Bilder eines Innenraumes, Fotos, aufgenommen aus verschiedenen Perspektiven. Einblicke. Die Dokumentation von Veränderungen, von Umbauten. Der Raum stets leer, keine Personalisierungen, keine Dinge. Auf Architekturformen reduziert. Ein Gebäude als Versuchsobjekt.
Am Modell zelebriert Marianne Lang ihre Möglichkeiten, an seiner Künstlichkeit arbeitet sie sich ab. Real und virtuell verschmelzen, die eigentlichen Funktionen der Räume werden verschoben zugunsten einer neuen, poetischeren Sicht auf die Wirklichkeitsfragmente. Das Innere wird von allen Zutaten, von Möbeln und Dekoration gereinigt, konzentriert sich auf die Formen und Ebenen und wie sie aufeinander wirken. Das Außen ist von den Spuren intensiver Bearbeitung gezeichnet, Sperrholz, Kleber und Karton, ungenau einpasste Fugen, zeugen von zahlreichen Variationen, die kompromisslos jeden vorgedachten Grundrissplan vom Tisch fegen. Bilderserien aus dem Innenraum spiegeln die Veränderungen nach außen, machen klar, dass es sich hier nicht um ein festgefahrenes Gefüge handelt, sondern vielmehr um den Zustand eines subtil schwankenden Konstrukts, das seine Teile umordnen und verschwinden lassen kann. Unsere oft nur oberflächliche Betrachtungsweise, die das Feine, das Veränderbare und Veränderliche ignoriert, oft aus Bequemlichkeit, aus Festgefahrenheit, wird damit unterlaufen.
Und doch ist ihr die Zeichnung das Wichtigste, ergibt sich die Notwendigkeit eines Modells, von Dias erst aus der Arbeit heraus. Und so entstehen sie parallel und stehen am Ende nebeneinander. Als ein Projekt, konkret von einer Rauminspiration ausgehend.
White Cube und Black Box. Der Ursprung für ihre Beschäftigung mit Raumwahrnehmungsprozessen war und ist für Marianne Lang der Ausstellungsraum selbst – oft nur vorgeblich ein perfekter White Cube, der mit allerlei Einsprengseln und seiner natürlichen Gewachsenheit zu kämpfen hat. Das Interessante für sie sind adaptierte Räume, die man für die Kunst möglichst neutral zu machen sucht, wo man Nischen und Einschnitte verbergen möchte. Die Auseinandersetzung beginnt stets mit einer Dokumentation über Fotos: Gesammelte Eindrücke von Galerieräumen für ihr wachsendes Archiv. Der Fundus und die Untersuchung betreffen aber auch Räume von privater Natur, persönliche Wohnräume sind wichtige Objekte ihrer Beschäftigung mit Raum.
„Mein Zimmer im Raum.“ In ihrer Arbeit im Grazer Stadtmuseum geht Marianne Lang von dieser alltäglichen Raumerfahrung aus, die den eigenen vier Wänden entspringt. Zum Modell verarbeitet werden die Nischen, Kammern, Fluchten und Öffnungen von ihrer Funktion losgelöst und zu neuen Zusammenhängen verarbeitet. Nur die Kamera tastet sich bis ganz ins Innerste vor, um Bilder dieser Transformationen zu liefern: Fein abgestimmte Oberflächentexturen, Übergänge und eine ausgeklügelte Lichtführung erheben das kleine Raummodell über die Optik auf die Größe eines Realraums, wie er uns aus Architekturzeitschriften geläufig ist. Clean, weiß, aufgeräumt. Die reine Form zelebrierend. Im Außen bleibt als Gegensatz die Bearbeitung, das Prozesshafte sichtbar. Hier wird nicht geglättet oder lackiert, hier regiert der Veränderungswille der Künstlerin.
