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regionale08 - das neue Kulturfestival in der Steiermark
Freitag, 6. Juni 2008
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Unter dem Titel Diwan – Grenzen und Kongruenzen findet das neue, biennal ausgerichtete Kulturfestival regionale in der Südoststeiermark zum ersten Mal in der Zeit zwischen 4. Juli und 13. September 2008 statt. Die Etablierung der regionale geht aus einer Initiative von Kulturreferent LH-Stv. Kurt Flecker hervor und anders als bei den vergangenen Landesausstellungen wird nun nicht ein Ort, sondern eine Region – 13 Gemeinden der Bezirke Feldbach, Fürstenfeld und Bad Radkersburg – zum weiträumigen Produktionsraum und Schauplatz für Projekte und Veranstaltungen, die in Überschneidungen von zeitgenössischer Kunst und Alltagsleben ein gleichermaßen für das Land wie die Zeit relevantes und brisantes Thema behandeln.

Ein frühes Konzept basiert auf den Recherchen der ORF-Redakteurin Regina Strassegger und der Fotografin Christine de Grancy um Leben und Werk des Orientalisten, Historikers und Dichters Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall (1774-1856), Mitbegründer und erster Präsident der Akademie der Wissenschaften. Von ihm stammen vor allem eine zehnbändige Geschichte des osmanischen Reiches und die Übersetzung von Hafis’ Diwan, die Johann Wolfgang von Goethe zu seinem Westöstlichen Diwan anregen sollte. Seinen Lebensabend verbrachte Hammer-Purgstall auf Schloss Hainfeld, wo ihm die zentrale Ausstellung des Festivals gewidmet ist.
Um diesen Mittelpunkt entwickelten der Designer Alexander Kada und der Agenturleiter Gerolf Wicher in Zusammenarbeit mit dem Architekten Dieter Spath als künstlerischem Leiter ein Programm in 35 so genannten Formaten, das sich über einen inhaltlichen, interdisziplinären Bogen mit Musik, bildender Kunst, historischer Dokumentation, Architektur und Literatur, Tanz und Performance zwischen regionalen und überregionalen Wahrnehmungs- und Darstellungsformen erstreckt.

„Orient sieht Okzident, Okzident sieht Orient“: Klischee und Tendenzen.
Unter dem programmatischen Titel Diwan – Grenzen und Kongruenzen sollen im Rahmen der regionale08 wechselnde Sichtweisen auf die kulturbedingten Konstrukte Orient und Okzident mittels Ausstellungen bildender Kunst, Literatur und Musik beziehungsweise im Rahmen von Festen und Akademie für ein Publikum aufbereitet werden, das gerade im Raum der Südoststeiermark und abseits des Festivals auch mit rezenten Fragen um Migration und Siedlungsräume konfrontiert ist – also auch mit Aspekten um den kulturellen Austausch mit dem Nahen Osten, den Nachbarländern und ihren Kulturen. Der in seinen Bedeutungen vielfältige aus dem Persischen und Arabischen stammende Begriff Diwan bezeichnet neben anderem einen Empfangs- und Beratungsraum, somit einen Raum der Versammlung, und er erweist sich in seiner Bildhaftigkeit als prädestiniert, die Inhalte der regionale08 in einem demografischen Versammlungsraum Südoststeiermark zu transportieren.

