Es gibt bisher noch keine Kommentare.
Warum eine Küche? Ein Reisebericht |
Dienstag, 10. Februar 2009 | |
Um es gleich vorweg zu sagen: Wenn es unverzichtbare Gelegenheiten gäbe, dann gehörte Peter Handkes „Warum eine Küche“ im Treppenhaus des Franz Nabl-Instituts (Literaturhaus) zu ihnen.
Der Abend bietet Gelegenheit, einen der weniger bekannten Texte, der gleichwohl poetische Themen und Lebens-Landschaften des Schriftstellers über viele Jahrzehnte verknüpft, kennen zu lernen. dramagraz unter Ernst M. Binder macht aus Handkes Text mit den Mitteln der musikalisch-szenischen Installation einen Raum zwischen Kinderfurcht und Olymp, Kriegsschauplatz und Liebesnest, Alltagstrott und Festtagsstimmung. Binder hat Handkes virtuose Skizzen „Texte für das Schauspiel“ – „Erste Bruchstücke“, „Lieder“, “Erzählungen“, „Litaneien“, „Monologe“, „Dialoge“ – auf vier Sprechrollen – Die Tote, der Soldat, der Dichter, der Koch – aufgeteilt, die den politischen und geografischen Kosmos des Autors umschreiben. Transzendenz des Beiläufigen. Als Regisseur (und Schriftsteller) verfügt Binder über ein fabelhaftes, unmittelbares Formgefühl. Mit herunter gedimmten Scheinwerfern, mit einer auf Nichts beschränkten Ausstattung (das pompöse und zugleich kahle Stiegenhaus des Nabl-Instituts erlaubte auch nicht mehr als nichts), mit den sparsam-perfekten Kostümen von Katharina Scheicher und vier Schauspielern, die es nicht mehr drauf anlegen zu „spielen“, versetzt Binder die BesucherInnen mit seinem kunstvollen Minimalismus in eine Trance des Lauschens. Er verstärkt seine Transzendenz des Beiläufigen durch minimalistische Rituale: Die Tote (Ninja Reichert), weiß gekleidet, mit einer Augenbinde, beginnt seitlich am Boden liegend zu sprechen, was die BesucherInnen ein wenig verstört. Rudi Widerhofer unter einer Kochhaube ins Stiegenhaus hinabblickend, bannt, ihm den Rücken zukehrend, das Publikum. Monica Reyes als Soldat, gegen Ende sehr intensiv, schnäuzt sich mit kunstvoller Selbstverständlichkeit und marschiert ganz leise zur Musik. Der Dichter und der Soldat drehen sich im Kreis, während andere sprechen. Selbst die Lieder (Natasa Mirković-De Ro: Gesang und Rina Kacinari: Cello) klingen sanfter, als man es von Schuberts süßer Schärfe gewohnt ist. Solemne Inszenierung. Jetzt ist Handke kaum faschingstauglich, aber Teile seines Textes – „dem Neger im Ledermantel, der einem entgegenkommt, möchte man ins Gesicht schlagen“ – sind aggressiv, andere wie die Erzählung „Tibet lag schon hinter uns …“ geradezu episch, wieder andere eigentlich komisch – „maintenant, ca sent encore le brúle!“… Binder verlangt seinen Schauspielern aber keine Ausdruckvarianten ab. Seine solemne Inszenierung lässt sich im Verein mit dem ergrauten Premierenpublikum ein wenig als Stunde der wahren Empfindung – oder Weihestunde für Alt-68er – deuten. Es geht ja auch mehr ums Erinnern, als ums Kochen. Toller Abend, auch für Leute unter 40. \ Willi Hengstler Weitere Vorstellungen: 13., 14., 18., 19., 20., 21., 23., Februar und 5., 6., 7., 8. März im Literaturhaus, Elisabethstraße 30, 8010 Graz.
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich. |
< zurück | weiter > |
---|