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Der Zeitung scheint es recht
Mittwoch, 10. März 2010
Kopfzeile von Martin Novak Das ist schon verblüffend. Nicht nur, dass die Freiheitliche Partei eine eigene Kandidatin in den Bundespräsidentschaftswahlkampf schickt, sie schickt sogar eine, die nicht dem linksliberalen Flügel der Partei (das ist ein Scherz) angehört, sondern eine, die, so wie die Österreicher laut Alfred Gusenbauer und die Bayern laut Katharina Witt Wintersport, FPÖ in ihrer DNA hat. Gusenbauer und Witt wollten mit diesem Argument Olympische Spiele ins jeweilige Land bringen, die FPÖ und ihre Kandidatin wollen nur dabei sein. Was ja auch funktioniert. Die große Mehrheit der Journalistinnen und Journalisten (die ja vorwiegend grün, ein bisschen rot und schwarz, aber praktisch nicht blau ist), kann zwar einer solchen Kandidatin nichts abgewinnen. Für die Medien an sich wäre ein Nichtwahlkampf inhaltlich gesehen aber Fadesse pur und wirtschaftlich betrachtet ein schlechtes Inseratengeschäft, insgesamt also unerfreulich. So kommen Partei und Kandidatin also in den Genuss „parasitärer Publizität“ (Thomas Meyer, 2001) – sie werden dabei zwar kaum die einzig relevante Goldmedaille erringen, finden aber mangels Alternativen ein an ihrer politischen Bedeutung gemessen erhebliches Maß an medialer Aufmerksamkeit.
Die Entwicklung parasitärer Publizität funktioniert sogar als Kettenreaktion. Hans „Cato“ Dichand empfiehlt Frau Rosenkranz den Wählerinnen und Wählern, was ja im Prinzip in Ordnung geht und im angloamerikanischen Raum zum guten Ton gehört (das Empfehlen an sich, nicht das von Frau Rosenkranz). Dafür bekommt er Publizität, auch in Medien, die ihm überhaupt nicht gehören. Allerdings empfiehlt Cato  – im Gegensatz zu britischen und amerikanischen Medien – nicht bilanzierend nach Abschluss des Wahlkampfs, sondern prophylaktisch. Das entspricht zwar nicht dem guten Ton, ist aber nicht unklug. Darf man doch erwarten, dass die Empfohlene sich „entgegenkommender Selbstunterwerfung“ (wieder T. Meyer) befleißigt und recht schimpft auf das, was ihr Mentor auch nicht mag. Schwer dürfte ihr das nicht fallen, weil sie die EU ja sowieso nicht sehr schätzt.
Ein Jurist, der oft als Medienanwalt tituliert wird, weil er sich gerne im Fachgebiet des Medienrechts betätigt, vielleicht aber auch, weil er in den Medien weit häufiger vorkommt, als die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen, hat er eine andere Strategie, um zu parasitärer Publizität zu gelangen. Er klagt die Kandidatin, kaum ist sie nominiert. Genauer gesagt, er versucht nachzuweisen, dass sie das Verbotsgesetz verletzt. Es sind zwar schon Menschen wegen weit schwerwiegenderer Formen der Wiederbetätigung nicht verurteilt worden, als es die Forderung ist, Teile des Gesetzes aufzuheben, das die Wiederbetätigung unter Strafe stellt. Aber es bringt Anwalt Zanger jedenfalls Publizität, ironischerweise auch in der Kronenzeitung. Hätte er Frau Rosenkranz geklagt, als diese nur niederösterreichische Landesrätin für Baurecht und Tierschutz war, wäre die mediale Resonanz sicherlich weit milder gewesen. Da ist es schon gut, dass er warten konnte.
So werden also bis zum 25. April noch so manche medialen Scheingefechte ausgetragen werden. Die Konsumenten klassischer und sozialer Medien können sich entsprechend empören oder begeistern, indem sie zum Beispiel einer der teils ernst gemeinten, teils halblustigen Facebook-Fangruppen beitreten. Oder sie folgen dem Theorem des Ökonomen Anthony Downs und üben sich in rationaler Ignoranz, dem generellen Desinteresse an Informationen. Das klingt zwar nicht gut, macht es aber zumindest schwieriger, parasitäre Publizität zu erlangen.
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