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Valentin Ruhry – Am Puls der Steckdose
Mittwoch, 17. Februar 2010
Es ist das Wesen der immateriellen Kraft des Stromes, dass sie sich erst über Apparaturen zu sichtbaren Licht- oder Bewegungsformen zwingen lässt. Wer diese Geräte beherrscht, sie zu bauen im Stande ist, wird für den Uneingeweihten zum Zauberer.

Wie große Spielzeuge muten die Objekte Valentin Ruhrys an, wenn auch die Ästhetik keine bunte, zusammengewürfelte ist, so ist doch das Moment der Freude am Bauen und Konstruieren spürbar. Den gängigen Elektro-Experimentierkasten hat er dabei um blanke Alltagsgegenstände erweitert. Und im Formalen werden strenge Kriterien eingehalten und keine Unbestimmtheiten zugelassen, wird jedes Kabel als Gestaltungselement präzise gesetzt, die Oberfläche perfekt verarbeitet. Keine losen Drähte, die ohne Bestimmung wuchern, werden in diesem minimalistischen Konstruktionsschema geduldet. Denn Valentin Ruhrys Basteleien sind Kunstwerke, ihre Äußerlichkeiten so angelegt, dass sie jene Kühle und Distanziertheit transportieren, die angebracht ist. Die Pointe liegt unter diesen Oberflächlichkeiten, erschließt sich erst über genaueres Hinsehen. Oder den Titel, der das Spiel um eine andere, eine abstrahierte Ebene erweitert.

Der Raum dazwischen. Ruhrys frühe Werke waren vom „klassischen“ Medieneinsatz
bestimmt, fast obligatorisch wurden Videos und Projektionen zu Rauminstallationen komponiert – ganz in der
Abhängigkeit der technischen Geräte gefangen. Es war letztlich jener Raum zwischen Projektor und Projektion, der immer wichtiger wurde. Heute sieht er sich als Künstler anderswo. Als einer, der die Technik zwar nicht negiert, sie aber nach seinen Vorstellungen zu konstruieren versucht.

Der Begriff „Steckdosenkunst“ straft ja gemeinhin jene Arbeiten, die nur bei ausreichender Elektrifizierung funktionieren und mit deren Ausfall auch das Kunstwerk in seiner Existenz bedroht ist. Valentin Ruhry geht hier einen wichtigen Schritt zurück. In Richtung Low-Fi.  Und nimmt den Begriff für einige seiner Arbeiten sehr wörtlich: Die „Pulsierende Lichtzeile“ zeigt Steckdosenleisten in
einer langen Reihe miteinander verknüpft. Ihre roten Leuchten dürfen über einen eingebauten Dimmer im Gleichtakt pulsieren, während die „Emanzipierte Steckdosenleiste“ (gemeinsam mit Daniel Hafner) es sogar schafft, sich vom Verteilerkreis zu entkoppeln und dennoch über die besagte Lampe ihre Funktionstüchtigkeit zu
demonstrieren.

Der bildhauerische Prozess unter Strom. Es sind ganz simple Bestandteile, die über sich hinauszuwachsen scheinen – nicht technische Features, sondern Strom in seiner Reinform, wie er die Distanz zu Glühbirne und Neonröhre bewältigt, wird einer Ästhetisierung durch den Künstler unterzogen: Und kann dann die Form eines „VW-Transporters“ annehmen, den Valentin Ruhry in schwarzem Kabel an die Wand zeichnet. Der bildhauerische Prozess konzentriert sich auf das Modellieren von Licht, von Leuchtmitteln und Komponenten. Sie bilden ein Herzstück, um sie herum strickt der Künstler seine Geschichte und notwendigen Zufügungen.

Oft sind es die einst futuristischen Bilder einer visionären Zukunft, die Valentin Ruhry auf die bloße ästhetische Form herunterbricht. Da wird dann ein aufgeblasener Reifenschlauch mit Glühbirne und Draht zum schwebenden „Ufo“ oder eine Holzplatte mit Neonröhre auf Rädern zum Mondbuggy – „L.R.V. (Lunar Roving Vehikle). Die Vorstellung, wie etwas zu sein hat, was letztlich Grund- oder Mindestbestandteile sind, spielt hier eine große Rolle. Demnach muss ein Ufo erstens: schweben, zweitens: eine runde Form aufweisen und drittens: über Lichter verfügen.

