Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Rezensionen
Freitag, 18. Dezember 2009
Martin Balluch: Widerstand in der Demokratie / 10 Jahre UNESCO Welterbe Graz / Erzherzog Johann von Österreich: Ein Land, wo ich viel gesehen / Oswald Oberhuber: Wie Kunst entsteht / Fresner, Bürki, Sittel: Ressourceneffizienz in der Produktion / Lichtungen 120/XXX / Mike Makart: Calcata / Günter Eichberger, G-Punkt des Universums / Ingrid Rössl: Der kleinste Stern / Andrea & Mike Markart: Die Kürbismaus im Kürbishaus / Andreas Praßl, Judith Weinzödl: Windhauch

 

Sach- und Fachbücher


Ziviler Ungehorsam

Martin Balluch: Widerstand in der Demokratie. Ziviler Ungehorsam und konfrontative Kampagnen. Wien: Promedia 2009, 160 Seiten, 9,90 Euro
Im vorliegenden Buch skizziert Martin Balluch Beweggründe und Aktionsformen zivilen Ungehorsams im Rahmen konfrontativer Kampagnen. Im Rückspiegel der Geschichte wird deutlich: Außerparlamentarische Protestformen gehören zum Wesen einer lebendigen Demokratie. Von den Protesten der Schwarzen gegen die Rassengesetze in den USA unter Anleitung des späteren Friedensnobelpreisträgers Martin Luther King über Frauen- und Friedensbewegungen bis hin zu den Umweltschutzgruppen reichen die außerparlamentarischen Aktionsformen der vergangenen 50 Jahre. Seit kurzem versuchen staatliche Organe allerdings, diese Formen des Widerstandes zu kriminalisieren. In Österreich wird dafür der § 278 ff verwendet. Antiterror- und Antimafia-Gesetze zielen damit erstmals auf politische Aktivisten und Aktivistinnen außerparlamentarischer oppositioneller Arbeit. Dabei besonders im Visier: die österreichische Tierschutzbewegung. \ pm

Das schwere Erbe der Weltkultur

10 Jahre UNESCO Welterbe Graz, 10 Years UNESCO World Heritage, Graz: Leykam, 160 Seiten, 24,90 Euro
Seit zehn Jahren trägt die historische Grazer Altstadt die Auszeichnung „UNESCO Welterbe“. Aus diesem Anlass wurde von der Stadtbausdirektion Graz nun ein prächtiger Bildband herausgegeben, um Bilanz zu ziehen und „hinter die Kulissen zu blicken“. Mit Stolz wird auf das reiche architektonische Erbe der Stadt verwiesen sowie beispielhaft auf Projekte mit gelungener Integration von modernen Gebäuden, wie etwa das Kunsthaus oder das Altstadtensemble.
Auch eine schützenswerte Innenstadtlage muss sich lebendig entwickeln können, lautet das Credo der Stadtplaner, und das scheint in vielen Fällen, wie bei der Nutzung des Schlossbergs mit Felsendom sowie den Restaurants in der Nähe des Uhrturms akzeptabel umgesetzt worden zu sein. Daneben gibt es auch weniger feinsinnige Lösungen zu bewundern, wie Eisengeländer und Betonschwellen, die zum freigelegten Gotischen Tor hinführen. Wenig die Rede ist im Buch von den „Opfern“ innerstädtischer Bodenspekulation, der die sinnlose Zerstörung des „Kommodhauses“ geschuldet ist, oder die drohende Verbauung des ehemaligen Pfauenparks mit einem mehrstöckigen Hotelblock, der in der Vorstellung mancher wohl eine Vision der ehemaligen Festungsanlagen reflektieren soll. Es bleibt zu hoffen, dass trotz aller Begehrlichkeiten vonseiten gesichtsloser „Investoren“ der Schutz des kulturellen Erbes in der Stadt Graz in Zukunft zweifelsfreien Vorrang hat. | js

