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Literatur-Hauptstadt?! |
Mittwoch, 17. Februar 2010 | |
kulturIMcontext
Noch als Gerücht hielt es sich Jahrzehnte lang. Eigenartig zwar, dass ein Gefühl zum Faktum und weiter zum Gerücht mutieren kann, aber die aus dem deutschen Feuilleton nach Graz getragene Einschätzung „deutschsprachige Literaturhauptstadt“ wurde hier nicht nur gerne aufgenommen, sondern hatte ab den 1960er Jahren einiges für sich. Bauer, Handke, Hoffer, Jandl, Jelinek, Kolleritsch, Mayröcker, Roth und noch einige mehr, dazu die hippsten SchriftstellerInnen bei Lesungen – bei weitem nicht nur aus Deutschland und der Schweiz – mit den wichtigen LiteraturkritikerInnen im Gepäck, außerdem noch die jährlichen Literatursymposien, meistens im Forum Stadtpark. Das waren beinahe so etwas wie intellektuelle Europameisterschaften, stimmungsmäßig natürlich. Dann hing das durch, obwohl sich bis heute anscheinend wenig änderte: Die „manuskripte“ (1960 gegründet, also demnächst 50!) entdecken weiter AutorInnen, und deutsch(sprachig)e Verlage brachten und bringen ihre Werke heraus. Neben dieser vom Forum exilierten „Zeitschrift für Literatur“ erscheinen hier noch Lichtungen, Perspektive, Schreibkraft, Sterz und noch ein paar, die sich Kulturzeitschriften nennen. Gemessen an der Einwohnerzahl ein gefühlter Europarekord … Obwohl das Land Steiermark drei Literaturpreise auslobt und die Stadt Graz den Franz Nabl Preis (von Stipendien nicht zu reden), die preiswürdigen Namen gehen nicht aus und sind nicht irgendwie bedenklich wie viele vor Beginn dieser steirischen Literatur-Zeitrechnung. Mit dem Kulturzentrum bei den Minoriten oder der Akademie Graz sind weitere qualifizierte Player auf den Plan getreten (dafür geriet das Forum in den Hintergrund, wie überhaupt). Auch die Universitätsgermanistik scheint froh zu sein, dass das Franz Nabl Institut für Literaturforschung quasi extern agiert und in Verbindung mit dem offenen Literaturhaus unter ihresgleichen nicht als akademisch empfunden wird. Alles wie es war und doch zu wenig Strahlkraft? Vielleicht doch nicht. Die fast zweihundert beim Fest für Gerhard Melzer konnten einen Widerschein des verblichenen Rufs empfinden. Marlene Streeruwitz, die letzte, Alfred Kolleritsch und Barbara Frischmuth, zwei vorherige Peter-Rosegger-Literaturpreisträger, waren da, Erika Pluhar saß angenehm uneitel in der letzten Ecke des Saals. War doch wie seinerzeit, oder? Noch etwas hat sich nicht geändert: So wie seinerzeit Hanns Koren und sein Nachfolger ganz genau wussten, was diese steirische Kunstszene wert ist, eine Etage über ihnen ist davon nur eine blasse Ahnung angekommen. Zu befürchten ist, dass sich der Stadtrechnungshof deutlich mehr mit dem Super-Zwilling Literaturhaus Graz & Franz Nabl Institut beschäftigte als die Regierungsspitzen und ihre Gehirnprothesen. Das lässt zumindest das protokollarische Offizium erkennen. Als das Nabl-Institutsteam für den 60. Geburtstag seines Chefs Univ.-Prof. Dr. Gerhard Melzer wegen einer offiziellen Feier des Landes mit Weißem Saal oder Alter Universität sondierte, kam der für Eingeweihte nicht unerwartete Bescheid: Da werden zu viele Universitätsprofessoren 60 Jahre alt. … Es lebe der Unterschied: wenn schon das Protokollreferat des Landes seinen Ordensvorrat und das Feierflächen-Management mit den quantitativen Veränderungen der Alterspyramide in Einklang bringen muss, die Kulturreferate des Landes und der Stadt wussten, was dieser Hotspot in der Elisabethstraße über ihre Gebietskörperschaften hinaus versprüht. Literaturhauptstadt seit 40 Jahren und Kulturhauptstadt seit 2003, das sollte durchaus Chefsache sein. Aber nicht als Ressortleiter (das haben Krainer oder Schachner und Klima oder Schüssel/Morak nicht plausibel gemacht), sondern an den außergewöhnlichen Eckpunkten haben Kanzler, Landeshauptleute oder Bürgermeister zu zeigen, dass Kulturland (muss nicht gleich -Nation sein) keine Phrase ist. Die nächste Gelegenheit wurde schon angedeutet: heuer werden die „manuskripte“ fünfzig Jahre jung!
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