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„Dem Volk bleiben vom Kuchen nur die Krümel“
Montag, 12. Januar 2009
Mouna Hussein ist Anwältin und Menschrechtsaktivistin in Damaskus. Sie setzt sich vor allem für die Rechte von Frauen und Kindern ein und betreut die Familien mehrerer inhaftierter Bürgerrechtsaktivisten. Für KORSO sprach sie mit Sara Alkan. Frau Hussein, als Menschenrechtsaktivistin in einem totalitären Staat stehen Sie per definitionem in einem Oppositionsverhältnis zu den Machthabern. Wie kann man sich die Opposition in Syrien vorstellen?
Die Opposition als solche existiert in Syrien nicht. Politische Parteien spielen innerhalb der oppositionellen Bewegung kaum eine Rolle. Die Kurden sind in mehrere, untereinander zerstrittene Parteien aufgesplittert und die Muslimbruderschaft, die als sunnitische Partei die konfessionelle Mehrheit des Landes vertreten könnte, ist seit dem Massaker, das die Regierung 1980 unter sunnitischen Extremisten anrichtete, geschwächt. Im Grunde genommen besteht die syrische Opposition aus unabhängigen Journalisten und Intellektuellen, die eher aus dem linken Spektrum kommen, und deren Standpunkte aber in vielen Bereichen auseinander liegen.

Kann denn diese zersplitterte Opposition überhaupt auf Rückhalt innerhalb der syrischen Bevölkerung zählen?
Wir leben in einer Kultur der Angst, keiner getraut sich, seine Meinung offen zu äußern. Deshalb ist es schwierig, den tatsächlichen Rückhalt der Oppositionsbewegung in der syrischen Bevölkerung zu beurteilen. Es herrscht ein grundsätzliches Interesse für Politik unter den Menschen und dank neuer Medien, wie Internet oder Satellitenfernsehen, sind Informationsquellen – wenn auch durch Zensur begrenzt – gegeben. Ein Vorwurf, den ich Regimekritikern jedoch machen muss, ist, dass sie durchwegs auf einer intellektuellen Ebene agieren, die das einfache Volk nicht erreicht. Insofern schätze ich die Unterstützung für die derzeitige Oppositionsbewegung eher gering ein.

Seit dem Jahr 2000 kämpft die syrische Oppositionsbewegung sichtbar für einen demokratischen Wandel und das trotz starken Gegenwinds vonseiten des Regimes. Sehen Sie in der Oppositionsarbeit der letzten achteinhalb Jahre bleibende positive Effekte für den Weg in Richtung Demokratie?
Das Bewusstsein für Demokratie und Menschenrechte innerhalb der Bevölkerung ist ganz sicher gewachsen und das ist enorm wichtig als Vorbereitungsarbeit für einen möglichen Wandel. Erstmals seit 1970 konnten Bürgerinnen und Bürger Syriens regierungskritische Meinungen öffentlich äußern. Syrien hat in den vergangenen Jahren mehrere internationale Konventionen zu Menschenrechten, zur Ablehnung von Folter, zum Schutz des Kindes, etc. unterzeichnet und lässt bei Gerichtsprozessen internationale Beobachter zu. Diese kosmetischen Zugeständnisse bergen jedoch auch eine gewisse Gefahr: Es gibt zum Beispiel eine syrische Menschenrechtsorganisation, die sich National Organization for Human Rights in Syria nennt und kritische Berichte über die Situation der Menschenrechte veröffentlicht. Erstaunlicherweise ist die Webseite der Organisation auch innerhalb Syriens frei zugänglich. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die Berichte lediglich Gemeinplätze enthalten und der verantwortliche Redakteur von der Regierung beauftragt ist, ein Image der Öffnung aufzubauen.

In der jüngsten Vergangenheit ist es Präsident Assad gelungen, international wieder Fuß zu fassen. Kann diese Entwicklung Ihrer Meinung nach positive Auswirkungen auf die innenpolitische Situation Syriens nach sich ziehen?
Das glaube ich nicht und ich lehne diese ‚soft relations’ ohne jegliche Bedingungen ab. Nicolas Sarkozy weiß ganz genau, dass Syrien wirtschaftliche und nicht politische Reformen durchführen will und er akzeptiert das. Letztendlich werden nicht einmal die intensivierten Wirtschaftsbeziehungen dem Volk zugute kommen. Solange Syrien vom Clan Bashar al-Assads regiert wird, beutet dieser Clan das Land aus. Privatisierungen sind Schein, Unternehmen gehen vom Staat auf den Cousin des Präsidenten über. Dem Volk bleiben vom Kuchen nur die Krümel.
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