Zeitzeuge der industriellen Revolution

Erzherzog Johann von Österreich: Ein Land, wo ich viel gesehen. Aus dem Tagebuch der England-Reise 1815/16. Hrsg. Von Alfred Ableitinger u. Meinhard Brunner. Graz: Leykam 2009, 520 Seiten 39 Euro
Das laufende Erzherzog Johann-Gedenkjahr ist ein passender Anlass, die seit geraumer Zeit laufende Edition seiner Reisetagebücher endlich zum krönenden Abschluss zu bringen und damit einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen. Seit vielen Jahren haben verschiedene Mitarbeiter der Historischen Landeskommission (HLK) Steiermark die teilweise kniffligen Handschriften entziffert, die bei Kriegsende 1945 nur mit viel Glück der Zerstörung entgingen. Herausgekommen ist ein hochwertig gestalteter Band mit zahlreichen zeitgenössischen Farblithographien und Stichen, die den Text der Reisebeschreibungen mit Landschaften und Porträts illustrieren. Der Inhalt beschränkt sich auf den Aufenthalt des Erzherzogs in Großbritannien, die übrigen Reiseabschnitte durch Holland und Deutschland etc. werden hoffentlich in späteren Bänden nachgereicht.
Ein umfangreicher Einleitungsapparat gibt detailliert Auskunft über Leben und Reisen des „Steirischen Prinzen“; in einem eigenen Abschnitt werden die Editionsprinzipien erläutert. Dass sich die Textauswahl, die rund ein Drittel der ursprünglichen Tagebucheintragungen weglässt, vor allem an „möglichst guter Lesbarkeit“ orientiert, erscheint verständlich, schränkt aber den Wert der Edition als Quelle stark ein. Die zahlreichen Auslassungen erschweren es dem Historiker leider, den Text als Grundlage für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der frühen Industrialisierung in Europa heranzuziehen. Hier sollte man von Seiten der Herausgeber zumindest eine Online-Verfügbarkeit der fehlenden Passagen andenken. \ js

Wie Kunst entsteht

Oswald Oberhuber Wie Kunst entsteht. Eine Kunstgeschichte im Gespräch mit Ursula Riederer. Wien: Metroverlag 2009, 318 Seiten, 25 Euro
Das letzte Mal hat vor fünfzig Jahren das von Lothar-Günther Buchheim herausgegebene, einbändige „Knaurs Lexikon Moderner Kunst“ ein derartiges Vergnügen bereitet. Ging es damals um eine erste Aneignung der in der Steiermark noch nicht ganz angekommenen Moderne, führt „Oswald Oberhuber. Wie Kunst entsteht“. Eine Kunstgeschichte im Gespräch mit Ursula Riederer“ auf lustvolle und vergleichbar grundsätzliche Weise den damals gestarteten Aneignungsprozess weiter. Oberhuber, 1972 österreichischer Vertreter bei der Biennale in Venedig und erst Professor, später Rektor an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, weiß praktisch und theoretisch wie weit (oder kurz) die Raster der Kunststile greifen. Im Mittelpunkt seiner bei aller stupenden Sachkenntnis leidenschaftlichen Einlassungen stehen die Ersten, die „Kunsterfinder und -erfindungen“ und die Gründe, warum oft erst die später Gekommenen Erfolg hatten. Die Kunsthistorikerin Ursula Riederer feuert dabei den Meister mit knappen Zwischenrufen und Fragen an, wobei ihre grundsolide kunstwissenschaftliche Basis sie niemals als bloße Stichwortgeberin erscheinen lässt. Entstanden ist auf diese Weise ein temperamentvoller, kämpferischer Dialog, in dem die großen Namen und grundlegenden Begriffe eines Jahrhunderts Kunstgeschichte neu und überraschend positioniert werden. Schönes, mit Zeichnungen von Oswald Oberhuber ausgestattetes Buch; tolles Weihnachtsgeschenk | wh

Sauber produzieren, Geld sparen

Johannes Fresner, Thomas Bürki, Henning H. Sittel: Ressourceneffizienz in der Produktion. Kosten senken durch Cleaner Production. Düsseldorf: Symposion 2009, 268 Seiten, 44 Euro
„Cleaner Production“ ist ein Begriff, der keineswegs nur in der Öko-Szene Fans hat: Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann der sparsame Einsatz von Ressourcen – Rohstoffen und Energie – oder die Implementierung ressourcenschonender Verfahren nämlich einen gewaltigen Kostenvorteil bedeuten. Der Grazer Verfahrenstechniker und Geschäftsführer der STENUM GmbH, Dr. Johannes Fresner, hat mit seinen Co-Autoren Dr. Thomas Bürki und Henning H. Sittel (auch sie kommen aus dem Bereich des technischen Umweltschutzes) nun ein Vademecum zum effizienten Einsatz von Ressourcen in der Produktion herausgebracht. Fresner geht dabei von der gesellschaftlich begründeten Forderung nach einer nachhaltigen Wirtschaftsweise aus; das Buch wartet mit einer Fülle an Best-Practice-Beispielen aus verschiedensten Wirtschaftssektoren auf, von der Optimierung von Kesselanlagen bis zur Verminderung des Frischwassereinsatzes in der Klebstoffindustrie. Dabei geht es aber nicht nur um die eingesetzte Technik, sondern auch um die Organisation des Umstellungsprozesses – von der Identifikation von Einsparungsmöglichkeiten über die Zusammenstellung entsprechender Teams bis zur Implementierung eines umfassenden Umweltmanagements. Auch wenn es sich vorrangig an Personen wendet, die in der Produktion Verantwortung tragen – vom Geschäftsführer im Klein- bis zum Umweltverantwortlichen im Großbetrieb – ist es auch für den interessierten Laien von Interesse, weil es nachweist, dass ökologisches Denken sich letztendlich auf der materiellen Ebene auch im Produktionsprozess niederschlagen muss und dort auch – ein nicht zu unterschätzender Kollateralnutzen – kostensenkend wirken kann. | cs


