Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Einsparen, was man grad nicht braucht?
Sonntag, 16. Mai 2010
Briefe aus Absurdistan von Robin Hut Hallo, alter Freund!

Es ist ja für jemanden wie mich, der das Weltgeschehen nur vom sicheren Graz aus via Medien verfolgt, schwer nachzuvollziehen, wenn du mir schreibst, dass du jetzt wieder einen anderen Entwicklungshilfeauftrag im Sudan angenommen hast, da sogar dir das Grenzgebiet zwischen Tschad und Kenia zu unsicher geworden ist. Weil, wie du mir erklärst, den afrikanischen Staaten nun in Folge unserer Wirtschaftskrise – für die sie ja wirklich gar nichts können – die Mittel fehlen, um überhaupt ein Mindestmaß an staatlicher Ordnung aufrecht zu erhalten. Und dann mokieren sich wahrscheinlich noch die, die bei uns die Krise herbeispekuliert haben, über die Rückständigkeit in Afrika.

Wobei es natürlich bei uns hier auch nicht besser wird mit der Staatsgewalt im Zeichen der Krise, ganz im Gegenteil, jetzt zeigt sich, wie brüchig unser System an vielen Stellen ist: Ein aktuelles Beispiel ist die Bundespräsidentenwahl. Da war es ja durchaus schon ein paarmal so, dass, wenn ein amtierender Präsident zur Wiederwahl anstand, die jeweils andere der beiden ehemaligen Großparteien keinen Kandidaten aufgestellt hat. Aber was diesmal die ÖVP gemacht hat, ist bisher beispiellos in der Geschichte der 2. Republik: Sie hat die Menschen zum Weißwählen aufgerufen. Und so blöd können ja wohl nicht einmal parteitaktisch verblendete Politiker sein, dass ihnen nicht klar ist, dass sich der typische Deix- Österreicher dann fragt, warum er dann überhaupt die Mühsal auf sich nehmen soll, zur Urne zu schreiten. Mit dem klaren Ergebnis, dass nicht – wie bisher – mehr als drei Viertel der Wahlberechtigten von ihrem Recht Gebrauch machten, darüber mitzuentscheiden, wer der Hüter unserer Verfassung ist, sondern nur noch etwas mehr als die Hälfte.

Wobei wohl nicht einmal allen davon mehr bewusst ist, dass dies die Hauptfunktion unseres Bundespräsidenten ist, zum Glück musste ja kein HBP in den letzten 60 Jahren hier ernsthaft eingreifen. Negativer diesbezüglicher Höhepunkt in meinem persönlichen Erleben der letzten Wochen war, als eine Schülerin einer Maturaklasse mir erzählte, dass ihre Lehrerin ihnen  in politischer Bildung vermittelt habe, dass der Bundespräsident in Österreich ausschließlich repräsentative Pflichten hätte. Dabei geht’s jetzt erst richtig los mit den Diskussionen, ob wir das Amt wirklich brauchen. Erinnert mich fatal an meinen Nachbarn, der mir vor zwei Jahren  ganz stolz erzählt hat, wie günstig  er sich im Großmarkt seine neue Satellitenschüssel eingeschnitten hat, und der sich jetzt, da das Ding kaputt ist, darüber erregt, dass es bei uns keine kleine Reparaturwerkstatt mehr gibt und er so lange Wegzeiten zahlen musste. Aber ich denk mir, wenn wir alles einsparen, was man über längere Zeit nicht braucht, könnten wir noch viel höhere Effekte erzielen: Ich zum Beispiel hab’ schon ewig keinen Arzt mehr gebraucht, kein Spital und keine Polizei. Die passen ja auch nur auf meine Gesundheit auf und dass nix passiert, so wie ein Bundespräsident auf die Verfassung. Also was soll’s, da könnten wir doch schön was einsparen, oder?


Fragt sich dein Robin Hut
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