Räumliche Strukturen am Zeichentisch. Im Medium der Zeichnung bilden Parkettböden, Fließen, Punkte oder Gitter die klaren Geometrien, wenn einzelne Blätter wie Facetten ein Bild ergeben und das Bauen und Schichten der Ebenen, das Komponieren der unmöglichen Räume, die sich an den Kanten selbst aufzusprengen scheinen, zum dominierenden Bildthema wird. Mit Tusche und Bleistift ergeben sich Unterschiede in Intensitäten und Mustern, Grauschattierungen und blendendes Weiß des Papiers schaffen Kontraste. Eine illusorische Dreidimensionalität, denn die Flächen schieben sich aneinander vorbei, überlappen sich, bedrängen und drücken sich gegeneinander, verweigern die Mitarbeit am Raumgefüge. Auch die Personen legen sich quer. Gesten und Haltungen werden genau taxiert und sich je nach Bedarf zunutze gemacht, um die schon verschrobenen Architekturebenen noch weiter zu konterkarieren. Für die Kulisse, in die sie gesetzt werden, sind sie zu groß oder zu klein, es fehlt ihnen an Entfaltungsmöglichkeit, sie ecken an oder wirken verloren ohne Bezüge aufbauen zu können. Und doch geht es nicht ohne sie. Diese Protagonisten, oft ist es die Künstlerin selbst, die sich in Posen verarbeitet, wirken von der Umwelt distanziert, ja ihr enthoben. In „Trance“, schlafwandlerisch, gesichtslos. Es ist eine eigene Logik, die diesen konstruierten Raumbildern Marianne Langs zugrunde liegt, anders als die Raumbilder, die die Modelle produzieren, wirken sie für die Figuren ausweglos. Die buchstäbliche Sprengung scheint zwar unvermeidlich, erfolgt aber nicht. Ebenen und Figuren bleiben im Zwang des Bildes festgehalten. Hinter den Fliesen. In verlassenen Architekturen siedelt sich die Arbeit „Hinterzimmer“ an. „Unortnung“ nennt sich ein Wiener Offspace-Projekt, das für eine Ausstellung verlassene Marktstände zur künstlerischen Interpretation freigab. Hier sind es zurückgelassene Oberflächen, die aufgrund ihrer Struktur noch vage an die ehemaligen Funktionen erinnern. Marianne Langs Raumzeichnung greift Elemente aus dieser Umgebung auf und setzt sie teils fort. Oder es werden Perspektiven zu einem neuen architektonischen Linienkonstrukt zusammengefunden, ein Blick hinter die Fliesen, in eine von der Künstlerin konstruierte Welt übersetzt, die nur eine episodische sein will, wenn nach Ausstellungsende die Farbe wieder abgewaschen wird und zurückbleibt, was vorgefunden wurde.
Netzwerk- und „Gruppenarbeit“. Neben der eigenen künstlerischen Tätigkeit hat Vernetzungsarbeit für junge KünstlerInnen einen hohen Stellenwert – Marianne Lang ist eine der GründerInnen des „White Club“, einem Verein für junge, zeitgenössische Kunst, der unkonventionelle Interaktions- und Präsentationsformen nutzen will. Gemeinsam mit Johannes Kubin, Birgit Pleschberger und Gerald Schicker organisiert sie Ausstellungsprojekte – zuletzt wurde zum Jahresthema „Erfindungen und Entdeckungen“ nebst Ausstellung auch eine künstlerische „Forschungsexpedition“ auf der Donau organisiert. Es gilt Versuchslabore aufzutun, im künstlerischen Arbeiten und für die spätere Präsentation desselben. Räume, in die die erforschten Formen wieder eingebracht und zur Diskussion gestellt werden können. Eine Diskussion, die sich im Werk Langs durchaus auch wieder auf ebendiesen Raum beziehen und ihn als fahle Attrappe enttarnen kann.
|Eva Pichler
www.mariannelang.at www.whiteclub.at MARIANNE LANG...
wurde 1979 in Graz geboren; 1998-2005 Universität Mozarteum, Klasse für Malerei und neue Medien bei Professor Dieter Kleinpeter; Gründungsmitglied Verein White Club; 2010 Staatsstipendium für bildende Kunst; 2004-2009 Atelierstipendien in Berlin, Budapest, Montrouge/ Paris, Cité/ Paris und Virginia; 2007 Jahresstipendium für bildende Kunst, Land Salzburg; 2006 Emanuel und Sofie Fohn-Stipendium; Ausstellungen (Auswahl): 2009 „a room of one´s own“, Stadtmuseum, Graz; 2009 Salzburg-Litauen, Traklhaus Salzburg / Vilnius; 2008 „findet mich das Glück“, Schloss Goldegg, Salzburg; 2008 Je risque-vous prenez la correspondance?, Bordeaux; 2008 „zu Gast bei Verlierern“, Substitut, Berlin; 2008 Wandzeichnung, Unortnung III, Wien; 2008 White Club Space Mission, Flucht in die Fiktion, White Club, Litauen, Salzburg; 2007 Salzburg Contemporary Painting, Galerie 5020, Salzburg; 2006 Every Day..another artist/work/show, Kunstverein, Salzburg; 2005 „Viermäderlhaus“, Kunstverein, Feld für Kunst, Hamburg; 2005 “Coming Home, Art sweet Art Home Gallery”, Salzburg; 2004 „living room“, Galerie 5020, Salzburg; 2003 „Doppelzimmer“, Galerie Das Zimmer, Salzburg. Lebt und arbeitet in Wien.
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