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Landtagswahl: Der ÖGB stellt den Parteien die soziale Frage
Montag, 13. September 2010
Image Mit der Kampagne „fair teilen“ tritt der ÖGB gegen die zunehmende gesellschaftliche Schieflage an. Die steirischen Landtagswahlen waren für die GewerkschafterInnen ein Anlass, die Parteien auf ihre Haltung zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit abzuklopfen.

Am 9. Dezember schlägt die Stunde der Wahrheit: An diesem Tag will die Bundesregierung – verspätet – das Budget 2011 dem Parlament vorlegen. Das, was darin beschlossen wird, wird die Zukunft der Steiermark mindestens so sehr beeinflussen wie das Ergebnis der Landtagswahl am 26. September – unter anderem auch deswegen, weil die Ertragsanteile, die an die Länder ausgeschüttet werden, von der Einnahmensituation des Bundes abhängen. Im Mittelpunkt wird dabei die Frage stehen, wie die Krisenkosten – Bankenrettung, Investitionspakete, Mehrkosten im Sozial- und Arbeitsmarktbereich – aufgebracht werden sollen: Durch Massensteuern und Sozial-Einsparungen oder durch eine Anhebung bzw. Wiedereinführung der Steuern auf Vermögen, bei denen Österreich nahezu OECD-Schlusslicht ist.

Orientierungshilfe. Die Frage nach der künftigen Gestaltung des Abgaben-Systems war auch die erste eines insgesamt 10 Punkte umfassenden Katalogs, den der ÖGB Steiermark den zu den Landtagswahlen kandidierenden Parteien übermittelte. Die weiteren Fragen umfassten die Themen Arbeitslosengeld und Mindestsicherung, Pensionen, den Schutz von ArbeitnehmerInnen in prekären Arbeitsverhältnissen, Arbeitszeitverkürzung und die Zukunft der Bildung.
„Die Grundlage des Fragenkatalogs bilden die Schwerpunkte der Aktion „fair teilen“ des ÖGB“, sagt der steirische Gewerkschaftsvorsitzende Horst Schachner (KORSO berichtete). „Wir haben ihn schriftlich übermittelt, weil wir die Parteien auch nach der Wahl auf ihre Aussagen festnageln wollen.“ Die Antworten seien als Orientierungshilfe gedacht „und nicht als Wahlempfehlung.“
Die Fragen wurden von den im ÖGB-Steiermark-Vorstand vertretenen Fraktionen einstimmig beschlossen. Der Christgewerkschafter Franz Haberl, Schachners Stellvertreter, stellt klar: „Als FCG wenden wir uns gegen jede Form der Einsparung bei den ArbeitnehmerInnen; an erster Stelle stehen für uns unsere Mitglieder und erst an zweiter die Partei.“
Den ÖGB-Fragen gestellt haben sich die SPÖ, die ÖVP, die KPÖ, die Grünen und die FPÖ. Das BZÖ hat auch auf Nachfragen nicht geantwortet, die Kandidatur der „Christen“ war zum Zeitpunkt der Aussendung des Fragenkatalogs noch ungewiss.
KORSO bringt als LeserInnenservice in dieser Ausgabe – der letzten vor der Landtagswahl – acht von zehn Fragen des ÖGB und die Antworten der Parteien in leicht gekürzter Fassung.

 

Abgabenlasten fair teilen


Laut einer Statistik des Bundesministeriums für Finanzen betrug der Anteil der Lohnsteuer am gesamten Steueraufkommen in Österreich im Jahr 1975 18 Prozent und stieg bis 2005 (letzter verfügbarer Wert) auf 30,2 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil der Gewinnsteuern von 17,4 auf 13,4 Prozent.
Die vermögensbezogenen Steuern betragen in Österreich laut OECD-Bericht 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, der EU-Schnitt liegt hingegen bei 2,1 Prozent. Nach OECD-Berechnung könnte Österreich die Vermögen um 3,5 Mrd. Euro höher besteuern, um den EU-Schnitt zu erreichen.
Die Last des mittlerweile sehr angespannten Sozialversicherungssystems tragen nach wie vor ausschließlich die Arbeitseinkommen, während alle anderen Arten von Einkommen, wie Mieten, Pachten, Abschreibungen und Gewinne von Sozialversicherungsabgaben befreit sind.


Kann sich Ihre Partei eine höhere Besteuerung von Vermögen in Österreich vorstellen? Wenn ja, auf welchem Weg?
SPÖ: Ja! Wir sind für die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer (mit entsprechenden Freibeträgen, damit die Häuslbauer und Sparbuchbesitzer davon nicht betroffen sind). Außerdem treten wir für die Einführung einer Kapitaltransfersteuer und einer Vermögenszuwachssteuer (notfalls auch im österreichischen Alleingang) ein. Ferner muss eine Anpassung bei den seit Jahrzehnten nicht mehr erhöhten Einheitswerten und damit bei der Grundsteuer kommen.
ÖVP: Vor der Einführung neuer Steuern oder Steuererhöhungen müssen alle ausgabenseitigen Möglichkeiten zur Budgetsanierung ausgeschöpft werden. Die Größenordnung einer Vermögenssteuer darf keinesfalls überschätzt werden. Zumal sie nur wirksam wäre, wenn auch kleinere Vermögen (Stichwort Häuslbauer) davon umfasst wären, wird die Einführung einer Vermögenssteuer von der ÖVP abgelehnt. Hingegen können wir uns eine Bankensteuer oder eine europäische Transaktionssteuer vorstellen, damit auch der Finanzsektor seinen Beitrag zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise leistet.
KPÖ:  Die Besteuerung großer Vermögen ist eine der Hauptforderungen der KPÖ, um mehr soziales Gleichgewicht herzustellen. […] Die KPÖ hat 2009 in der Steiermark 5000 Unterschriften für die Einführung einer Steuer auf Geldvermögen von über einer Million Euro gesammelt, aber keine Reaktion von Seiten der Landespolitik erhalten.
DIE GRÜNEN: […] Die Grünen wollen die Vermögenssteuern und nicht die Massensteuern erhöhen. Die Erhöhung der Massensteuern trifft insbesondere sozial Schwächere und schadet auch der Wirtschaft, da höhere Massensteuern negative Auswirkungen auf die Kaufkraft haben. […]  Nachjustiert gehört aus grüner Sicht insbesondere bei der Stiftungsbesteuerung, bei hohen Erbschaften und Finanztransaktionen.
FPÖ: […] Grundsätzlich ein Ja zu einer Besteuerung des Vermögens, wobei aber eine Form gefunden werden muss, die das erarbeitete „Vermögen“ der Arbeitnehmer verschont: Stichwort „Häuslbauer“. Als Untergrenze der Besteuerung können sich die Kollegen von den Freiheitlichen Arbeitnehmern ein Vermögen von 400.000,-- Euro (Finanzvermögen + Liegenschaftsvermögen – bewertet zum Einheitswert) vorstellen. Die FPÖ fordert die sofortige stärkere Besteuerung von Stiftungen, die bisher verschont wurden.

