Oder eben Fragen, die sich Antwort genug sind Irmgard Schaumberger als Keramikerin zu bezeichnen ist korrekt. Zumindest, was den Werkstoff betrifft. Was in ihren Arbeiten darüber, darunter, dazwischen liegt, entzieht sich allerdings dem eher handfesten Material Ton. Und doch findet man bei ihr gerade in diesem Material Antworten auf Fragen, die man (so) noch nicht gestellt hat. Weil einem die Fragen ja oft nicht zufliegen. Und wenn sie einem schon zufliegen, wie ist das dann mit den Antworten?
Schöne Teller und hübsche Tassen wird man daher hier nicht finden. Eher einen großen Kosmos, den es gilt zu begehen, zu durchwandern. In dem Irmgard Schaumberger mit dem ihr eigenen Selbstverständnis die Dinge ins Licht rückt, damit wir sie sehen können. Und den Schatten. Und den Raum dazwischen. Deswegen „muss man auch die Keramik aus ihrer Geschichte sprengen und in einen anderen Kontext stellen“, wie sie selber sagt. Damit man die Dinge sehen kann.
Mit „ihrem Verzicht auf heroische Gesten“ (Sabine Rößl im Klipp Nr I / 1992) zeigt sie daher folgerichtig auf die Dinge selbst. Ein schwieriges Unterfangen, wenn jedes Ding zur Sache, zum Gegenstand, also zur Ware geworden ist. Und damit erst ein Bild sein muss, das man dann mit seinem eigenen besetzen darf. Ein Muster. Ohne Wert. Das Veräußerliche, in unserer Welt: Das Mitteilsame wird in Irmgard Schaumbergers Welt wieder zum Eigenen. Zu etwas, das einem gehören kann, weil man es hört. Weil man es sieht. Weil es gehört, gesehen werden will. Die Explosion der Bildwerte wird zur Implosion der Bildworte, zum Wert an sich. Als Betrachtung bleibt das zu Betrachtende. Das Betrachtenswerte. Und da macht der Ton dann die Musik.
„Kern eines Gedankens“ (1987, ungebrannter Ton, Licht, 8-teilig, Neue Galerie Graz, Kunstpreis des Landes Steiermark) verweist nach der langjährigen Beschäftigung mit dem Oval, dem Kopf an sich, auf das, was sich im Kopf verhält. Oder aufhaltet. Was halt ist. Und da wird es dann auf einmal seltsam fragil: Tondinge, die aus sich selbst das Licht, und durch sich selbst, den Schatten werfen. Und, über den Köpfen angebracht, den drohenden Sturz wieder in den Kopf beheimaten. Oder, dann an der Wand, die Zeit aufhalten. Weil es ja nicht sein kann. Fallen. Es fällt ja nichts. Normal. Oder die Zeit. Zeitlos. Sich darauf einzulassen ist nicht schwer, das Gewicht der Welt kaum spürbar. Dem Ton, der Erde, dem Unten, wird die Leichtigkeit angetan, die vor dem Gedanken ist. Bevor er fest wird. Ungebrannt.
Einfacher ist natürlich, wenn man gar nichts sehen muss. „In den Augen der Anderen“ (2003/2004, Porzellan, 19-teilig, Lesung in der Kunst.wirt.schaft) steckt die Botschaft auf den Finger. Unglasierte Porzellanfingerhülsen tragen die Nachrichten „In den Augen der Anderen, Zart, Aufruhr, Begegnung, Sehnsucht, Atem, Stille, Jetzt, Ein Hauch Leben, Alles Gute Euch Allen“ in Braille-Schrift und werden gesellschaftlich korrekt am Empfang von einer blinden Dame verlesen. Handverlesen.
Schwieriger ist dann schon, wenn man gar nichts sehen kann. Oder kaum. „eins und doppelt“ (1999/2000, Werkstadt Graz) reduziert das zu bearbeitende Material auf das, was normalerweise die Fachböden im Brennofen sind, Cordieritplatten. Das darauf zu Stapelnde, die Tonkunst, fällt weg, das Material wird zum Trägermaterial an sich. UD Dr.phil. Werner Fenz: „Auf dieses wird das Motiv, jeweils ein Doppelporträt eines Paares, als Silhouette aufgemalt, die Fläche zwischen den Konturen in einem nahezu informell-skripturalen Gestus aufgefüllt. Die monochrome Ton-Malerei durchläuft in prozesshaften Stadien die extremsten Zustände der Visibilität: Das Sichtbare verschwindet in Folge (im getrockneten Zustand), um letztendlich eingebrannt wieder als abstraktes Zeichengebilde sichtbar zu werden. Was wir sehen und zunächst als einzige Gestaltungsspur erkennen können, stellt sich erst auf den zweiten Blick als Zwischen-Raum heraus. Dann erst, wenn wir mit Hilfe des Lichts die Ränder als Umrisslinien von Gesichtern identifizieren. In diesem Moment wird die dominierende Form, das, was der einzige künstlerische Akt, das Setzen von Zeichen/Zeichnung zu sein scheint, zum Negativ, das ein Positiv zum Vorschein bringt.“
Das „Trägermaterial“ als Bildgrund: „Schaumberger zweckentfremdet die Cordieritplatten und macht diese zu Bildträgern für Siebdruck-Motive. Ausgehend von vorgefundenen, voneinander unabhängigen Fotos sucht die Künstlerin Kombinationen, stellt sie einander gegenüber und definiert sie zu Paaren. Diese werden einer neuen Interpretation zugeführt und ein zweites Mal (durch Siebdruck mittels Aufglasurfarben/Schmelzfarben) auf einem anderen Medium (Cordieritplatte) fixiert.“ (Katja Miksovsky, MAK-Kustodin Glas und Keramik über „Zusammen“, 2005)
Licht und Schatten also. Sein und Nicht. „Man muss den Fisch in Meeresöl herausbacken.“ Oder: „Die Flammen blühen schön gerade.“ Oder: „Es ist ja doch ein Leben.“ Sätze aus einem verlöschenden Leben. Mit Schreibmaschine auf Leinen festgehalten, in Flaschen gefüllt und den Fluss hinunter ins Meer (2000; Forum Stadtpark, 2002; Schaufenster Wies, 2003). Oder, weil es nicht anders geht, als Postkarte an 1000 AdressatInnen (2002 anlässlich des Tankerunglücks der ,Prestige‘ vor der spanischen Küste). Das Politische ist da nie weit weg, weil es ja immer da ist. Wie das Philosophische.
Also fängt man wieder von vorne an: „Das Leben ist überraschend – und manchmal denkt man etwas klein – aber in Ewigkeit ist – es sehr schön.“ (Karl Z., aus Leo Navratil „a+b leuchten im Klee“; „Satzbeet“, kunstGarten 2007, gebrannter Ton, Schmelzfarbe, Erde). Ein, im wahrsten Sinne des Wortes, Setzkasten. Da kann man Wörter pflanzen. Und warten, was wird. Viele Wörter. Oder wenige. Und wie sie zusammen tun.
Wie es weitergeht? „Denn alles Geformte ist als solches ein Begrenztes – sei es, dass der mechanische Druck und Stoß dem einen Stück seine Grenzen da bestimmt hat, wo ein anderes beginnt.“ (Georg Simmel) Handlinien, einer Tonform zugeordnet, werden zum einzigartigen grafischen Moment. Und durch die Menge der entwickelten Formen entwickelt sich eine komplexe vernetzte Grafik. Wie der Mensch. Als Einzelner einzigartig. Eingebettet in die Menge der Mitmenschen heimgeholt zum Menschlichen.
