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130 Jahre und „voll auf Schiene“: Die Grazer Straßenbahn |
Freitag, 6. Juni 2008 | |
Die Grazer Stadtwerke AG, die in ihrem Eigentum stehenden Grazer Verkehrsbetriebe und das Tramway Museum Graz feiern den 130. Geburtstag eines Verkehrsmittels, das wieder hoch in Kurs steht. Ein fulminanter Beginn. Am Samstag, dem 8. Juni 1878 fuhr die erste Straßenbahn vom Hauptbahnhof über die Annenstraße zum Jakominiplatz – allerdings war sie noch von Pferden gezogen. 1765 Fahrgäste wurden an diesem Tag gezählt; am 9. Juni wollten sich 8670 GrazerInnen die Sensation nicht entgehen lassen, plaudert der Leiter des Tramway Museums Graz, Rudolf Watzinger, aus den Annalen. Im Laufe ihrer Geschichte hat die Straßenbahn – die 1899, 17 Monate nach der seit Beginn elektrisch verkehrenden Mariatroster Bahn, auf elektrischen Betrieb umgestellt wurde – dann insgesamt mehr als 500.000 mal so viele Fahrgäste transportiert wie an diesem Pfingstsonntag. Dabei war der Ausbau der Hauptstrecken 1906 – also vor mehr als 100 Jahren – bereits abgeschlossen, zusätzlich zu den heutigen Streckenführungen fuhr die Straßenbahn noch nach Gösting, die Ringlinie über den Glacis, den Geidorfplatz und den Lendplatz, der Sechser bis zur Kreuzung Petersbergenstrasse / St. Peter Hauptstraße; durch die Radetzkystraße führte ebenfalls eine Gleistrasse über den Griesplatz bis zum Karlauer Gürtel. Der rasche Linienausbau kam auf Betreiben der Stadt zustande, die sich damit ihre Zustimmung zur Übertragung der Linienkonzession an die private Grazer Tramway Gesellschaft abkaufen ließ. Rückbau. In den dreißiger Jahren kam es dann zu ersten Einbrüchen bei der Fahrgastbeförderung – die GTG machte dafür in einem Bericht in den späten Dreißigern neben der Wirtschaftskrise und dem zunehmenden Radverkehr bereits das Angebot an „billigen kleinen Personenautos“ verantwortlich. 1948 fiel das inzwischen in Grazer Verkehrsgesellschaft umbenannte Unternehmen vertragsgemäß an die Stadt; 1960 wurde es als Tochter der Grazer Stadtwerke AG ausgegliedert. Im 1961 fertig gestellten „Generalverkehrsplan“ wird die „Entfernung des schienengebundenen Verkehrs aus dem künftigen Hauptverkehrsstraßennetz“ vorgesehen. Schon 1957 wurde der Verkehr auf der Göstinger Linie stillgelegt, weil – so die offizielle Version – die finanziellen Mittel zur Sanierung der Gleise fehlten; die Ringlinie 2 wurde zwischen 1961 und 1971 sukzessive eingestellt, der Teilabschnitt der Linie 6 zwischen dem Schulzentrum und der Petersbergenstrasse 1969 und jener zwischen Jakominiplatz, Griesplatz und Karlauer Gürtel ebenfalls 1971. Renaissance. Die schiere Tatsache, dass ein Straßenbahn-Passagier bei angenommener Auslastung von 40% im Stillstand bloß ein Zehntel und bei 40 km/h nur mehr ein Dreißigstel der Fläche eines PKW-Passagiers benötigt (und ein Autobus etwa 85% mehr Straßenfläche beansprucht als ein Straßenbahnzug) macht die Tram für Städte, wo das Platzangebot naturgemäß begrenzt ist, zum Verkehrsmittel der Wahl. Dazu kommen der umweltfreundliche und energiesparende Betrieb. Stau und Umweltverschmutzung führten auch in der Grazer Verkehrspolitik zu einem langsamen Umdenken – das nun vermutlich durch die exorbitant steigenden Treibstoffpreise weiter beschleunigt werden wird. 1990 wurde zum ersten Mal – nach neun Jahren Diskussion – wieder eine Straßenbahnlinie verlängert, nämlich die Linie 1 um 400 Meter von der Georgigasse bis zum Unfallkrankenhaus; 2006 folgte die Verlängerung der Linie 5, 2007 jene der Linie 4 und der Linie 6 – alles Projekte, deren volkswirtschaftlicher