Ist Ihre Partei für eine Einbeziehung aller Einkommensarten in die Sozialversicherungs-Abgabenpflicht oder (und) für eine Anhebung der Höchstbemessungsgrundlage oder (und) für eine Kürzung der Sozialleistungen bzw. Erhöhung der Selbstbehalte?
SPÖ:  Wir sind für die Einbeziehung aller Einkommensarten in die Sozialversicherungs-Abgabenpflicht und eine moderate Anhebung der Höchstbemessungsgrundlage. Mit diesen Maßnahmen sollte das Sozialversicherungssystem mittelfristig so weit abgesichert sein, dass Kürzungen im Sozialbereich bzw. die Erhöhung von Selbstbehalten nicht notwendig werden.
ÖVP: Für die Volkspartei gilt, dass zuallererst mit der Einführung der Transparenzdatenbank ein Überblick über alle Transferleistungen der öffentlichen Hand geschaffen werden muss. Hinsichtlich aller Sozialleistungen gilt für uns: Hilfe für alle, die es brauchen, aber auch Fairness und Ehrlichkeit für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler […]
KPÖ: Auch Einkommen aus Geschäften am Finanzmarkt müssen zu einer Abgabe an die Sozialversicherung führen. […]
Die Abschaffung der Höchstbeitragsgrundlage ist aus Sicht der KPÖ eine der wichtigsten Maßnahmen zur Sanierung der Krankenkassen. Das wäre eine sozial gerechte Maßnahme, im Gegensatz zu höheren Selbstbehalten, die chronisch Kranke und Leute, die wenig verdienen, bestrafen. Solche Maßnahmen sind strikt abzulehnen, sie widersprechen auch dem Grundgedanken des solidarischen Sozialsystems.
DIE GRÜNEN: Wir treten für eine Anhebung der Höchstbemessungsgrundlage ein. Die berufsständischen Krankenkassen sollen abgeschafft werden, neun Gebietskrankenkassen sind als Struktur ausreichend.
FPÖ: Ja, wir stehen für eine Einbeziehung aller Einkommensarten in die Sozialversicherungs-Abgabenpflicht. Bei der Berechnung der Höchstbemessungsgrundlage in Analogie zur Bemessung der Lohn- und Einkommenssteuer schlagen wir einen fixen Prozentsatz vor. Eine Kürzung der Sozialleistungen kommt für uns definitiv nicht in Frage.

Wohlstand fair teilen


Österreich ist nach dem jüngsten Bericht der Weltbank das achtreichste Land der Welt. Der Reichtum ist allerdings sehr ungleich verteilt. Demnach besitzt ein Prozent der Bevölkerung ein Drittel des Gesamtvermögens, weitere neun Prozent das zweite Drittel, während sich 90 Prozent das dritte Drittel teilen müssen.
Gleichzeitig leben in Österreich fast 500.000 Menschen in akuter Armut (unter der Armutsgrenze), eine weitere Million ist armutsgefährdet.
Durch den Anstieg der in der Krise unschuldig arbeitslos gewordenen Menschen hat sich dieser Zustand noch verschärft.


Kann sich Ihre Partei eine Anhebung des Arbeitslosengeldes von einer derzeitigen Netto-Ersatzrate von 55 Prozent auf den EU-Schnitt von 63 Prozent vorstellen?
SPÖ: Ja! Wir sind für die Anhebung der Netto-Ersatzrate des Arbeitslosengeldes von derzeit 55 auf 65 Prozent und haben das mit einem Landtagsantrag bereits von der Bundesregierung eingefordert.
ÖVP: Ja, auf jeden Fall. Der Landtag Steiermark hat diesbezüglich bereits mit einstimmigem Beschluss vom 10.2.2009 die Landesregierung aufgefordert, an die Bundesregierung mit dem Antrag heranzutreten, dem Nationalrat ehestens einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, mit dem A) die Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung von 55% auf den europäischen Durchschnitt von 70% angehoben wird, B) diese Erhöhung der Nettoersatzrate vollständig in der Notstandshilfe abgebildet wird und C) Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung jährlich entsprechend der Entwicklung der Inflationsrate valorisiert werden.
KPÖ: Die Anhebung des Arbeitslosengeldes ist eine dringend überfällige Maßnahme. Tausende Steirerinnen und Steirer haben seit Beginn der Krise unverschuldet ihren Arbeitsplatz verloren. Da in vielen Branchen Löhne und Gehälter so niedrig sind, dass sie angesichts der Teuerung kaum zum Leben reichen, bedeutet eine Periode der Arbeitslosigkeit oft den totalen Ruin, z.B. durch Verlust der Wohnung.
DIE GRÜNEN: Ja. Wir treten seit langem dafür ein und haben im Landtag einen entsprechenden Antrag eingebracht [Antrag wird angeführt].
FPÖ: Ja, grundsätzlich wäre das vorstellbar, aber auch in EU-Angelegenheiten immer unter dem Gesichtspunkt Österreich und Österreicher zuerst!

