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Ungenutzte Abwärme in großen Mengen abzugeben |
Mittwoch, 10. März 2010 | |
Künstlerische Kriseninterventionen wider die steirische Energiepolitik: Das 17 km südlich von Graz im Bau befindliche Gas-Kraftwerk in Mellach ist Stein des Anstoßes für einen künstlerischen Ideenwettbewerb.
Gigantische Mengen von Energie sollen im Gas-Kraftwerk Mellach II als Abwärme in die Mur und den zu errichtenden Kühlturm entsorgt werden. Während anderswo längst der Umstieg auf erneuerbare Energieformen oberstes Ziel ist, baut man in der Steiermark für 550 Millionen Euro einen weiteren fossilen Giganten, der teure CO2-Zertifikate kostet, die ohnehin stark belastete Luft verschmutzt und obendrein nicht weiß, wohin mit seinen 600 MW Abwärme. Dieser völlig unzeitgemäßen Verschwendung, dem verantwortungslosen Umgang mit Ressourcen zukunftsweisende Ideen entgegenzusetzen, war das Bedürfnis von Günter Eisenhut, der diesen Stein ins Rollen brachte. „Die Verantwortlichen müssen gezwungen werden, endlich vernünftig zu handeln“, so Eisenhut. Wo den Ökonomen die Phantasie versagt und PolitikerInnen sich kleinlaut zurückziehen, sollten KünstlerInnen und Kreative für neuen Diskussionsstoff sorgen. Und so wurde mit Unterstützung der Akademie Graz ein Wettbewerb für durchaus auch unkonventionelle Nutzungskonzepte gestartet: Wie kann Abwärme auf neuartige Weise sinnvoll Verwendung finden und in „SOZIALE WÄRME“, so auch der Titel des Wettbewerbs, umgewandelt werden? Aus dem Stein ist eine Lawine geworden. 67 eingereichte Entwürfe waren es schließlich, die die Jury (Landtagspräsident Dr. Kurt Flecker, Akademie-Graz-Präsidentin Dr. Astrid Kury, remixx-Galerist Günter Eisenhut, Peter Nausner und DI Jan Tabor) zu beurteilen und honorieren hatte. Unterschiedlichste Herangehensweisen förderten eine Vielzahl von Projekten zutage. „Es wurden faszinierende Ideen eingereicht“, so Eisenhut, „sie denken nicht nur den nächsten Schritt, sondern oft fünf Schritte voraus.“ Gekürt und mit Preisgeld versehen wurden drei Entwürfe, für die „einerseits der künstlerische, kritische, utopische Impetus, andererseits der systematische, aufklärerische, realistische Zugang“ wichtig waren, wie Jurymitglied Jan Tabor erläutert. Der Preis des Alfred Schachner Gedächtnisfonds (Euro 1.500,--) geht an SchülerInnen der HTBLVA Graz-Ortweinschule, Fachsparte Produktdesign und Präsentation. In ihrer Einreichung, bestehend aus 11 verschiedenen Zugängen, stecken vom Containerhotel, das man kostenlos heizen könnte, über eine vier Jahreszeiten-Sporthalle, der Idee zur Kultivierung von Südfrüchten, um weite Transportwege zu sparen, sehr viele ambitionierte Ansätze. Oder eine Obsttrocknungsanlage (Christina Niedermair), die gesicherte Arbeitsplätze für behinderte Menschen bieten möchte. Man kann die geballte Kraft der Energieverschwendung aber auch ganz simpel für alle sichtbar werden lassen: in einem Geysirfeld, das als LandArt-Mahnmal und Touristenanziehungspunkt mitten in Europa funktionieren soll (Lisa Wink), oder mit einer symbolischen Wärmeflasche als Charity-Produkt (Simone Stückler). „Es stimmt mich optimistisch, dass bei diesem Wettbewerb so viele junge Menschen dieses Engagement für eine ökologische und sozial gerechte Welt zum Ausdruck gebracht haben“, freut sich Astrid Kury von der Akademie Graz. Die Alternative: eine saubere Kooperative. Den zweiten Preis erhielt das architektonisch intensivste Projekt mit dem Titel „Ecological Turn“ (Büro terrain: loenhart&mayr BDA Landscape urbanism / LANDLAB Institut für Architektur und Landschaft TU Graz, Andreas Goritschnig / Institut für Prozesstechnik TU Graz, Michael Narodoslawsky). „Allmende Styria“ nennt sich ihre geplante Kooperative, die mit den Abfällen des Kraftwerks produziert und Abwärme und CO2 verwendet, um nachhaltige Prozesse in Gang zu setzen: eine Microalgen-Anlage soll Teile des CO2 lokal in Biomasse binden bzw. Biodiesel und Biogas herstellen, eine Holzenergieanlage zur Holztrocknung herangezogen werden können, Gewächshäuser, Felder und eine Siedlung runden die Struktur der Energie- und Nahrungsmittelproduktion ab, die als Musterbeispiel für eine mit weiteren Kooperativen „grünende“ Steiermark wirken soll. Wärme für Obdachlose und die Fernbeziehungsgeplagte. Frederike J. Nestler-Rebeau und Norbert Nestler (Preis der Katholischen Aktion) haben vor, die Energie für ein von ihnen entwickeltes „Homelesscenter“ kostenlos zur Verfügung zu stellen. Über die Stadt verteilt würden damit beheizte Architekturen aus Fertigbauteilen zu weithin sichtbaren Signalen der sozialen Verantwortung erwachsen. Der „Wanderschwimmweg“ des Künstlerduos Winkler-Köperl sieht eine „Kühlspirale“ der etwas anderen Art vor, wenn ein 100 Meter langer Schwimmparcours in die Landschaft ausgelegt wird und die Unwirtschaftlichkeit ebenfalls verdeutlicht. Ein Ansatz, der die soziale Wärme auf sehr persönlicher Ebene anzukurbeln versteht, nennt sich „Wärmetauscher“ – eine Art Wärme-Gegengeschäft: Die Flughafengebäude Graz-Thalerhof würden gratis beheizt, dafür spendiert man seitens des Flughafens gratis Flugmeilen, um Menschen mit Fernbeziehung zu mehr Zweisamkeit zu verhelfen (Anne Martischnig, Tomaž Kramberger). „Die sozialste Wärme ist die Abwärme, die gar nicht produziert wird“, hat jemand auf einen Zettel gekritzelt und eingereicht. Bleibt zu hoffen, dass der Ideenwettbewerb rund um die künstlerischen Ansätze noch genug explosive Energie aufwirbeln, dass den Verantwortlichen unerträglich heiß wird. Und alternative Nutzungskonzepte das Abkühlen übernehmen dürfen. Die zwanzig kreativsten Ideen des Wettbewerbs „Soziale Wärme“ sind jedenfalls bis 14. März 2010 im Museum der Wahrnehmung ausgestellt und können eben dort täglich außer Dienstag von 14.00 bis 18.30 Uhr besichtigt werden. | Eva Pichler
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