Belletristik


Morbider Charme mit Kernöl

Lichtungen 120/XXX. Jg./2009, 180 Seiten, 6 Euro
„Ferne und Nähe“ ist das Thema der Jubiläumsausgabe (30 Jahre Lichtungen), in der ein breites Feld von isländischer bis zu steirischer Literatur gespannt wird. Bei der Lektüre der  isländischen Beiträge wird man von einem seltsamen Rausch erfasst, so fremd und anders, furchtbar und doch schön erscheinen die Texte, es zieht einen quasi in den Sog dieser zerstörerischen Prosa und Poesie. Thórdís  Björnsdottírs Gedichte schaffen eine mystische, teilweise beunruhigende und bedrohliche Atmosphäre, Steinar Bragi verstört mit „Der Klöppel“,  auf den ersten Blick eine Kriminalgeschichte, auf den zweiten eine des Wahnsinns, des Unerklärlichen, rund um Zwitterwesen, Tote und seltsame  Epidemien, und verzückt mit dem Märchen „Die Kristallgiraffe“, das eine eigenartige Atmosphäre schafft rund um ein isländisches Mädchen, das Diamanten scheißt und durch ein großes Abenteuer seine Lebenslust wiedererlangt. Wilhelm Hengstler schafft einen Bogen von Peru über Island nach Österreich und Birgit Pölzl reflektiert Eindrücke aus Kathmandu. Clemens J. Setz „Auslese“ erzählt von Riesenweintrauben, die zu fremdartige Wesen heranwachsen und entweder in der Sonne den Vertrocknungstod sterben oder von ihrem Besitzer als Haustier in der Badewanne gehalten werden.
International kurzweilig. | yb

Fantastische und andere Orte

Mike Makart: Calcata. Roman. Braumüller 2009, 180 Seiten, 19,90 Euro
Seltsame Dinge tun sich in Calcata, im römischen Hinterland: Der Protagonist findet dort ein Heft, die Aufzeichnungen eines Emilio Persichetti, beginnend in den frühen siebziger Jahren, der zum ersten Mal in seinem Leben seinen Heimatort Calacata verlassen hatte, um an einem ihm unbekannten Ort zu erwachen. Die Menschen in der Bar, die er betritt, nehmen ihn, Persichetti, nicht wahr, dafür versuchen sie sich vor einem prasselnden Regen zu schützen, während für Persichetti eine glühende Sonne am klaren Firmament steht. Und während der Ich-Erzähler beschließt, nach Calcata zu ziehen, verfolgt er in den Niederschriften Persichettis dessen Besuche in weiteren, unwahrscheinlichen Orten: Wie etwa in Cente, wo gleich viele Bettler wie Einwohner lebten – bis das fragile Gleichgewicht durch einen Unglücksfall kippte. Oder Colutto, dem wie ein Spiegelbild eine Totenstadt gegenüber liegt. Oder Pallarossa, das eines Tages aus dem Stein erblühte.
Währenddessen randalieren in Rom Neonazis, und aus dem Keller des eben bezogenen Hauses in Calcata stolpern Flüchtlinge, die eine tausende Kilometer weite Irrfahrt hinter sich haben … Mike Markarts verwebt Figuren aus dem kollektiven Unterbewussten mit einer Tagesrealität, die immer mehr die Züge einer negativen Utopie annimmt, und wen wundert es, dass die fantastischen Orte sich immer mehr jenen annähern, die vorgeben, die Realität darzustellen?  \ cs