Ist Ihre Partei für die rasche Umsetzung der bedarfsorientierten Mindestsicherung?
SPÖ:  Ja! Durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung wird einerseits die Sozialhilfe österreichweit vereinheitlicht. Andererseits wird sie so kons-truiert sein, dass sie als aktives Instrument für den Wiedereinstieg in das Berufsleben dient. In keinem Fall sehen wir die Mindestsicherung als „soziale Hängematte“. Jeder, der das behauptet, sollte einmal versuchen, mit knapp über 700 Euro pro Monat das Auslangen zu finden.
ÖVP: Wir bekennen uns zur Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Die diesbezügliche Vereinbarung gem. Art. 15a B-VG wurde daher auch mit unseren Stimmen in der Landtagssitzung vom 6.7.2010 beschlossen. Bedauerlicherweise war jedoch das von Landeshauptmannstellvertreter Siegfried Schrittwieser vorgelegte Steiermärkische Mindestsicherungsgesetz einerseits mangelhaft vorbereitet (Kostenschätzung) und andererseits aufgrund der geplanten 14-maligen Auszahlung und einer Aufblähung der Verwaltung durch die angekündigten Case-Managements nicht zustimmungsreif. […] Gleichzeitig bestehen wird darauf, dass die Steiermark zeitgerecht alle notwendigen Vorarbeiten für die Einrichtung der Transparenzdatenbank leistet, sodass die von der Bundesregierung auszuarbeitende Vereinbarung nach Art. 15a B-VG mit spätestens 30. Juni 2011 seitens der Steiermark unterzeichnet werden kann und darüber hinaus die Einspeisung der steirischen Daten in die Transparenzdatenbank ebenfalls mit dem Datum der Unterzeichnung dieser Vereinbarung begonnen werden kann.
KPÖ:  Die Mindestsicherung, wie sie in Österreich umgesetzt werden soll, ist ein unausgegorenes Konstrukt. Während sie in einigen Bundesländern Verbesserung für die sozial Schwächsten bringen kann, würde sie in der Steiermark zu einer Schlechterstellung der Betroffenen gegenüber dem derzeitigen System der Sozialhilfe führen. Deshalb wird die KPÖ der Mindestsichtsicherung nur zustimmen, wenn eine Schlechterstellung ausgeschlossen werden kann.
DIE GRÜNEN: Ja, für eine rasche Einführung und für eine 14-malige Auszahlung. Eine nur 12-malige Auszahlung – wie von der steirischen ÖVP verlangt – würde für die Betroffenen eine Verschlechterung um 16% gegenüber der jetzigen Sozialhilfe bedeuten. Es ist äußerst bedauerlich, dass sich die SPÖ geweigert hat, gemeinsam mit Grünen und KPÖ ein fortschrittliches steirisches Mindestsicherungsgesetz zu beschließen. […]
FPÖ: Ja, aber unter gleichzeitiger gesetzlicher Festsetzung von Mindestbruttolöhnen von € 1.600. Grundsätzlich gilt für die FPÖ auch in diesem Fall: „Leistung muss sich lohnen“! Als soziale Heimatpartei gilt für uns der Grundsatz: „Jede Hilfe für den oder die, die nicht arbeiten können, aber keine soziale Hängematte für den oder die, die nicht arbeiten wollen“!

Arbeit fair teilen


Die letzte gesetzliche Arbeitszeitverkürzung gab es in Österreich in den Jahren 1970 bis 1975 durch die schrittweise Senkung der Wochenarbeitszeit von 45 auf 40 Stunden. Trotz der Senkung der Arbeitszeit in kollektivvertraglichen Vereinbarungen auf durchschnittlich 38,5 Wochenstunden hat die tatsächlich in Österreich geleistete Arbeitszeit durch Überstunden und Flexibilisierung mit 42,4 Stunden pro Woche den Höchstwert in Europa (EU-Schnitt 40,5 Wochenstunden) erreicht.
Gleichzeitig steigt die Zahl der Teilzeitkräfte und der prekären Dienstverhältnisse mit minimaler oder gar keiner sozial- und arbeitsrechtlichen Absicherung in Österreich ständig an.


Kann sich Ihre Partei vorstellen, für eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung einzutreten, um die vorhandene Arbeit fairer aufzuteilen? Wenn ja, in welchem Ausmaß?
SPÖ: Ja! Wenn immer mehr Arbeit von immer weniger Menschen verrichtet wird, dann muss die vorhandene Arbeit eben auf mehr Menschen aufgeteilt werden. Und das geht nur mit einer gesetzlich festgeschriebenen Arbeitszeitverkürzung. Die 35-Stunden-Woche ist eine alte ÖGB- und SPÖ-Forderung und aus genannten Gründen aktueller denn je.
ÖVP: Abgesehen davon, dass die Beschäftigungseffekte von (geringfügigen) Arbeitszeitverkürzungen zu hinterfragen sind, hat für die ÖVP die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen oberste Priorität. Wir wollen dafür sorgen, dass in der Steiermark wieder mehr Arbeitsplätze entstehen können. Dafür ist es erforderlich, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Wirtschaftsbetriebe nicht weiter belastet werden und neue sich wieder gerne bei uns ansiedeln. Besonders innovative und wachstumsstarke Unternehmen können Arbeitsplätze schaffen und langfristig sichern.
KPÖ: Die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist eine alte, aber mehr als aktuelle Forderung. Arbeit und Vermögen müssen in einer Gesellschaft gerecht verteilt sein. Die 35-Stunden-Woche ist Gebot der Stunde, wobei mit steigender Produktivität einer Gesellschaft die Wochenarbeitszeit auch weiter zurückgehen könnte, ohne den Wohlstand zu verringern.
DIE GRÜNEN: Wir treten für eine Arbeitszeitverkürzung ein. Diese muss für alle Beschäftigten zugänglich werden und ist die Voraussetzung für eine gerechtere Verteilung von bezahlter Arbeitszeit insgesamt, insbesondere zwischen Frauen und Männern. Sie ist damit auch die Basis für eine gerechtere Verteilung von unbezahlter Arbeit, wie Betreuung und Pflege […]. Um diese Ziele zu erreichen, ist eine gesetzliche und flächendeckende Lösung wie die Einführung der 35-Stunden Woche notwendig. Ein wichtiger erster Schritt wäre allerdings die schnelle und effektive Eindämmung der Überstunden in Österreich. […]
FPÖ: Grundsätzlich ja, 37 Stunden bei vollem Lohnausgleich, wobei gewährleistet werden muss, dass die freiwerdende Arbeitskapazität wirklich für neue Arbeitsplätze verwendet wird.

Tritt Ihre Partei für vollen sozial- und arbeitsrechtlichen Schutz von ArbeitnehmerInnen in prekären Dienstverhältnissen ein?
SPÖ: Ja! Die Beschäftigten in diesem Sektor werden immer mehr und sind besonders schützenswert. Deshalb sollten so rasch wie möglich die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in prekären Dienstverhältnissen in den Genuss des vollen sozial- und arbeitsrechtlichen Schutzes kommen.
ÖVP: Werkverträge, freie Dienstverträge, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sowie verschiedenste Mischformen gehören zur Realität der österreichischen Arbeitswelt. Für viele Menschen ist die sich daraus ergebende Unsicherheit belastend. Die Volkspartei tritt daher dafür ein, dass zumindest die sozialversicherungsrechtliche Absicherung bei jeder Form von Dienstverhältnissen gewährleistet sein muss.
KPÖ: Ja. Prekäre Dienstverhältnisse mögen in Einzelfällen ihre Berechtigung haben, leider werden sie für immer mehr Menschen zur Regel. Ein immer größerer Teil der Beschäftigten fällt so aus dem Sozialsystem, hat keinen Anspruch auf Kranken- und Pensionsversicherung, Urlaub und Mitbestimmung am Arbeitsplatz. […] Die KPÖ tritt für eine soziale Absicherung aller Beschäftigten ein, an der sich auch die Unternehmen zu beteiligen haben.
DIE GRÜNEN: Ja. Der Freie Dienstvertrag muss abgeschafft werden, und es braucht eine Initiative gegen Lohn- und Sozial-
dumping. Die Einführung der atypischen Beschäftigungsformen – geringfügige Beschäftigung, Freier Dienstvertrag und Werkvertrag - hat zu massiven Problemen geführt.[…] Den Versicherungssystemen fehlen die Beiträge und der Staat fällt um die Steuern um. […] Die systematische Unterbezahlung, übergroße Arbeitsbelastung und fehlende Perspektive und Sicherheit haben gravierende Folgen für den einzelnen, aber auch für die ganze Gesellschaft. Daher fordern die Grünen einen vollen Versicherungsschutz für alle unselbständigen Arbeitsverhältnisse, die Abschaffung des Freien Dienstvertrages und ein Mindestlohngesetz gegen Lohndumping. […] und die Einführung eines Verbandklagerechtes im Arbeits- und Sozialrecht, damit bei illegaler atypischer Beschäftigung auch die Interessensvertretungen der ArbeitnehmerInnen klagen können, nicht nur die Betroffenen selbst.
FPÖ: Ja, dieser Entwicklung ist voll und ganz Rechnung zu tragen.

Ruhestand fair teilen


Mit dem Auslaufen der so genannten „Hacklerregelung“ wurde erneut eine Diskussion über eine Anhebung des Pensionsantrittsalters eröffnet. Da die Langzeitversicherten-Regelung für alle ArbeitnehmerInnen gilt, wurde sie auch von vielen in Anspruch genommen, die nicht unter den Begriff SchwerstarbeiterInnen fallen. Das tatsächliche Pensionsantrittsalter beträgt in Österreich für Männer 58,5 Jahre, für Frauen bei 56,9 Jahre, liegt also deutlich unter dem gesetzlichen Antrittsalter von 65 bzw. 60 Jahren.
Die Erwerbsquote der 55- bis 64jährigen hinkt in Österreich mit 31 Prozent weit hinter dem EU-Schnitt von 44 Prozent her.


Kann sich Ihre Partei nach Auslaufen der „Hacklerregelung“ eine gesetzliche Absicherung echter SchwerstarbeiterInnen vorstellen, nach 45 bzw. 40 Versicherungsjahren in Pension gehen zu können?
SPÖ: Ja! Weil die „Hacklerregelung“ in ihrer derzeitigen Form eher andere Berufsgruppen bevorzugt als jene, für die sie eigentlich gedacht ist, sollte sie dahingehend reformiert werden, dass echte Schwerarbeiterinnen und -arbeiter tatsächlich nach 45 bzw. 40 Versicherungsjahren in den Ruhestand treten können.
ÖVP: Ja.
KPÖ: Wer jahrzehntelang  Schwerstarbeit verrichtet hat, muss früher in Pension gehen können. Die EU will das Pensionsantrittsalter bis 2030 auf 70 anheben, das ist nicht nur aus arbeitsmarktpolitischer Sicht unsinnig, sondern auch eine Verhöhnung von Menschen, die schwere körperliche Arbeit verrichten.
DIE GRÜNEN:  Das Veto gegen die sofortige Abschaffung der Hacklerregelung von Sozialminister Hundstorfer teilen die Grünen. Wenn nämlich Leute, die schon 45 Jahre gearbeitet haben, weitere zwei, drei Jahre arbeiten müssen, werden entsprechend weniger junge Leute eine Chance haben, eine Arbeit zu finden. Für die nächsten 20, 30 Jahre wäre die Wiedereinführung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit bzw. die Reform der Invaliditätspension am zielführendsten. Jede andere Regelung führt dazu, dass Bauarbeiter, aber auch einige andere Berufsgruppen en bloc nie eine normale Alterspension erhalten würden, weil sie nie 45 Versicherungsjahre erreichen können.
FPÖ: Ja, auch für die FPÖ sind 40 bzw. 45 Jahre genug. Arbeitnehmer, die ihr Leben lang gearbeitet haben und in den Pensionstopf eingezahlt haben, müssen eine garantierte Pension, mit der man auch leben kann, erhalten.

