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manuskripte: Von Fritz zu Dalarca
Montag, 10. November 2008
manuskripte 181/2008, 150 Seiten, 10,--  Euro Zwei Nachrufe stehen am Beginn der aktuellen Ausgabe der manuskripte: Der derzeit in Zürich lehrende Wiener Germanist, ehemalige Student und spätere Kollege des Doyens der österreichischen Literaturwissenschaft, Wendelin Schmidt-Dengler, zeichnet die Meriten des überraschend Verstorbenen abseits vom Klischee des „Literaturpapstes“; Hans Haider und Konrad Paul Liessmann bringen ein Jahr nach dem Tod von Marianne Fritz sehr persönlich gehaltene biografische Beiträge, die hoffen lassen, dass die Bedeutung dieser – man verzeihe den abgebrauchten Begriff – Ausnahmeautorin in Hinkunft auch einem breiteren Publikum bewusster werden möge.
Kathrin Röggla sinniert in einem ironisierenden Text über Kindheit in einem Zeitalter der Katastrophen, Kerstin Preiwuß und Bernhard Strobel behandeln auf verschiedene Weise die sprachlose Entfremdung im familiären und Beziehungsumfeld. Der junge Kärntner Markus Pak liefert ein durchaus interessantes Prosadebüt, Marica Brodo˛ić, in Berlin lebende Schriftstellerin aus Kroatien, hat mit „Das Gedächtnis der Libellen“  – so weit es der hier abgedruckte Auszug erschließen lässt – einen für die Geschichte Jugoslawiens bedeutsamen Roman in Arbeit; beklemmend der Beitrag Angelika Reitzers, der nicht preisgibt, ob die Fragilität und Dahingetriebenheit der geschilderten Existenzen der Autorin überhaupt bewusst ist.
Herausragend unter den lyrischen Beiträgen: Andrzej Kopackis Single-Gedichte. Außer Konkurrenz: Die von Marie Huber ausgewählte und übersetzte Lyrik des nach Drucklegung des vorliegenden manuskripte-Heftes Mitte Oktober 2008 verstorbenen türkischen Dichters Fazıl Hüsnü Dağlarca, die für mitteleuropäische Rezeptionshaltungen ausnehmend fremd wirkt – ob die Übersetzerin dem Verständnis für die Wirkungsabsichten des Schriftstellers  wirklich entgegengekonmmen ist, indem sie  „vordergründig ,politische‘ und ,soziale‘ Gedichte“ (O-Ton Huber) nicht in ihre Auswahl aufgenommen hat, bleibe dahingestellt.
Spannend wie immer der Beitrag Oswald Wieners: Im dritten Teil von „Sehen im Traum“ balanciert er wieder an der Schnittstelle zwischen der Beschreibung von als kybernetische Programme begriffenen Wahrnehmungs-, Denk- und Aktivitätsabläufen und deren literarischer Verarbeitung.
Interessant – nicht nur – für Germanist- und RezensentInnen: Felix Philipp Ingolds feuilletonistischer Beitrag „Kritikerschelte zwischen Shade und Kinbote“ über Vladimir Nabokovs Roman „Pale fire“ und den fatalen Hang der Literaturkritik, die Aussage des fiktiven automatisch auch als jene des realen Autors anzusehen.
cs
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