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Lannach: Eine andere Schlossgeschichte
Dienstag, 9. Dezember 2008
Stefan Karner, Heide Gsell, Philipp Lesiak, Schloss Lannach 1938-1949. Graz: Leykam 2008, 220 Seiten, 29,90 Euro Gab es über Jahrzehnte hinweg kaum eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den zahlreichen Außenlagern des Konzentrationslagers Mauthausen, so hat sich dies in den letzten Jahren geändert. So sind zu den acht steirischen Außenlagern u. a. Arbeiten von Dietmar Seiler und Anita Farkas über die beiden Lager in St. Lambrecht, in Lind und Peggau erschienen bzw. wird demnächst eine Arbeit von Bertrand Perz über das Lager in Bretstein herauskommen.
Das Buch mit dem schlichten Titel „Schloss Lannach 1938-49“ – Schloss Lannach war 1944/45 einer Außenstelle des KZ Ravensbrück bzw. Mauthausen – verdankt sein Erscheinen dem Umstand des Nicht-Wissens bzw. Nicht-Wissen-Wollens der Schlossgeschichte. Im Sommer 2006 wurde im Schloss von Minister Dr. Martin Bartenstein die Wahlkampfleitung für seinen Personalwahlkampf für die Nationalratswahl errichtet, was dazu führte, dass im STANDARD ein Artikel über die Vergangenheit des Schlosses als KZ-Außenkommando erschien. Minister Bartenstein meinte damals, zum ersten Mal davon zu hören und beauftragte Stefan Karner die Geschichte umfassend und detailliert aufzuarbeiten, was durch das vorliegende Buch mehr als eingelöst wurde, weshalb es sich auch einen dem breiten Ansatz der Studie gerecht werdenden Untertitel verdient hätte.
Die Schlossgeschichte wird in mehrere Kapitel unterteilt dargestellt, wobei z.T. weit ausgeholt wird. So zeichnen die AutorInnen in den ersten Kapiteln die Geschichte des Schlossbesitzers Franz Kandler und sein wirtschaftliches und politisches Wirken nach, wobei sie detailliert auf die Jahre 1938 bis 1945 eingehen, als ein Teil des Kandler’schen Besitzes – die Lannacher Dachziegel- und Tonwarenfabrik – von ihm weitergeführt wurde, während das Schloss Lannach selbst an die SS verpachtet wurde. In diesem Schloss, wo 1938 eine SS-Kaserne, ein NSV-Kindergarten und bis 1942 ein Polizeiausbildungsbataillon untergebracht waren, wurde 1943 das von der SS betriebene Institut für Pflanzengenetik errichtet.
Die Geschichte dieses Instituts, in dem auch die KZ-Frauen 1944/45 arbeiten mussten, wird einerseits vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Forschung der SS im Rahmen des von Heinrich Himmler gegründeten Ahnenerbes und andererseits vor dem Hintergrund der NS-Autarkiepolitik erstmals ausführlich ausgebreitet.
Die AutorInnen gingen auch auf die Geschichte der 1947 gegründeten Lannacher Heilmittel GmbH ein, da eine der Aufgaben der Studie war, eine eventuelle Kontinuität zwischen dem Institut für Pflanzengenetik und der Lannacher Heilmittel GmbH zu überprüfen; etwas, was in der öffentlichen Debatte um Schloss Lannach als KZ-Außenkommando nie behauptet worden war und wie die AutorInnen auch nachweisen, nie existiert hat.
Im abschließenden Kapitel wird auf das Außenkommando Lannach im Kontext der Geschichte der Konzentrationslager und auf die Verfolgung der Zeuginnen Jehovas allgemein, sowie auf die neun in Lannach internierten Frauen biografisch eingegangen, wobei hier – mit Ausnahme biografischer Details zu den einzelnen Frauen – keine neuen Erkenntnisse geboten werden.
hgh
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