Welche Vorschläge hat Ihre Partei, ausreichend Arbeitsplätze für ältere Beschäftigte zu schaffen, um die Schere zwischen tatsächlichem Pensionsantrittsalter und gesetzlichem zu schließen?
SPÖ: Einerseits können wir uns eine Einstellungsverpflichtung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem verbesserten Kündigungsschutz vorstellen. Andererseits könnte das Beschäftigungsausmaß für ältere Menschen bei vollem Lohnausgleich reduziert werden.
ÖVP: Die Schere zwischen tatsächlichem und gesetzlichem Pensionsantrittsalter ist nicht darauf zurückzuführen, dass es zu wenige Arbeitsplätze für ältere Beschäftigte gibt, sondern vor allem darauf, dass das stark ausgeprägte Senioritätsprinzip in Österreich ältere Arbeitnehmer im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmern unverhältnismäßig teuer macht und sie daher mit einem Wettbewerbsnachteil im Arbeitsmarkt stehen. Die diesbezüglichen Diskriminierungsverbote werden zu einer Veränderung der Lohn- und Gehaltsstrukturen führen, so dass ihr Produktivitätsvorteil ihren (dann) Kostennachteil egalisieren wird.
KPÖ: Das Hauptinstrument, um ausreichend Arbeitsplätze für ältere Beschäftigte zu schaffen, ist die Verkürzung der Arbeitszeit. Wenn nicht mehr Arbeit zu Verfügung steht, helfen alle Programme und Maßnahmen nichts. Wenn Arbeit und Wohlstand gerecht verteilt sind, wäre auch für Ältere genügend Arbeit vorhanden.
DIE GRÜNEN: Die Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantritts-alters wird von den Grünen abgelehnt. Sie führt nicht in erster Linie zu späteren Pensionsantritten, sondern zu niedrigeren Pensionen. Und selbst wenn sie zu höheren Pensionen führen würde, würde dies zu Lasten junger Menschen gehen, denen der Zugang zum Arbeitsmarkt umso länger versperrt wäre. Auch der Zugang zur Invaliditätspension darf nicht erschwert werden: Wer den Zugang zur Invaliditätspension versperren möchte, vergisst zu erwähnen, dass InvaliditätspensionistInnen im Schnitt um fast zehn Jahre kürzer leben als Menschen mit einer normalen Alterspension. Der Kostenanstieg im Pensionssystem verlangt beschäftigungspolitische Offensiven, gesündere Arbeitsplätze, Reduktion von Stress und Arbeitsdruck.
FPÖ: Hier sind vor allem die Wirtschaftkammer, die Arbeiterkammer und der ÖGB gefordert. Diese Institutionen sind aufgerufen, Aktionen bei ihren Mitgliedern zu starten, die beweisen: Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind für jeden Betrieb ein Aktivposten. […] Die Schaffung und die Erhaltung von Arbeitsplätzen für ältere Arbeitnehmer muss ebenso attraktiver gestaltet werden. […] Unternehmern muss ein Anreiz in Form der Senkung der Lohnnebenkosten und zusätzlichen Beihilfen bei Beschäftigung von Arbeitnehmern ab 55 Jahren gewährt werden. Ältere Arbeitnehmer, die voll im Berufsleben stehen, sind sowohl für das Finanzamt und die Pensionsversicherung ein „Aktivposten“. Ganz zu schweigen von der sozialen Stellung in der Gesellschaft. Sie zahlen Lohn- und Einkommenssteuer, benötigen keine Pensionsleistungen, ganz im Gegenteil: Sie füllen den Topf der Pensionsversicherungsanstalten noch auf. […]

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