Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Große Orientierungslosigkeit
Mittwoch, 10. März 2010
Briefe aus Absurdistan von Robin Hut Hallo, alter Freund!

Jetzt, wo ich mich hinsetze, um dir zu schreiben, meldet sich natürlich mein Gewissen. Für diesen schönen Abend in der Stadt habe ich gerade einige Dutzend Euro ausgegeben. Wann habe ich zuletzt wenigstens die Hälfte davon auf ein Spendenkonto eingezahlt, um damit gleich einige hungernde Menschen einen Monat lang zu ernähren oder einem Menschen die Operation zu finanzieren, die ihm sein Augenlicht zurückgibt? Als mein „afrikanisches“ Gewissen bist du mir also auch ein sehr dankenswertes Korrektiv, das mir meine Relationen zurechtrückt und mich dazu animiert, sehr bequem Gutes zu tun, indem ich per Telebanking gerade eine solche Überweisung getätigt habe und mich danach tagelang als guter Mensch fühlen kann und das für weniger Geld, als ich sonst an manchem Abend veresse und vertrinke.

Uns hier in Europa beschäftigt derzeit vor allem unsere eigene Orientierungslosigkeit. Griechenland geht pleite, die EU sagt „Du, du, du, jetzt sparst aber wirklich, gell!“ und schon werden in Athen die blauen Fahnen mit dem güldnen Sternenkranz vor den laufenden Kameras verbrannt.

Auf österreichischer Ebene macht ein Grüß-August den Bundeskanzler. Fescher Seitenscheitel, rote Backerl und ein Blechstimmchen wie aus dem gleichnamigen Praterautomaten. Man soll Menschen nicht nach ihrer äußeren Erscheinung beurteilen, aber in keinem Hollywoodkrimi dürfte Herr Faymann den Star spielen, der gerade kraft seiner Persönlichkeit die Welt rettet. Bestenfalls den Inspektor, falls du Peter Falks Columbo schon einmal im Originalton gehört hast.
Als sein Vizekanzler und natürlich innerkoalitionärer Widerpart fungiert ein wahres Prunkstück von Bauernsohn. „Ausg’fressen“ sagen sie in Wien zu seiner Erscheinung, „ein Mann ohne Bauch ist kein Mann“ in seiner niederösterreichischen Heimat. Und einer, der natürlich mit der Muttermilch aufgesogen hat, dass eine Sau im Endeffekt zum Schlachten da ist, dementsprechend auch sein politisches Grundverständnis.

Und die Opposition gibt an vorderster Stelle einer, der – zugegeben – den Manfred von Richthofen in einem Fliegerheldenepos spielen könnte. Und das nicht einmal nur optisch: Seine gesellschaftspolitischen Ideen spiegeln ebenfalls die Todesverachtung, die einem solchen Sturzpiloten wohl zueigen sein muss: Tu ma einmal fest die Leut’ aufhetzen gegen die Ausländer, „immer feste druff, meine Kameraden von der Dreibierbestellfraktion“. Macht so richtig Laune in jenen Vierteln der Städte, wo sie eh schon die Fäuste in den Taschen ballen. Und dann kann der Herr Strache wohl endlich mit seinen Paintballfreunden die Gesellschaft retten.

Und auf der anderen Seite eine schwarzhaarige Barbie als glaubwürdige Verkörperung linken Gedankengutes? Bis zur Krise war das ja durchaus noch ein Angebot an die junge Erfolgsgeneration, aber zur Zeit hat’s sicher auch die Frau Glawischnig nicht leicht.
Und das alles in unsichereren Zeiten, wo die Menschen verstärkt nach Orientierung suchen, gewohnheitsmäßig noch bei den Politikern. Ob sie wohl als nächstens wieder sonntags die Kirchen füllen auf ihrer Suche?

Fragt sich dein Robin Hut
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >