Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Vom Bildungs- zum Finanzbildungsbürgertum
Sonntag, 8. Juni 2008
Martin Schürz / Beat Weber: Das Wissen vom Geld. Auf dem Weg zum Finanzbildungsbürgertum. Fast Books 6. Graz: Nausner & Nausner 2008, 131 S., 12,- Euro

Die durch die Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte hervorgerufene Orientierung wirtschaftlichen Handelns am Shareholder Value führt zu einer schleichenden Unterhöhlung bisheriger Leib- und Magen-Ideologeme der kapitalistischen Gesellschaft, vor allem des „Leistungsprinzips“. Martin Schürz und Beat Weber weisen dies im eben bei Nausner & Nausner erschienenen „Fast Book 6“ anhand zweier einleuchtender Beispiele – der Entwicklung der Managergehälter und der Diskussion um die Erbschaftssteuer – nach: Beim besten Willen kann niemand mehr behaupten, Manager-Gehälter, die das Mehrhundert- bis Mehrtausendfache eines Durchschnittsgehaltes betragen, hätten auch nur peripher etwas mit der Leistung ihrer Bezieher zu tun; belohnt wird also nicht die Arbeit, sondern der Erfolg, der sich im Anstieg der Aktienkurse des Unternehmens äußert – wobei es die Manager-Eliten bis dato verstanden haben zu verhindern, dass ihre Gagen im Falle eines wirtschaftlichen Misserfolges sinken.
Die Privilegierung des Erbens als der leistungsfreiesten Form des Einkommens durch die Abschaffung der Erbschaftssteuer lässt sich hingegen auch nicht mit der „Erfolgs“-Argumentation verkaufen; hier müssen schon schwerere Geschütze aus dem Arsenal erzkonservativer Ideologiewaffen-Produktion auffahren: Erbschaft wird als eine familieninterne Angelegenheit dargestellt, in die sich die Gesellschaft nicht einmischen darf (und natürlich wird der ,kleine Häuslbauer‘, dessen Kinder von der Erbschaftssteuer ohnehin so gut wie gar nicht betroffen sind und gerade mal 3% zum Erbschaftssteueraufkommen beitragen, als Prototyp des Fiskus-Opfers dargestellt).
In zynischer Parallelität zur finanziellen Privilegierung der Eliten wird der Aufbau von Vermögen zur individuellen Absicherung als Alternative zum Wohlfahrtsstaat angepriesen; die Gesellschaft soll einer der „Eigentümer“ werden, Voraussetzungen zum dadurch versprochenen Glück ist unter anderem ausreichendes Wissen über die Finanzmärkte, meinen die neoliberalen Ideologen. Wer keine Anlagevorsorge fürs Alter trifft, hat in ihren Augen zu wenig Finanzkompetenz (und nicht etwa zu wenig Einkommen, um es mit Aktien zu verzocken). Damit wird die „Finanzbildung für alle“ zu einem konsensfähigen Teil der ohnehin positiv konnotierten Wissensgesellschaft – und das „Finanzbildungsbürgertum“ zum Leitbild. Entsprechende Bildungsprogramme werden zumeist von Finanzdienstleistern angeboten und oft von der öffentlichen Hand gefördert. Aber, so stellen Schürz und Weber lapidar fest: „Durch mehr Finanzbildung werden arme Menschen auch nicht reicher.“

» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >