Wie hoch Ihr Gehalt oder Lohn ist, ist wichtig. Wie viel Sie verdienen, beeinflusst Ihren Lebensstil, wo Sie sich’s leisten können zu wohnen, Ihre Sehnsüchte und Ihren Status. Aber in welchem Ausmaß entspricht das, was wir bezahlt bekommen, dem „Wert“ unserer Tätigkeit?
Welche Auswirkung hat unsere Arbeit auf den Rest der Gesellschaft, und entspricht dem die finanzielle Belohnung, die wir bekommen? Tragen die, die mehr bekommen, mehr zur Gesellschaft bei? „Wenn wir an die Boni denken, die heuer zu Weihnachten von den vom Staat geretteten Banken ausbezahlt wurden, dann ist es an der Zeit, solche herausfordernden Fragen zu stellen“, schreiben die Autoren der Untersuchung „A Bit Rich: Calculating the real value to society of different professions“, die von der britischen „new economics foundation“ herausgegeben wurde und den Weg auf die Bildschirme des KORSO gefunden hat.
Die Verfasser der Studie haben sechs Berufe daraufhin untersucht, was sie verdienen und was ihr Netto-Nutzen für die menschliche Gesellschaft ist – angefangen von einem Investment-Banker der Londoner City über eine Kindergartenpädagogin, einen Manager in der Werbeindustrie, eine Reinigungskraft im Krankenhaus und einen Steuerberater bis zu einem Arbeiter in einem Recyclinghof.
Der Banker: Ein Pfund verdient – sieben zerstört. Wie berechnen die Studienautoren den aktuellen gesellschaftlichen Wert der Arbeit eines Bankers, der um die 500.000 britische Pfund – ca. 575.000 Euro – jährlich verdient ? Auf der Habenseite verbuchen sie den Anteil der „City“, also der hauptsächlich in London beheimateten Investmentbanken, zur gesamten Wertschöpfung des Landes; weiters die Steuern,die von den Banken bezahlt werden, und die Arbeitsplätze. Auf der Verlustseite schlägt der Rückgang des Bruttoinlandsproduktes durch die Krise zu Buche – und die Verringerung der Steuereinnahmen des Fiskus. Diese zugegebenermaßen unkonventionelle Berechnungsweise ergibt: In der aktuellen Krise hat der Banker für jedes Pfund, das er verdient hat, ganze sieben an Wert zerstört. Die Kindergärtnerin: Ein Pfund verdient – und sieben weitere an Mehrwert geschaffen. Umgekehrt liegt der Fall der Kindergartenpädagogin: In Großbritannien verdient sie netto maximal 15.000 Euro jährlich (das Bruttoeinkommen dieser Berufsgruppe lag in der Steiermark 2007 bei 1518,-- Euro monatlich, das dürfte ein ähnliches Nettoeinkommen ergeben). Auf der Habenseite steht da zunächst das Einkommen, das die Eltern des betreuten Kindes während der Zeitspanne erzielen können, die es im Kindergarten verbringt. Dazu könnte man, meinen die Autoren, weitere Benefits wie die höhere wirtschaftliche Produktivität aufgrund der Zunahme der Zahl der gesamten Arbeitskräfte, höhere Steuereinnahmen und geringeren Bedarf an Sozialleistungen addieren – darauf verzichten sie in ihrer Rechnung aber. Berechnet man allein die Einkommen der Eltern der betreuten Kinder – und zieht davon Infrastrukturleistungen durch den Kindergartenerhalter ab – so ergibt sich wie beim Banker ein Verhältnis von eins zu sieben, allerdings zu Gunsten der Gesellschaft: Für jedes Pfund, das die Kindergartenpädagogin verdient, schafft sie weitere sieben an gesellschaftlichem Mehrwert. Und das sei, so die „new economics foundation“, eine äußerst konservative Berechnungsweise. Schließlich erspare eine gute Kinderbetreuung der Gesellschaft einiges an Folgekosten für gesellschaftliche Reparaturprogramme, und zudem ist, wie auch in österreichischen Studien nachgewiesen wird – etwa in den einschlägigen Kapiteln des Nationalen Bildungsberichtes 2009 –, eine gute frühkindliche Förderung extrem wichtig für die Kompensation sozialer Defizite und damit für den weiteren Bildungsweg, der sich wiederum auf die spätere berufliche Karriere und das damit erzielbare Einkommen auswirkt. All dies wurde aber nicht mit eingerechnet. Die StudienautorInnen schließen hier noch eine weitere interessante Berechnung an: Die gesellschaftliche Return on Investment pro Kindergartenpädagogin könnte sich durch die Einführung einer flächendeckenden universellen Kinderbetreuung noch verbessern – auf 9,4 Pfund pro Pfund Gehalt.
Werbe-Gurus: Mehr gesellschaftlicher Schaden als Nutzen? Eine weniger positive Sozial-Bilanz orten die „nef“-Leute bei einem jener Berufe, die erst in den neoliberalen Jahrzehnten so richtig zu florieren begann, in einer Phase, als die Unternehmen einen erbitterten Kampf um jedes Zehntel-Promille an Marktanteil aufnahmen – den Managern der Werbebranche. Im Mittelpunkt steht dabei die Rolle, welche die Werbeindustrie bei der Ausweitung des Konsums spielt. Ausgegangen wurde dabei vom „Minimum Income Standard“ (MIS) der renommierten Joseph Rowntree Foundation, einer privaten Stiftung zur Weiterentwicklung von Sozialpolitik. Dieses Minimum liegt für einen Einpersonenhaushalt derzeit bei 885,-- Pfund im Monat, das sind 1013,-- Euro, deutlich mehr als die österreichische Armutsgrenze von 912,-- Euro. Der MIS inkludiert Ausgaben, die nötig sind, „um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben“. Der über diesem Minimum liegende Anteil wird in der Untersuchung zu einem Teil als durch die Werbung verursacht betrachtet. Fairerweise nahm man dabei jene Anteile an, die von den Agenturen selbst behauptet werden, das sind im Schnitt ca. 17%. Dies ergab 30 Milliarden Pfund an durch Werbung verursachten überflüssigen Konsum. Aus diesen Ausgaben wurden dann die durch die überflüssige Produktion und Distribution entstehenden Umweltkosten errechnet, vor allem in Bezug auf den zusätzlichen CO2-Ausstoß. Dies ergab allein Klimakosten in der Höhe von 5,2 Mrd. Pfund. Mit einer wesentlich höheren Summe schlägt ein anderer Faktor zu Buche: Der ökologische Fußabdruck einer Industrienation wie Großbritannien ist dreimal so groß wie das Bruttosozialprodukt – das heißt, das Land konsumiert dreimal so viel wie der Planet aus eigener Kraft kompensieren könnte. Bricht man dies auf den durch Werbung verursachten Anteil an überflüssigem Konsum herunter, so kommt man auf weitere 85 Mrd. Pfund Schaden. Weitere Faktoren, die berücksichtigt werden, sind z.B. die Kosten für medizinische Behandlung von Übergewicht und die private Verschuldung. Auf der Habenseite wurden die Gehälter der in der Werbeindustrie Beschäftigten, die Steuereinnahmen des Fiskus aus diesem Wirtschaftssektor und die Einkommen verbucht, die auf den durch Werbung verursachten Anteil überflüssigen Konsums entfallen. Unter dem Strich bleibt das Ergebnis dennoch niederschmetternd – für jedes Pfund Gehalt des Werbefritzen richtet er, folgt man der Logik der Autoren, 11,50 Pfund gesellschaftlichen Schaden an.
Die Putzfrau rettet Leben. Wesentlich nützlicher ist da eine Krankenhaus-Reiningungskraft. Bei der Berechnung ihres sozialen Nutzens stützen sich die „nef“-Leute darauf, dass durch ihre Arbeit Leben gerettet werden, weil sie, wenn sie ihren Job gut macht, Menschen vor den üblen Folgen einer nosokomialen Infektion bewahrt – und der Preis eines Menschen ist in einer Welt, die alles in Ware setzt, inzwischen ja auch kein Geheimnis mehr. Er liegt bei ca. 63.000 Pfund. So verdient eine Krankenhaus-Putzfrau zwar nur 6,26 Pfund in der Stunde, schafft aber für ein Pfund Lohn 2,30 Pfund an Wert, wenn man annimmt, dass sie etwas weniger als einen Patienten pro Jahr vor dem Infektionstod bewahrt.
Lohnunterschiede im derzeitigen Ausmaß sind nicht zu rechtfertigen. Der Ehrlichkeit halber sei zugegeben: Die in „Calculating the real value to society of different professions“ an den Tag gelegte Sichtweise ist sehr unkonventionell und wird von Ökonomen nicht in allen Einzelheiten geteilt. Für Marcel Kirisits von der volkswirtschaftlichen Abteilung der Arbeiterkammer Steiermark ist die Betrachtungsweise aber „insofern legitim, als sie zeigt, wie wertvoll manche gern unterschätzte Berufe sind.“ Umgekehrt könne man aber etwa einem Werber oder einem Steuerberater – dessen soziale Nettobilanz in der Studie besonders negativ ausfällt, weil er mithilft, dem Gemeinwesen Einnahmen zu entziehen – nicht einfach unterstellen, „schädliche Arbeit“ zu tun. „Die verstoßen ja nicht gegen Gesetze – wenn der Souverän zur Ansicht kommt, dass eine bestimmte Tätigkeit gesellschaftlich nicht toleriert werden kann, müsste er sie verbieten.“ Auch a.o. Prof. Gerhard Wohlfahrt vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Uni Graz meint, dass der Zugang der Briten „zwar interessant, aber nicht mit der Logik eines Ökonomen abbildbar“ sei. Ihr Verdienst sei aber, darauf hinzuweisen, „dass Lohnunterschiede im derzeitigen Ausmaß keinesfalls durch unterschiedliche Ausbildung und Verantwortung zu rechtfertigen sind. Wir leben ja in einer extrem arbeitsteiligen Gesellschaft – und die kann nur dann funktionieren, wen alle darin Tätigen ihre Arbeit möglichst gut machen. Daraus ergibt sich aber auch, dass eine genaue Zuordnung der Leistung gar nicht möglich ist – das würde eher eine Annäherung der Löhne als ein immer stärkeres Auseinanderdriften begründen.“ Die extrem hohen Gagen von Managern seien überhaupt nicht mehr durch Marktmechanismen erklärbar, sagt auch Kirisits: „Hier hat eine Art Kartellbildung stattgefunden, abgesichert durch soziale Phänomene der Elitenbildung – in den ATX-Unternehmen sitzt z.B. der Vorstand des einen Unternehmens im Aufsichtsrat des anderen. Die Höhe der Verträge, die auf diese Weise erzielt werden, hat wenig mit Leistung zu tun.“
|Christian Stenner
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