes Gerede von „Internationalismus“ eigentlich sparen sollte.

… Oberlehrer im Palästina-Konflikt?
Nicht untypisch übrigens für den Konformismus auch der Politik der österreichischen Grünen, dass Derartiges so gar keine Rolle mehr in ihrer Politik spielt. Dass die frühere Grünen Obfrau Freda Meissner-Blau mehr als einen Monat nach Beginn der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko ihrem Ärger  Luft machte, die Grünen hätten „schon längst“ einen BP-Boykott initiieren müssen (worauf nach einer mehrwöchigen Schrecksekunde von einer grinsenden Frau Glawischnig ein hilfloses Transparent vom Parteibalkon gehängt wird) bestätigt diese Diagnose. Und die verschlungenen Wege der OMV, auch unter der Decke anderer Gesellschaften, interessieren nicht nur die Grünen so gut wie gar nicht.
Das internationale Betätigungsfeld für österreichische Linke könnte also ziemlich umfangreich sein. Warum man nun aus einem Land mit einer antisemitischen Vergangenheit wie der österreichischen sich just in den Israel-Palästina-Konflikt als Oberlehrer einmischen soll, ist mir schleierhaft. Gibt es doch nicht zuletzt auch weltweit genug kompetente Leute inklusive Israelis oder auch Europäer mit jüdischen Wurzeln, die sich auf produktive Weise damit beschäftigen. Grade die übrigen Österreicher und Deutschen, vermutlich auch Ungarn, Franzosen und einige andere mehr, sollten sich besser um andere Dinge kümmern. Es fiele ihnen kein Stein aus der Krone.
» 1 Kommentar
1"Dr"
am Donnerstag, 16. September 2010 16:13von Antony Scholz
Sg Herr Wimmler, 
ich gratuliere Ihnen zu Ihrem inhaltlich ausgewogenen Kommentar über den Nahostkonflikt. Zu selten wird versucht, objektiv die politische und menschliche Situation von Israel darzustellen. Und zu oft versteckt sich in den politischen Kommentaren von Journalisten hinter dem "Freiheitskampf der Palästinenser" reiner Antisemitismus.Unabhängig davon müssen die (leider wenigen) friedfertigen Politiker auf allen Seiten raschestens eine Zweistaatenlösung realisieren, damit endlich Frieden im Nahen Osten einkehrt. Und die Hamas muss endlich Israel anerkennen, die Angriffe gegen die israelische Bevölkerung einstellen und an den Verhandlungstisch zurückkehren. 
Nochmals Gratulation zum Inhalt Ihres Kommentars. 
MfG + Schalom 
Antony Scholz 
P.S.: Unverständlich ist auch, warum nicht Juden im zukünftigen Palästina leben sollen, wenn doch auch Araber im heutigen Israel leben!?
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