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Pius-Bruderschaft: Gegen Menschenrecht und Handkommunion
Dienstag, 10. Februar 2009
Image Die eben wieder in die katholische Kirche aufgenommene  Pius-Bruderschaft ist dabei, sich auch in der Steiermark zu etablieren.

Am ersten Sonntag des Monats füllt sich der Parkplatz rund um die Kapelle St. Thomas  von Aquin der eben wieder in den Schoß der Kirche aufgenommenen Pius-Bruderschaft, direkt neben einer Grazer Hofer-Filiale. Vor der Messe nimmt der Priester einigen Gläubigen die Beichte ab, auch später, während des sonntäglichen Hochamts sind die Rollen klar verteilt: Männer und Frauen, Kleriker und Laien, Gut und Böse sind dank der Inszenierung ohne Schwierigkeit auseinander zu halten.


Kopftuch. Die Pius-Bruderschaft, 1970 vom französischen Bischof Marcel Lefebvre gegründet, feiert ihren Gottesdienst im vorkonziliaren Ritus aus dem 16. Jahrhundert – mit dem Rücken zu den Gläubigen, auf Latein. „Et cum spiritu tuo“ murmeln die fast durchwegs älteren MessbesucherInnen. Die Frauen tragen Rock und Kopftuch, die Ministranten (natürlich nur Buben) halten unterwürfig die Casula, das Messgewand, während der Zelebrant die Schar der Gläubigen heftig mit Weihwasser besprengt. Die Hostie wird kniend in Empfang genommen, ohne Gebrauch der Hände. Denn: „Die Handkommunion hat zunächst zu Lauheit und Gleichgültigkeit, schließlich aber zur Aufgabe des Glaubens überhaupt geführt“ (aus einer Broschüre der Pius-Brüder). Und außerdem können dabei schlimme Missgeschicke passieren, wie in der gleichen Publikation drastisch anhand eines Fotos vor Augen geführt wird: „Man beachte die zu Boden gefallenen Hostien.“


