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Kaum Einsparungen durch Aus­gliederung der Wirtschaftsbetriebe
Mittwoch, 18. November 2009
titelbildSchwarz-Grün will die Wirtschaftsbetriebe aus dem Magistrat ausgliedern und mit der AEVG unter dem Dach einer GmbH fusionieren. Bei genauerem Hinsehen lassen sich aber kaum Kosteneinsparungen entdecken. Was auffällt: Die Stadt zahlt offenbar seit Jahr und Tag zu viel für die Abfallentsorgung durch die SERVUS GesmbH, die zum Teil im Eigentum der Stadt, zum Teil in jenem der Fa. Saubermacher steht. 12. März 2009: In einem in den Farben der beiden Parteien gestylten Hochglanzfolder der Haus-Agentur der Grazer ÖVP präsentierten die Mitglieder der schwarz-grünen Stadtkoalition ihre Vorstellungen von einer Reform der städtischen Verwaltung und der Beteiligungen der Stadt. Es gebe zu viel „Nebeneinander“ zwischen den Magistratsstellen und den Betrieben der Graz AG, war eine der zentralen Aussagen von Bürgermeister Siegfried Nagl und Vizebürgermeisterin Lisa Rücker – etwa was die Abfallentsorgung betreffe.

Informationssperre. Die einzelnen Reformschritte und ihre Umsetzung wurden dann in unzähligen Sitzungen einer schwarz-grünen Koordinationsgruppe besprochen, welcher der Bürgermeister, Finanzstadtrat Gerhard Rüsch, die Vizebürgermeisterin und der grüne Gemeinderat und Wirtschaftswissenschafter Gerhard Wohlfahrt angehörten, dann in Expertenrunden und Arbeitskreisen. Die Opposition durfte von außen zusehen – so lang, bis es ihr zu bunt wurde und sie für 2. November die Einberufung eines Sondergemeinderates verlangte. Allerdings waren die Oppositionsparteien auch mit dem dort Gebotenen nicht wirklich zufrieden: „Es ist noch eine ganze Reihe von Fragen offen, die auch nach den heutigen Präsentationen nicht geklärt sind“, befand SP-Chef Wolfgang Riedler. Die Informationssperre war in der Tat ziemlich lückenlos: „Für den 10. oder 11. November ist eine umfassende Information für Politik und Presse vorgesehen. Bis dahin ist es nicht möglich inhaltlich sinnvolle Interviews zu machen“, beschied die Vizebürgermeisterin dem KORSO auf eine entsprechende Anfrage wenige Tage vor der Sondergemeinderatssitzung.
Was ohnehin schon immer im Raum stand, wurde nun aber klar: Einer der zentralen Reformschritte soll in der Tat die Ausgliederung der Wirtschaftsbetriebe mit ihren 700 MitarbeiterInnen in die Graz AG sein, die ihrerseits in eine GmbH umgewandelt werden soll. Die Wirtschaftsbetriebe sollen in dieser Konstruktion gemeinsam mit der AEVG in einen „Geschäftsbereich Infrastruktur“ der neuen Graz GmbH eingegliedert werden, der zudem die Bereiche Wasser, Abwasser und „Öffentliche Services“ aus den ehemaligen Magistrats- und Graz-AG-Betrieben umfasst.

Wohlfahrt steigt aus. Einen Tag nach dem Sondergemeinderat kam es zu einem von den Medien eher heruntergespielten Ereignis: Gemeinderat Gerhard Wohlfahrt, grüner Wirtschaftsexperte – er ist Assistenzprofessor am Institut für Volkswirtschaftslehre der Grazer Universität – schied auf eigenen Wunsch aus der Vierergruppe aus. Seine – offenbar im Bemühen, seiner Partei nicht zu schaden, stark verklausulierte – Begründung: Er sehe die Notwendigkeit eines Reformprozesses, stehe jedoch dem vorgeschlagenen Weg der Umsetzung skeptisch gegenüber. In einem Punkt spricht seine gegenüber der Presse abgegebene Erklärung aber Klartext: Die politische Konzentration auf den Ausgliederungsprozess sei ihm zu einseitig. Es bestehe die Gefahr, dass wichtige Einsparungspotenziale, die im Zuge der Erarbeitung der Reformprojekte entdeckt wurden, nicht genützt würden.