Nutzen laut Untersuchungen weit über ihren Kosten liegt. In der Straßenbahn zur Welt gekommen. Die Grazer Stadtwerke AG feiern 130 Jahre Straßenbahn unter anderem mit einer humorvoll und kreativ gestalteten Ausstellung in ihrem Kundenzentrum am Andreas-Hofer-Platz, für die StudentInnen des FH-Lehrganges (Alexandre Collon, Verena Pöschl, Elisabeth Bracun und Ulla Havenga) unter der Leitung von Erika Thümmel verantwortlich zeichnen; die Schau präsentiert ein „Guinness-Buch der Rekorde“ der Grazer Bim – von einer Auflistung der Unzahl skurrilster Fundgegenstände, die in den Garnituren sichergestellt wurden, bis zu Berechnungen der Fahrtkilometer, die auf den einzelnen Linien im Laufe der Zeit gefahren wurden. Während der Ausstellungsvorbereitungen meldete sich übrigens eine Dame, die 1929 in der damals zum LKH verkehrenden Linie 1 zur Welt gekommen war … Eine weitere – die technischen und historischen Aspekte umfassende – Ausstellung wird am 6. Juni im Tramway Museum Graz bei der Mariatroster Endhaltestelle eröffnet. Innovation, Umwelt, Ausbildung. „Die Menschen fahren lieber mit der Straßenbahn als mit dem Bus“, betont GVB-Chef Anthony Scholz bei der Eröffnung der Ausstellung im Kundenzentrum. Und sie werden das bei steigenden Treibstoffpreisen immer lieber tun – dafür werden auch die neuen Garnituren sorgen, die bereits bestellt werden, sagt Stadtwerke-Vorstandsdirektor Dr. Wolfgang Messner: „Die neuen Straßenbahnen stellen für den Öffentlichen Verkehr in Graz einen Innovationsschub dar, der uns mit unserer modernen, umweltfreundlichen Busflotte in diesem Bereich zur Nummer 1 in Österreich machen wird. 45 Stück werden ja ab 2010 bis 2015 in Graz eintreffen – in punkto Komfort für die Fahrgäste werden hier wirklich neue Maßstäbe gesetzt. Sie stellen mit 98 Mio Euro auch die größte Einzelinvestition der Stadtwerke dar – eine nachhaltige Qualitätsoffensive.“ Sein Vorstandskollege DI Wolfgang Malik betont vor allem die Umweltfreundlichkeit der Straßenbahn: „Wir sind mit Recht stolz darauf, unsere Innovationen bewusst im Zeichen der Umwelt zu setzen. Die Straßenbahn trägt natürlich per dazu bei – allein das Thema Feinstaub hat uns allen dies in den letzten Wintern allzu deutlich gemacht.“ Und Horst Schachner, Zentralbetriebsratsvorsitzender der GVB, dessen Urgroßvater Kaspar Schachner als Pferdestraßenbahnkutscher Dienst tat, wie er erst kürzlich bei der Durchsicht alter Familiendokumente entdeckte, ist besonders stolz darauf, dass die Verkehrsbetriebe auch für die Jugend da sind: „Wir bilden derzeit 22 Lehrlinge in Berufen wie StarkstromelektrikerIn, ElektrotechnikerIn und -mechanikerIn und KFZ-TechnikerIn aus.“ Zukunftsperspektiven. Vizebürgermeisterin und Verkehrsreferentin Lisa Rücker unterstrich im Rahmen der Ausstellungseröffnung, dass die Straßenbahn zu Graz gehöre wie die Metro zu Paris und als echte Alternative zum Auto „das“ städtische Verkehrsmittel der Zukunft werden kann. Im anschließenden Gespräch mit KORSO nennt die für die Verkehrsagenden der Stadt zuständige Ressortchefin ihre Prioritäten für den weiteren Ausbau der „Bim“: „In der aktuellen Gemeinderatsperiode möchte ich die Verlegung der Einserlinie über die Uni verwirklicht wissen und die Südwestlinie muss jedenfalls fertig werden, bevor die Reininghausgründe bebaut werden.“ Weitere Wunschprojekte sind die Verlängerung der Linie 7 ins Stiftingtal und die Nordwestlinie nach Gösting. Hundert Jahre nach den Pionierleistungen des frühen 20. Jahrhunderts ist die Tram damit wieder „voll auf Schiene“. Christian Stenner
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