Ausgerastet. Was der Zelebrant da tut, dürfte er – legt man den Buchstaben des Kirchenrechtes an – gar nicht: „Es ist davon auszugehen, dass alle Priester dieser Bewegung nach wie vor suspendiert sind“, sagt der Münchner Kirchenrechtler Stephan Haering, was impliziert, dass sie etwa keine Sakramente – wie eben Beichte und Kommunion – spenden dürfen. Nicht zuletzt der ungeklärte kirchenrechtliche Status der Bruderschaft lässt erwarten, dass die katholische Kirche auch in Hinkunft noch einige Probleme mit ihren verlorenen und eben wieder aufgenommenen Söhnen haben wird. Dabei haben bereits deren Auftritte in den letzten Wochen zu einem signifikanten Anstieg der Kirchenaustritte geführt: Knapp nach dem bekannten Holocaust-Sager des britischen „Bischofs“ Richard Williamson sorgte auch ein zweiter Priester der Bruderschaft mit kruden Aussagen zum gleichen Thema für einen Eklat: Der aus Wien stammende Florian Abrahamowicz, Oberer der Priesterbruderschaft in den nordöstlichen Regionen Italiens, vermeldete der Tageszeitung La Tribuna di Treviso: „Ich weiß, dass es die Gaskammern gegeben hat, zumindest zur Desinfizierung. Ich kann aber nicht sagen, ob darin Menschen getötet wurden oder nicht, weil ich die Angelegenheit nicht vertieft habe“.
Im Gespräch mit KORSO über Williamsons Ausritt versteht Pater Waldemar Schulz, Leiter des Priorats St. Klemens M. Hofbauer in Wien und damit mitverantwortlich für die Gemeinde in Graz, die Aufregung nur bedingt: „Wir haben mittlerweile fast 500 Priester und tausende Gläubige, da kann man es nicht verhindern, dass einer mal ausrastet.“
Das scheint in der Bruderschaft allerdings öfter zu passieren: Der oberste deutsche Piusbruder, Franz Schmidberger, nahm in einem Fernsehinterview Anleih bei der Grazer Kurzzeit-Stadträtin Susanne Winter (FP) und bezeichnete den muslimischen Religionsstifter Mohammed als „Kinderschänder“.
Der Grazer Theologe und Universitätsprofessor Leopold Neuhold, der auch Vorsitzender des steirischen Diözesanrats ist, attestiert der Bruderschaft eine ausgeprägte „Tatsachenresistenz“; Rainer Bucher, Pastoraltheologe an der Uni Graz, weiß: „Zehn Minuten Internetrecherche genügen, um zu erfahren, wie weit antijüdisches Denken bis hin zur Relativierung der Shoa in traditionalistischen Kreisen verbreitet ist.“ Damit zweifelt Bucher nicht zuletzt jene Aussagen an, wonach man im Vatikan nicht gewusst hätte, dass Williamson den Holocaust leugnet: „Wenn es so wäre, müsste man von einer geradezu abenteuerlichen Unprofessionalität des Vatikans ausgehen, an die ich nicht glauben will.“ Bucher wirft dem Vatikan gleichzeitig vor, mit zweierlei Maß zu messen: So stehe die Befreiungstheologie „auf dem Boden des Zweiten vatikanischen Konzils und dessen Option für die Armen, sie hat sich immer auch selbstkritisch und diskussionsbereit gezeigt und ist in ihren großen Vertretern, wie etwa Jon Sobrino, auch wissenschaftlich respektabel“, sagt Bucher. Sobrino, ein salvadorianischer Philosoph und Befreiungstheologe, dem 1992 der Menschenrechtspreis der Universität Graz verliehen worden war, ist vom Vatikan 2007 mit Hilfe einer „öffentlichen Notifikation“ zurechtgewiesen worden. Leopold Neuhold fordert zumindest ausgleichende Gerechtigkeit: „Wenn man die Hand in Richtung der Pius-Bruderschaft ausstreckt, dann sollte man sie aber auch den über Jahre hindurch gemaßregelten Befreiungstheologen reichen“.

Menschenrechte, Freiheit, Gleichheit und Demokratie: Zeichen einer verdorbenen Gesellschaft. Weniger reaktionär als in ihren theologischen Auffassungen ist die Bruderschaft in der Wahl der Mittel ihrer Verbreitung – im Internet kann man unter www.fsspx.at unter anderem alle Predigten und Vorträge ihres Gründers Lefebvre nachlesen. Da finden sich dann auch Stellen wie: „Leider müssen wir feststellen, daß der Heilige Stuhl und die kirchlichen Behörden immer mehr auf der Seite dieser verdorbenen Gesellschaft stehen. Sie unterstützen deren Prinzipien – die Menschenrechte, die Religionsfreiheit, die Freiheit, die Gleichheit und die antichristliche Demokratie.“
Aussagen ähnlichen Kalibers finden sich auf der Traditionalisten-Webseite www.kreuz.net, einer professionell geführten Internetplattform, die von einer nicht zuordenbaren „Kameradschaft für Religion und Information“ mit einer Postanschrift in El Segundo, einem Vorort von Los Angeles, betrieben wird. Laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) „strotze www.kreuz.net nur so von antisemitischen Beiträgen“, der Pius-Bruderschaft bietet die Seite gleichzeitig auffallend viel Platz: Pater Florian Abrahamowicz wird bemitleidet, weil sich „die Medienkonzerne bemühen, […] ihn als angeblichen Holocaust-Leugner abzustempeln“, die Aufregung über die Aussagen von „Bischof Richard Williamson“ wird mit „Etwas viel mediale Erschütterung“ übertitelt, Spiegel-Online wird andernorts beschuldigt, „das Empörungs-Festival um den Bischof [gemeint ist Williamson] am Kochen zu halten.“ Dass selbst Kardinal Christoph Schönborn, der sich von progressiven Kräften in der heimischen Kirche weit entfernt weiß, auf www.kreuz.net mit dem Prädikat „altliberal“ ausgestattet wird, passt dabei nur zu gut ins Bild. Während der Distriktsobere der Pius-Bruderschaft Österreichs, Pater Helmut Trutt, KORSO gegenüber beteuert: „Ich kann einen Eid ablegen, dass ich nicht weiß, wer dahinter steckt“, hegt der Leiter des Referats für Sekten und Weltanschauungsfragen in der Diözese Graz Seckau, Gerhard Weber, „die Vermutung, dass sich hinter dem anonymen Internetauftritt von www.kreuz.net auch österreichische Anhänger der Pius-Bruderschaft verbergen.“