Ausgewiesene Synergien sind gering.
Im KORSO-Gespräch wird der Ökonom deutlicher: „Es wurden große Einsparungspotenziale mit allerdings unterschiedlichen Realisierungspotenzialen gefunden, aber nur ein Teil davon bedarf einer geänderten Organisationsform – und nur ein kleiner Teil einer Ausgliederung.“ In der Tat zeigt ein Blick auf eine der unzähligen Bewertungsunterlagen, die auf der Homepage der Stadt Graz kursieren, dass durch eine Optimierung des bestehenden Systems – also eine Ausschöpfung aller möglichen Rationalisierungsschritte innerhalb der Wirtschaftsbetriebe und der AEVG ohne deren Zusammenlegung – Einsparungsmöglichkeiten von ca. 2,5 Mio Euro jährlich zu erzielen wären. Im Fall einer Zusammenführung der AEVG und der Wirtschaftsbetriebe in einem Unternehmen wären es bloß 800.000 mehr, nämlich 3,3 Mio. Wenn man sich aber schon für eine Zusammenlegung entscheide, betont Wohlfahrt, müsse diese nicht automatisch in der Form einer Ausgliederung der Wirtschaftsbetriebe aus der Stadt erfolgen – ebenso gut könne man umgekehrt die AEVG in die Stadt eingliedern. Eine Option, die allerdings die ÖVP von Vorneherein ausgeschlossen hat.

Städtischer Betrieb oder GesmbH? Eine Eingliederung der AEVG in die Eigenbetriebe der Stadt Graz hätte aus Sicht Wohlfahrts durchaus eine Reihe von Vorteilen: Das von Schwarz-Grün gewünschte politische Durchgriffsrecht könnte ebenso realisiert werden wie in der GesmbH-Lösung, wäre aber demokratischer legitimiert, weil letztendlich der Gemeinderat die oberste Instanz wäre. Eine Lösung, die Finanzstadt Gerhard Rüsch ablehnt: „Die Trennung zwischen operativen und strategischen Entscheidungen ist bei einem eigenem Betrieb schwieriger umzusetzen“, meint Rüsch, „wir wollen ja auch bei der GesmbH die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführung auf strategische Vorgaben beschränken.“ Und: „Es soll nicht verschwiegen werden, dass wir im Bereich der GmbH andere dienstrechtliche Möglichkeiten haben, die dann aber nur für die Neueingestellten gelten“ – sprich: schlechtere Bezahlung.
Für Wohlfahrt ist auch diese Argumentation zu hinterfragen: „Zum Einen könnte der Dienstgeber – wenn er es unbedingt wollte – auch im Magistrat ein Dienstrecht beschließen, das durch Streichungen von Zuschlägen und Ähnlichem eine Kostenreduktion erzielt. Zum Zweiten halte ich es – wiederum unter der Voraussetzung, dass wirklich unbedingt gespart werden muss – für sozial verträglicher, eine Kürzung aller Gehälter um, sagen wir, 2% vorzunehmen als den neu Eingestellten gleich 10 Prozent weniger zu bezahlen.“

Höchstes Einsparungspotenzial: Nachverhandlung mit der AEVG.
Die Durchleuchtung der Grazer Abfallwirtschaft durch die ExpertInnen hat jedenfalls ein interessantes Detail zu Tage gefördert: Der größte Einzeleffekt bei den Einsparungen – immerhin ein Fünftel der gesamten erwarteten Kostenreduktion – ließe sich durch Nachverhandlungen der Entsorgungsverträge mit der AEVG bzw. der zum Teil im privaten Besitz stehenden AEVG-Tochter Servus Abfall GmbH & CO KG erzielen – ganze 650.000 Euro pro Jahr. Diese Einsparungspotenziale gibt die AEVG auch in einem Schreiben an die Gemeinderäte und die Stadtregierung selbst zu: „Zur Unterstützung der Bestrebung zur Kostenreduktion im Stadtbudget besteht die Bereitschaft der Eigentümergesellschaften im AEVG – SERVUS ABFALL PPP – Modell, zukünftig, unter Vereinbarung entsprechender Rahmenbedingungen, bisher vertraglich fixierte Gewinnaufschläge zu verändern.“
Einige der in Gespräch stehenden Einsparungen betreffen allerdings auch reale Leistungskürzungen: Die Option, dass die Müllkübel nicht mehr von den städtischen Müllentsorgern aus den Häusern geholt werden – was ohnehin nur mehr teilweise der Fall ist – schlägt mit 300.000,-- zu Buche. Realisiert werden könnte sie klarerweise nur über Personaleinsparungen.