Albert Pall KURZBIOGRAFIE geboren 1960 in Graz, lebt in Graggererberg in der Steiermark 1975-1980 Kunstgewerbeschule Graz, Abteilung Keramik, Prof. A. Losert 1980-82 Studium in Wien und Perugia 1992-96 Studium in Linz, Klasse Keramik, Prof. Günter Praschak seit 1988 Lehrbeauftragte für Keramische Formgebung an der HTL für Kunst und Design, Graz seit 2000 Leitung der Meisterschule für Kunst und Gestaltung Graz, Abteilung Keramische Formgebung zahlreiche Ausstellungen und Preise im In- und Ausland Kontakt: Irmgard Schaumberger, Graggererberg 16, 8503 St. Josef „täglich“, Ausstellung Neue Galerie Graz, 1988/89 „Einer Gestalt, die weder die ausführliche Beschreibung oder die Abbreviatur der menschlichen, noch in einem ausschließlich durch Erfindung definierten Bereich angesiedelt ist. Haltegriff, Klammer, Zeiger, Trichter, Mund oder Wärmeflasche reißen Assoziationsfelder an, in deren Mittelpunkt vorwiegend der Gegenstand als visuelle Begegnungsform steht. Allein schon dieser konzeptuelle Ausgangspunkt läßt Schaumbergers Arbeit als eigenwillige Facette in der plastischen Kunst Österreichs der späten achtziger Jahre erkennen. In hohem Maße bemerkenswert und überraschend definiert sich Ihr Werk durch das Besitzergreifen und Gestalten des Raumes. Denn die Erfahrung der dritten Dimension machen wir weniger durch das Objekt selbst oder durch eine szenisch – räumliche Anordnung mehrerer Gebilde als vielmehr durch den Faktor einer solitären Lichtinszenierung. Die Nahtstelle zwischen Sein und Schein wird in den Raum transferiert, wobei das Entgrenzen körperlicher Eindeutigkeit eine wesentliche Qualität darstellt. Implizit taucht die Frage nach der „richtigen“ Sehweise auf. Der Ton (hier einmal die Erlebnismelodie und nicht das Material), den Schaumberger dabei anschlägt, ist weniger ein kritisch – analytischer, sondern vielmehr ein paralytisch – poetisierender.“ (UD Dr.phil. Werner Fenz) „Ausgangspunkt des Projekts SYNCHRON (Ausstellung Minoriten-Galerien im Priesterseminar 2001) von Irmgard Schaumberger sind fünf Fotos und ein Ölbild von sechs Frauen sehr unterschiedlicher Herkunft, Lebensbahn und Wirkung: eine Ethnologin, eine Botanikerin und Insektenforscherin, eine Reiseschriftstellerin, ein Unfallopfer, eine Bresthafte und eine Revolutionärin. Diese jeweils auf einem Bild fixierten Menschen wurden drei weiteren Interpretationen zugeführt: Irmgard Schaumberger hält den bildnerischen Ausdruck ihrer Informationen über die Bilder und ihres zusätzlich erworbenen Wissens auf Cordieritplatten fest. Heinz Etzelt, der in einem Heim lebende Autist, hat sich von den ihm einzeln vorgelegten sechs Bildern zur „Übersetzung“ in sein Zeichensystem bewegen lassen. Und der Publizist Michael Fleischhacker fokussiert die sechs Persönlichkeiten in Kurzporträts und Interpretationen, in denen er die Besonderheit und die gegenseitige Nähe in einem gleichermaßen theologisch wie philosophisch und kunsthistorisch ausgreifenden Exkurs umkreist.“ (Herbert Nichols-Schweiger, steirischekulturinitiative) „Fenster / Finestra“, Rom 2007 „Wenn Irmgard Schaumberger in ihrer Ausstellung „Fenster“ Bilder aus Büchern mit davon unabhängigen Textfragmenten kombiniert und gemeinsam in Vitrinen, noch dazu in einem Bibliotheksraum, ausstellt, wird sie im kleistschen Sinne zur Dichterin ohne Worte. Sie verwendet zwar Worte – zweifellos – jedoch nicht im ursprünglichen Sinn. Vielmehr appelliert sie hier auf höchst poetische Weise an die Erfahrungen und Bilder im Bewusstsein des Betrachters.“ (Günther Holler-Schuster)
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