„Keine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche“. Während sich die mediale Öffentlichkeit unisono über islamische Religionslehrer ereifert, die, schenkt man dem Anhang zu einer inzwischen gesperrten Doktorarbeit Glauben, zu 20% „die Demokratie ablehnen“, vertritt die Pius-Bruderschaft ihre eigene Variante des Gottesstaates. „Wir sprechen uns auch gegen die vorherrschend strikte Trennung zwischen Staat und Kirche aus“, sagt Pater Waldemar Schulz, Leiter des Priorats St. Klemens M. Hofbauer in Wien und damit mitverantwortlich für die Gemeinde in Graz, im KORSO-Gespräch und prophezeit, dass es eine ausnahmslose Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanums in Zukunft „sicher nicht geben“ wird. Man müsse auch auf jene  kritischen Stimmen innerhalb der Bruderschaft hören, die aufgrund der neuen Situation befürchten, „wir würden unsere Positionen aufgeben“.

Lasset die Kindlein zu mir kommen. Im Übrigen konzentriere man sich derzeit auf die Fertigstellung der Kapelle in Graz, die pro Sonntag von „50 bis 100 Gläubigen“ besucht wird und „2009 fertiggestellt werden soll“. Man habe mit einigen katholischen Priestern „losen Kontakt: Wenn sich ein Priester für die ‚alte Messe’ interessiert, dann kann er von uns viel lernen, weil wir über jede Menge Erfahrung verfügen“, sagt Trutt. Darüber hinaus liegen der Bruderschaft vor allem die Kinder am Herzen: „Es gibt viele Gläubige, die ihre Kinder von uns unterrichten lassen.“ Trutt erläutert, dass der zuständige Priester, die Kinder besucht, um ihnen den Katechismus näher zubringen. Dies sei deshalb notwendig, weil der reguläre Religionsunterricht über „Defizite“ verfüge. „Ich lehne den Religionsunterricht nicht prinzipiell ab, muss aber traurig konstatieren, dass dort oft wenig Substanzielles von unserem Glaubensgegenstand kommt“, sagt Trutt.

„Mit unserem Blut unterschreiben“. Rückblende in die Kapelle St. Thomas von Aquin: Die Predigt selbst steht an diesem Tag aber nicht im Zeichen der aktuellen Ereignisse, zeigt aber ganz klar das vorherrschende Geschichtsbild: Der Priester spricht von „Frankreichs dunkelster Stunde“ und meint damit die Französische Revolution mit all den „Folgen des Abfalls“; er erklärt den Gläubigen die „Methode des Teufels“ und spannt den Bogen zum Antimodernisteneid, also jenem Eid, der sich gegen die Lehren der Moderne wendet und unter Papst Pius X. – dem Namengeber der Bruderschaft – Anfang des 20. Jahrhunderts von Klerikern und Bischöfen geschworen werden musste. 1967 wurde der Antimodernisteneid von Papst Paul VI. abgeschafft. Vierzig Jahre danach ist das Verbot für die Pius-Bruderschaft kein Argument: Mit den Worten „wir Katholiken unterschreiben die Treue zum Antimodernisteneid mit unserem Blut“, schließt der Priester an diesem Tag seine Predigt.

Gregor I. Stuhlpfarrer

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