Von Ready Mades, Bastler-ideen … Oft ist es auch der Gegenstand, der vorher da war. Der gefunden wurde und auf den Künstler wartet, um mit den richtigen Zutaten versehen und vom Ding zum Werk emporgehoben zu werden. „Ziehen (Pull)“ war zuerst eine alte Tür. Das Ergebnis ungewiss. Ganz im Gegensatz zum Lunar Roving Vehicle – wo der Künstler mit fixer Idee den Baumarkt stürmt, um die genauen Bestandteile seiner Phantasie zusammenzusuchen. Günther Holler-Schuster grenzt in seinem Katalogtext die Polarität zwischen Bastler und Ingenieur mit Hilfe von Claude Lévi-Strauss ein: „Für den Ingenieur gibt es nur Rohstoffe, die beliebig einsetzbar sind, und Störfaktoren, die auszuschalten sind. Der Bastler verwendet auch Abfälle (auch gedankliche) und Bruchstücke – sozusagen Zeugen der Geschichte des Individuums bzw. der Gesellschaft.“

… und übergeordneten Inhalten. In seiner Abschlussarbeit an der Universität für angewandte Kunst in Wien werden die beiden für ihn primären Inhalte seiner Objekte einander gegenübergestellt: Natur und Technik.  Zum Beispiel, wenn die schwarzen Schattenrissvögel im Fensterensemble ein Eindringen der Natur in den Innenraum verhindern, das Fenster aber im Inneren nicht über natürlichen Schatten, sondern als ausgefeiltes Neonröhren-Lichtspiel an die Wand gebracht wird, das diese Vögel als Schemen einfach übernimmt. Auch die Arbeit „Demut“ spielt auf diese Beziehung an.

Auf die Pauke schlagen.
Eine Ausnahme, die Strom nicht in Licht, sondern in Bewegung und Zeit auftrennt, ist „23:40“, jene Snare Drum, die elektrisch gesteuert nur einmal am Tag wie von Geisterhand geschlagen wird. Präzise zur Uhrzeit im Titel. Ein böses Spiel mit dem auf die Folter gespannten Betrachter, das gleichzeitig die Öffnungszeiten der meisten Galerien sprengt und damit unbeobachtet, ungehört vonstatten gehen muss.
„Boje“ dagegen ist ein statischer, weißer Museumssockel. Aber er steht nicht allein – Valentin Ruhry  hat ihm einen simplen Rollwagen übergestülpt. Die beiden behindern sich, indem sie das Gegenteil wollen, werden vom jeweils anderen bloßgestellt. Markieren das wechselseitige Versagen. Während der Titel als Entschärfung fungiert, belegt die Boje doch einen genauen Ort und bleibt dabei gleichzeitig in steter Bewegung.

Valentin Ruhry schätzt die Ausstrahlung dieser Alltagsgegenstände. Die klare Bedeutung ihrer Funktion, die sich in der einfachen Kombination umdichten lässt. Es ist ein euphorisches Arbeiten – wenn sich über simple Eingriffe und Wortspiele plötzlich viele Ebenen aufspannen – das ein euphorisches Betrachten nach sich zieht, wenn man den präzisen Spuren des Künstlers folgend den Sinnzusammenhang enträtselt.

www.ruhry.at

| Eva Pichler

 

VALENTIN RUHRY ...
...wurde 1982 in Graz geboren; 1996-2001 Audio-Visuelle Mediengestaltung/HTL Ortweinschule Graz; 2002-2005 Klasse für medienübergreifende Kunst, Prof. Bernhard Leitner, Universität für angewandte Kunst, Wien; 2004 Royal School of Art and Design, Oslo, Norwegen; 2005-2008 Klasse für Multimedia und Plastik, Prof. Erwin Wurm, Universität für angewandte Kunst, Wien; seit September 2006 Lehrbeauftragter an der HTBLA Ortweinschule Graz/Medienkunst; 2007 Atelierstipendium des Landes Steiermark; 2008 Ankauf des BKA. Ausstellungen (Auswahl):  2009 Welcome little Istanbul, Kunstraum Next Andrä, Graz; 2009 TOKIO MOSKAU WIEN NEW YORK BERLIN, Galerie Vujasin, Wien; 2009 Curated by_vienna 2009, Christine König Galerie, Wien; 2009 Shame, Neue Galerie, Graz; 2009 Mira hat ein Handy und zwei Flügel, Galerie 5020, Salzburg; 2008 Vögel, Die Angewandte, Wien; 2008 AUS EIN ANDER, Rondo, Graz; 2008 Project(or), Rotterdam, Niederlande; 2007 Working the City, Press to Exit Project Space, Skopje, Mazedonien; 2007 Peep Ateliers, Forum Stadtpark, Graz;  2007 Burn Baby, Burn! Kunstverein Ettlingen, Deutschland; 2007 Wettbewerbsausstellung Landeskunstpreis Steiermark 2006, Neue Galerie, Graz; 2006 Empfehlungen, Kunstraum NOE, Wien; 2006 SOHO in Ottakring, Wien; 2006 Performativity goes Business, Anorak, Wien; 2006 Transformer, Fluc, Wien; lebt und arbeitet in Wien.
 

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