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Sozialdemokratische Bildungsarbeit muss wieder Solidarität in Mittelpunkt stellen
Mittwoch, 10. März 2010
Mit dem Bildungsvorsitzenden der SPÖ Steiermark, LAbg. Hannes Schwarz, und dem neuen Landesstellenleiter des Renner-Institutes Steiermark, Michael Grossmann, sprach KORSO-Herausgeber Christian Stenner über die aktuellen Bildungsaufgaben der Sozialdemokratie. (PR) Die Sozialdemokratie ist in den letzten Jahren in vielen inhaltlichen Fragen zurückgewichen – in Verteilungsfragen, in der Steuerpolitik, aber auch in der Ausländerpolitik. Sie hat Wählerstimmen nach rechts verloren. Tritt da auch eine Schwäche der Bildungsarbeit zutage, die früher ein Kernstück der politischen Aktivität der Partei war?
Schwarz: Die Sozialdemokratie hat in den letzten Jahren ihren Bildungsauftrag nach außen und innen zweifellos zu wenig wahrgenommen, wir haben uns zu sehr darauf konzentriert regierungsfähig zu sein und zu wenig darauf geachtet, wie wir inhaltlich aufgestellt sind. Die Frage, wie wir auf künftige Krisenerscheinungen in Wirtschaft und Gesellschaft reagieren sollen, ist in den Hintergrund getreten. Daraus resultiert eine gewisse Orientierungslosigkeit, der wir jetzt eben verstärkt Orientierungen entgegensetzen müssen – genau das ist die Aufgabe einer Bildungsorganisation.
 
Wird die Bildungsarbeit von den politisch Verantwortlichen in letzter Zeit überhaupt noch als Schwerpunkt angesehen?
Schwarz: Die Nachfrage war eher gering, vor allem was die Bundespolitik betrifft. Das ist aber in ganz Europa so.
Mit „Österreich 2020“ ist jetzt von der Parteispitze ein Programm ins Leben gerufen worden, das ein bisschen an die Kreiskyschen Thinktanks der Siebziger Jahre erinnert.
Grossmann: „Österreich 2020“ ist ein sehr offenes Konzept, das, so hoffe ich, auch in den Bundesländern wirksam wird.
Schwarz: Positiv ist daran vor allem, dass sich die Sozialdemokratie damit wieder auf Zukunftsfragen hin orientiert. Weil Sie Kreisky nannten: Er hatte klare Vorstellungen davon, wie Österreich in zwanzig Jahren aussehen sollte. Aufgabe einer Bildungsorganisation ist ja nicht nur die Bildungsarbeit, sondern auch die Beschäftigung mit Zukunftsfragen, mit allen kritischen Fragen, die der momentane Zustand der Gesellschaft aufwirft. Allzu lange ist man bei ihrer Beantwortung auf die eingängigen neoliberalen Antworten reingefallen – es ist Zeit, einen neuen Weg zu beschreiten.
 
Wie soll das nun in der Praxis aussehen?
Grossmann: Grundsätzlich hat unsere Bildungsarbeit zwei Stoßrichtungen – auf der einen Seite den Ausbildungspart für FunktionärInnen und Interessierte, auf der anderen Seite die Beteiligung an gesellschaftlich relevanten Diskussionen. Wir wollen die Bildung dorthin bringen, wo die Menschen arbeiten – das bedeutet Regionalisierung. Damit ist aber nicht gemeint, dass wir mit fertigen Konzepten und Inhalten in die Regionen gehen. Im Gegenteil: Wir wollen regionale Initiativen aufgreifen, den regionalen Bildungsbedarf erheben und an den Interessen und Bedürfnissen der Mitglieder ansetzen.
Ein sehr emotionalisiertes Thema, an dem die Bildungspolitik nicht vorbeigehen kann, sind die Fragen von Migration und Integration.
Schwarz: Leider wurde allzu lange versucht, das Thema zu umschiffen. Jetzt sind inhaltliche Klärungen nötig, und dazu muss man mit den Menschen reden, ihre Sorgen ernst nehmen und mit ihnen gemeinsam Positionen entwickeln. Maximal-
antworten knapp vor Wahlgängen machen weder politisch noch rein wahlbezogen Sinn: Sie desorientieren und die Menschen wählen trotzdem den Schmied und nicht den Schmiedl.
 
Ein weiteres solches Thema ist die so genannte Bettlerfrage – auch die Kernschichten der Sozialdemokratie, so wird zumindest behauptet, treten mehrheitlich dafür ein, Betteln schlichtweg zu verbieten. Wenn das stimmt, ist das eine Abkehr vom Solidaritätsgedanken, einem Kernstück sozialdemokratischer Ideologie: Wer bei Minusgraden ein paar Euro täglich erbettelt, wird als arbeitsscheu beschimpft; wer leistungslos durch Erbschaft reich wurde und nach einem Bankskandal noch einmal um viele Millionen mehr in der Tasche hat, hat nicht mit solchen Anfeindungen zu rechnen.
Grossmann: Der Bettler in der Herrengasse erinnert die Menschen an ihre eigene Sorge, in Armut zu fallen, an ihre Furcht davor, mit materieller Not allein gelassen zu werden; das macht seinen Anblick so unangenehm. Auf der anderen Seite ist die Entsolidarisierung der Gesellschaft so weit gegangen, dass jemand wie Julius Meinl zur Identifikationsfigur werden konnte: der neoliberalen Ideologie zufolge können ja alle so reich werden wie er.
Schwarz: Sozialdemokratische Bildungsarbeit muss dem entgegenwirken, indem sie Solidarität und gesellschaftliche Inklusion als sozialdemokratische Prinzipien in den Mittelpunkt stellt und die neoliberale Umwertung massiv hinterfragt, wonach die Reichen die Gesellschaft reicher und die Armen sie ärmer machen. Unsere Aufgabe besteht darin, wieder einer anderen Wertorientierung Geltung zu verschaffen, nämlich jener, dass alle Mitglieder der Gesellschaft ein menschengerechtes Leben führen können. Das haben wir im Parteiprogramm von 1998 explizit festgehalten, aber in den letzten zwölf Jahren vielleicht ein wenig aus den Augen verloren.
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