Mehr für Manager, weniger für MitarbeiterInnen? Klar abgelehnt werden die Ausgliederungspläne von der Grazer KPÖ: „Wir wissen aus Erfahrung, vor allem aus deutschen Städten, dass die Ausgliederung die Vorstufe zu Verkäufen und Privatisierungen sein kann“, sagt KP-Stadträtin Elke Kahr. „Dort wird ja teilweise schon wieder darüber nachgedacht, ausgegliederte Betriebe wieder in öffentliches Eigentum zurückzuführen.“ Mit der Ausgliederung gehe zudem die Mitsprache bei der Führung der Betriebe, Gebührenerhöhungen und Einbrüche bei den Gehältern einher – „außer bei den Managergehältern“. Ein Graz-AG-Manager verdiene 16.000 Euro 14x jährlich, die Höchstgehälter von Beamten machten gerade die Hälfte aus. Besonders kritisiert Kahr die ebenfalls vorgesehene Ausgliederung des Grazer Kanalsystems in die neue Graz GesmbH: „Das Kanalsystem ist jetzt durch hohe Investitionen der Stadt auf einem Top-Standard, jetzt, wo endlich Gewinne gemacht werden könnten, will die Gemeinde diesen Bereich abgeben.“

Beschluss gilt als sicher – vorbehaltlich der Reaktion der Gewerkschaft. Auch wenn sich KPÖ, SPÖ, FPÖ und BZÖ geschlossen gegen das Reformprojekt stellen würden – was ohnehin als unwahrscheinlich gilt – könnte die Reform allein mit der schwarz-grünen Mehrheit im Gemeinderat beschlossen werden – nach Wunsch von Nagl und Rücker schon im nächsten Gemeinderat am 19. November. Mit 31:25 Stimmen hat die Koalition eine Mehrheit von drei MandatarInnen. Auch wenn dem Vernehmen nach eine grüne Mandatarin erklärt hat, sie werde im Gemeinderat gegen den Beschluss der eigenen Mitgliederversammlung stimmen (die sich zu 78% von den Nagl-Rückerschen Ausgliederungsplänen überzeugen ließ), bleiben noch immer zwei Stimmen Überhang; Gemeinderat Wohlfahrt hat nämlich trotz seiner Bedenken dezidiert erklärt, sich dem Beschluss der Versammlung zu beugen. Kahrs Hoffnung, „ein paar kritische Grüne könnten das Projekt vielleicht noch stoppen“, dürfte sich damit zerschlagen.
Woran die Ausgliederung allerdings noch scheitern könnte, ist der Widerstand der Gewerkschaft – weniger jener der Gemeindebediensteten, die sich bis jetzt nur sehr zögerlich zu Wort gemeldet hat, als vielmehr jener der vida-GewerkschafterInnen der Graz AG unter dem ÖGB-Landesvorsitzenden Horst Schachner. „Wir haben schon viele Reformen mitgetragen“, sagt Schachner gegenüber KORSO, „aber eine Umwandlung der bewährten Graz AG in eine GmbH ist eine Dummheit, die wir nicht unterstützen werden.“ Schachner fürchtet eine „Bürokratisierung“ des Unternehmens wegen des dann möglichen Durchgriffsrechts des Eigentümers. Und er äußert Zweifel an der Seriosität des von Schwarz-Grün erhobenen Einsparungspotenzials. Die geplante Ausgliederung der Wirtschaftsbetriebe bereite ihm „auch Sorgen“ – „der Verdacht bleibt natürlich bestehen, dass man die Betriebe aushungert, um einzusparen, dann können sie die geforderte Leistung nicht mehr erbringen und man holt Private rein, die dann die Arbeit machen.“ Wichtig sei jedenfalls, dass vida und die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten „an einem Strick ziehen – es werden keine Kampfmaßnahmen gesetzt werden, ohne dass der jeweils andere davon weiß.“


| Christian Stenner
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