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Zweintopf – Kommentare zum Zeitgeschehen
Mittwoch, 10. Juni 2009
Dem Grazer KünstlerInnenduo „Zweintopf“ – dessen weiblicher Part, Eva Pichler, auch als Kulturjournalistin für KORSO tätig ist – gelingt ein Coup nach dem anderen. Kaum hat Zweintopfs Opus „Utopienmaschine“ (derzeit zu sehen bei „absolutely free“ im Landesmuseum Joanneum) das hohe Lob der Kritik geerntet, machen sich die beiden schon nach Feldkirch in Vorarlberg auf, dessen „Poolbar“-Kunstpreis sie gewonnen haben. Kurz darauf geht’s nach Marchegg, wo ihr Land-Art-Happening „Sheep Ink.“ als herausragendes Events des heurigen niederösterreichischen Viertel-Festivals gehandelt wird.

„Da haben wir uns erbarmt.“ Sheep ink. ist intelligent, witzig, doppel- und mehrfachbödig wie alle Produkte von „Zweintopf“. Vier Schafe werden ab 10. Juli das Logo des Startups „Sheep Ink.“ auf dem Gelände des Gewerbeparks Marchegg in einer Größe von 80 x 60 Meter in eine Wiese fressen. Gerhard Pichler, Zweintopf Nummer Zwei, lächelt: „Der ecoplus Wirtschaftspark ist 40 Hektar groß und wurde bereits 2002 seiner Bestimmung übergeben – nur leider hat sich bis jetzt kein Unternehmen dort angesiedelt. Da haben halt wir uns erbarmt.“ Und so gerät „Sheep Ink.“ zu einer Persiflage von Standortpolitik und PR-Stategien (Nachhaltigkeit verkauft sich bekanntlich immer gut), des Strukturwandels im ländlichen Raum, aber auch jener Kunstströmungen, deren Grenze zur Werbewirtschaft eine äußerst durchlässige geworden ist. Und wie zur Bestätigung wurden Zweintopf, als sie sich auf die Suche nach Sponsoren für das Projekt machten (denn natürlich wird für die Weidefläche Miete fällig) prompt von mehreren der potenziellen Geldgeber gefragt, ob denn die Schafe nicht ihr Firmenlogo in die niederösterreichische Vegetation fressen könnten …


Bepreisung als Ausschlag. Die In-Ware-Setzung der Welt steht auch in einem anderen aktuellen Zweintopf-Projekt im Mittelpunkt. Als Gewinner des Feldkircher „poolbar“-Kunstwettbewerbs, der unter dem Titel „Konsum als Bürgerpflicht“ ausgeschrieben wurde, werden sie in ihrem Projekt „Was kost die Wöld“ ab 3. Juli vermeintliche Commons wie Bäume im öffentlichen Raum mit Preis-Etiketten überziehen. Gerhard Pichler: „Nicht von ungefähr sieht das dann aus wie eine Krankheit, ein Aussschlag.“ Die beklebten Objekte wirken aus einer gewissen Entfernung pointillistisch verfremdet, sie verlieren ihre ursprünglichen Eigenschaften – wie eben der Gebrauchswert eines zur Ware mutierten Produkts hinter seinen Tauschwert zurücktritt.
„Was kost die Wöld“ ist ein gesellschaftspolitisches Statement; „Aufgabe der Kunst ist es, die Gegenwart zu kommentieren“, sagt Eva Pichler. Entsprechend ordnet sich der Herstellungsprozess der Aussageabsicht unter: „Viele Künstler sind von ihrem Handwerk beherrscht; das trifft auf uns sicher nicht zu“, ergänzt Gerhard Pichler.

Die Galerie der Kuscheltiere. Fad sind Zweintopf nie, ihre Form der Konzeptkunst benötigt keine angehefteten Erklärungstexte. Dennoch verbergen sich hinter der klar erkennbaren zentralen Botschaft immer noch weitere, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. So haben sie die Grazer Galerie Patrick Ebensberger heuer in eine Menagerie der besonderen Art verwandelt: Eine Vielzahl seltsam flauschiger Tiere bevölkerte die Ausstellungsräume; tagsüber, wenn sie unter Beobachtung durch das kunstsinnige Publikum standen, verharrten sie an ihren Plätzen, nachts, wenn die letzten BesucherInnen die Galerie verlassen hatten, bildeten sie Formationen und wanderten in den Räumen umher – zumindest wollen uns Zweintopf das glauben machen, die diese Tiere, wie aus Video-Dokumentationen hervorgeht, in der freien Wildbahn gefangen und in die Galerie verbracht haben. In Wirklichkeit wurden die kleinen Wesen aus Handtüchern nach einer origami-ähnlichen Methode gefaltet. Fazit: Im Galerien-Kontext können auch eher banale Dinge zu Kunst mutieren, zumal dann, wenn ihnen eine entsprechende Geschichte unterlegt wird. Aber – und das ist die zweite Botschaft hinter der ersten, ironischen – durch Vielzahl und Anordnung gewinnen die Handtuch-Tiere in der Tat eine neue ästhetische Qualität. Und dann gibt es noch die dritte Botschaft: Neben der Handtuch-Tiere-Menagerie existiert hier noch eine zweite, und das sind die BesucherInnen der Ausstellung, deren kontextabhängiges Gehabe schließlich in der Dokumentation der Schau Untersuchungsgegenstand der beiden Verhaltensforscher von Zweintopf wird.