Lustvolles Graz

Günter Eichberger, G-Punkt des Universums. Aus der Stadtchronik eines Flaneurs. Graz: edition keiper 2009, 230 Seiten , 17, 60 Euro
Die wahrhaft bemerkenswerte „edition keiper“ hat rechtzeitig zu Weihnachten das neue Buch „G-Punkt des Universums“des Stadtflaneurs Günter Eichberger herausgebracht, eine Auswahl der besten Glossen, die der Großmeister der kleinen Form in den Jahren 2003 bis 2009 in der Kleinen Zeitung veröffentlichte. Mit dem G-Punkt ist natürlich kein sensibler Bereich im All gemeint, der vom Sprachwitz gekitzelt ein Orgasmusbeben in der Milchstraße verursacht. G-Punkt zielt einfach auf das gute, alte Graz mit Lorenz und Nagl als „main-player“ im Kulturhauptstadtjahr oder auf dem trinkerbefreiten Hauptplatz. Eichberger befördert die 2003 kurz in der globalen Event-Anonymität versunkene Stadt wieder in das Epizentrum universaler Heiterkeit: Lachen, Lächeln, Schmunzeln, Kichern, Glucksen …Wobei die kurzen Texte den seltsamen Anlässen zum Trotz häufig vom Philosophischen ihren Ausgang nehmen, um auf dem Umweg über steirische Geheimriten in Grundsätzlichem zu münden. Der „G-Punkt“ eignet sich auch als Lexikon, findet der Leser doch in jeder Glosse das zum jeweiligen Thema gehörende Wortmaterial auf vertrackte Weise hinsichtlich seines wahren bzw. alternativen Sinngehaltes ausgetestet. Was die stets spannende Frage aufwirft, ob Graz diese absurd-anarchischen Analysen provoziert hat, oder die Stadt, im Gegenteil, die etwas langweiligere Materialisierung von Eichbergers ingeniösen Glossen ist. \ wh


Kinderbuch


Ein doppeltes Weihnachtsmärchen

Ingrid Rössl: Der kleinste Stern. Geschichten zur Weihnachtszeit. Eigenverlag Ingrid Rössl 2009, 72 Seiten, 12,90 Euro
Advent und Weihnachten – Zeit des Schenkens, Zeit des Erzählens und Lesens. Genau diese Zeit hat die Autorin eingefangen und gibt sie in stimmungsvoller Weise wieder und lässt ebensolche Bilder entstehen. Wahre und märchenhafte Begebenheiten, auch aus anderen Kulturkreisen, ergeben aneinandergereiht eine Sammlung von 27 kleinen Weihnachtsgeschichten, die zum Schmunzeln, zum Weiterdenken, Vorlesen und Weitererzählen animieren. Nussknacker, Weihnachtsraben und Schaukelpferde  tummeln sich in den Geschichten, Winterlandschaften, Krippen und Weihnachtsbäume tauchen auf, Kekse verbreiten weihnachtlichen Duft und der Aufstand der Nikoläuse zeigt, dass auch Nikoläuse nicht ausgebeutet werden wollen. Und: Der soziale Gedanke wird beim Kauf des Buches Realität: Der Reinerlös fließt in Kooperation mit dem Odilieninstitut Graz in die Anschaffung eines Blindenführerhundes. \ dw

Applaus für die Maus

Andrea & Mike Markart: Die Kürbismaus im Kürbishaus.  edition kürbis, 60 Seiten, 18,00 Euro
Die Kürbismaus lebt von den Illustrationen von Andrea Markart zu den Texten von Mike Markart. Neun lustige Mausgeschichten haben sie fröhlich aufs Papier gereimt. Die Kürbismaus steht vor dem Problem, wie man ein Huhn namens Henriette in ein Kürbishaus hineinbringt, staunt über fliegende Untertassen auf dem Acker und hat jede Menge zu tun mit ihrem Findelkind-Ei, wenn sie nicht gerade mit ihren Freunden unterwegs ist. Oder in Rom, wo sie den Tanz der Großstadtmaus im Maul  der Colosseum-Katzen bewundert.
Nebenbei erfährt man, dass die Kürbissorte Patisson schon bei den Inkas angepflanzt wurde, und im Anhang gibt es das Erdbeertrara-Geheimrezept sowie Biografien der Kürbismaus und ihrer „Eltern“. Ein nettes Bilderbuch mit etwas holprigen Reimen \ yb


 

Musik


Ein Hauch vom Besten

Andreas Praßl, Judith Weinzödl: Windhauch
„Windhauch“, die neue CD von Andreas Praßl (Klavier, Harmonium, Komposition) und Judith Weinzödl (Violine) wird am 12. Dezember im Harmonikazentrum (Griesgasse 24, 8010 Graz) ab 19:30 Uhr mit einem Einführungsvortrag zur Geschichte des Harmoniums von Wolfram Märzendorfer präsentiert. Aber nicht nur die Musik, auch die Hülle des Tonträgers ist etwas ganz Besonderes: das handgefertigte CD-Cover aus der Manufaktur Malacatoya in Nicaragua besteht teilweise aus Bananenfasern und eignet sich auch optisch ganz hervorragend als Weihnachtsgeschenk für liebe Freunde und Freundinnen. Erhältlich ist die CD bei der Präsentation und im Harmonikazentrum. \ gm
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