Türkenhilfe statt Türkenkriege. Im öffentlichen Raum sind Zweintopf mindestens ebenso oft zu finden wie in Galerien: In der Reihe „von rechts nur schlechts“ setzten sie öffentlichen Manifestationen rechtsrechter Ideologie humorvolle Interventionen entgegen. Im Barockgarten Hundisburg (Haldesleben, D) pflanzten sie 2008 ein Beet aus 12.000 Plastikgabeln und spielten so mit dem Gegensatz der „künstlichen Natürlichkeit“ der barocken Anlage und der „natürlichen Künstlichkeit“ ihrer Installation. Und im Rahmen der regionale 2008 wurden die an zahlreichen historischen Gebäuden des oststeirischen Feldbach angebrachten, an die Türkenkriege erinnernden Gedenktafeln um eine ergänzt, die darauf verweist, dass das ortsansässige Unternehmen Boxmark „mit Türkenhilfe“ ordentlich Umsatz macht.


Am glaubwürdigsten sind Klischees. Am besten entlarvt man Vorurteile, indem man sich ihrer bedient. Diese paradoxe Wahrheit machten sich Zweintopf bei ihrem Projekt „An A for an A – Austria for America“ (2007) zunutze. Österreichs Grenzen sollten physisch innerhalb der mit Hilfe einer Aneinanderreihung von kleinen Grundstücken à 1qm2 sichtbar gemacht werden, für die man Sponsoren zu finden hoffte. Das Projekt wurde bei einem Stipendienprogramm eingereicht, aber nicht angenommen. So beschlossen Zweintopf, virtuell durch die USA zu reisen. Ein Blog wurde eingerichtet, von jeder Station ausführliche Berichte veröffentlicht und entsprechende Fotomontagen ins Netz gestellt, auf denen die ProtagonistInnen in eindeutig US-amerikanischen Kontexten zu sehen waren. Nach der „Rückkehr“ wurden auch Vorträge gehalten und eine Ausstellung organisiert. „Beim Betrachten eines der Fotos – das vorgeblich den Bürgermeister von Sparta, Georgia zeigt, der, so behaupteten wir, als einziger bereit war, den erbetenen Quadratmeter Land für das Projekt zur Verfügung zu stellen – äußerte eine Besucherin unseres Vortrages: ,So überheblich kann nur ein Ami dreinschaun‘. Dabei war auf dem Foto mein Kärntner Onkel zu sehen“, lacht Gerhard Pichler. Und Eva Pichler schließt messerscharf: „Je näher du am Klischee bleibst, desto eher wird dir geglaubt.“


| Christian Stenner

 

Zweintopf

Eva Pichler, geb. 1981, absolvierte die Meisterschule für Malerei an der Ortweinschule Graz und das Studium der Kunstgeschichte an der Karl- Franzens-Universität Graz. Seit Oktober 2007 Masterstudium Ausstellungs- und Museumsdesign an der FH Joanneum, Graz


Gerhard Pichler, geb.1980, absolvierte das Studium der Architektur an der TU Graz und studiert Philosophie an der Universität Graz


Ausstellungen (Auswahl): 2006 Striped, Künstlerhaus Graz / 2006 Jenseits von Eden, Stadtmuseum Graz / 2006 Nur zu Besuch, MAERZ Linz / 2007 Es ist was es ist, Künstlerhaus Graz / 2008 Der Bettelautomat, Fettabsaugung, POW Graz / 2008 Austria for America, Bunker Graz / 2008 Showroom for public desires: the green, Bunker Graz / 2008 Young Heart Art Competition, Hotel Goldener Engel Graz / 2009 Bewegende Räume, Ausstellungsdesign, HDA Graz / 2009 o.T. (wos kost di wöld), Rotor Graz / 2009 „Menagerie“, Galerie Patrick Ebensperger, Graz / 2009 absolutely Free, Landesmuseum Joanneum Graz

Im öffentlichen Raum (Auswahl): 2007 Landart Symposium Hundisburg / 2007 Austria for America, whole USA / 2008 Der Bettelautomat, Graz / 2008 Fettabsaugung, Graz / 2008 von rechts nur schlechts, Graz – Budapest / 2008 Fight Graffiti / 2008 function follows form - or life fucked up sullivan äh adler äh labrouste äh us, Graz / 2009 o.T. (wos kost di wöld), Aichdorf, Graz
 

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