Mit wechselweisen Projektionen östlicher und wes tlicher Kulturen ist die Ausstellung ORIENTIERUNGEN in der Kunsthalle Feldbach und im Gerberhaus Fehring befasst und gleichermaßen mit der aktuellen Situation kultureller Übergangs- und Austauschphänomene zwischen Ost und West. Das von Klischees getragene Bild des Orients, wie es uns auch heute noch präsent ist, konstruiert von Künstlern, die im 19. Jahrhundert ihre Orientvorstellungen vom Standpunkt eines eurozentristischen Blickes in die Malerei einbrachten, wird zum Eingangsszenario. Weitergeführt wird das Thema an Beispielen zeitgenössischer Kunst. Die in Sarajevo geborene Österreicherin Azra Akšamija etwa präsentiert ihre Arbeit Dirndlmoschee, in der sie Korrespondenzen zwischen islamischen und österreichischen Traditionen in der Kunst, Kleidung und Architektur aufzeigt. Das Konzept rührt an etliche virulente Themen, die in orientalen wie okzidentalen Gesellschaften, zumal in Österreich, auf mehreren Ebenen diskutiert werden und auch in anderen Formaten der regionale08 behandelt werden. Die Auseinandersetzung um den Schleier beziehungsweise das Kopftuch – wie sie bei Akšamija anklingt – erläutert der Kunsthistoriker Hans Belting in seiner eben erschienenen Publikation „Florenz und Bagdad. Eine westöstliche Geschichte des Blicks“. Was heute als Symbol für die Unterdrückung der Frau in islamischen Gesellschaften betrachtet wird, war einmal Teil einer subtil abgestuften Blickkultur, die allerdings Männer und Frauen in die Pflicht nahm. Der Schleier bildete die Grenze zwischen privatem und öffentlichem Raum, führt Belting aus. Die Gesten, könnte man aus diesem Beispiel schließen, lösen sich durch den Gebrauch mit der Zeit von ihrem ursprünglichen Sinn, denn während die Frauen sich verschleierten, waren die Männer angehalten, ihre Augen abzuwenden. Umgangsformen, die uns gewissermaßen vertraut erscheinen sollten. Der männliche Partner dagegen, erläutert der Autor Hamid Naficy, war verpflichtet, seinen Besuch mit der Stimme anzukündigen. Die Stimme wiederum wurde ihrerseits durch ein sprachlich formelles Reglement verschleiert. Eine Form der Kommunikation, die auf gegenseitigem Respekt beruhte.

Diskursraum Südoststeiermark. Suche Bauplatz für eine Moschee ist der Titel eines Formats, das darauf abzielt, eine konstruktive Diskussion über Fragen des Eigenen und des Anderen am Beispiel lokaler Bauformen zu eröffnen. Man denke nur an die skurril anmutende jüngste Verordnung in einem benachbarten Bundesland, nach der eine Kommission entscheiden soll, wie weit neue architektonische Objekte einer heimischen Baukultur entsprechen. Dagegen existiert in der Festivalregion seit dem Ende des 19. Jahrhunderts schon ein Minarett – nämlich am Schloss Bertholdstein, dass 1871 von Graf Ladislaus Koszielski erworben wurde, der als Berater des türkischen Sultans Abdul Medschid zu Vermögen gekommen war und sein Schloss im orientalischen Stil ausstattete. Hier nur angemerkt: J. B. Fischer von Erlachs Karlskirche in Wien, erbaut 1717-1737, ist angelehnt an formale Strukturen einer Moschee, Johann Lukas von Hildebrandts Dachkonstruktion des Oberen Belvedere ist türkischen Prunkzelten nachempfunden.
Die Kulturen fließen über große Zeiträume zusammen, Konflikte führen jeweils auch zum Austausch und gegenseitiger Übernahme kultureller Inhalte. Daran erinnern die Autoren Ilija Trojanow und Ranjit Hoskoté mit ihrem aktuellen Band „Kampfabsage“ und sie entgegnen damit Samuel Huntingtons Diktum vom „Kampf der Kulturen“. Trojanow ist zum Format Migration als Chance – Ohne Angst verschieden sein eingeladen, das vom Verein ISOP projektiert wird. Trojanow und Hoskoté behandeln ausführlich die Entwicklung des Westens aus dem maßgeblichen Einfluss islamischer Kulturen und der Wissenschaft, die seit dem Mittelalter über die iberische Halbinsel Eingang und Aufnahme nach Europa gefunden haben. Ex Oriente Lux also, wie nicht nur der Wahlspruch Antons Graf von Prokesch-Osten (1795-1875) lautete, eines weiteren mit der Steiermark verbundenen Orientalisten, sondern auch der Titel einer Installation in der genannten Ausstellung ORIENTIERUNGEN.
„Eine der unerquicklichsten und bösartigsten Theorien“, monierte Edward W. Said 1996 auf einem Symposion des european art forum in Salzburg, „war die vom clash of civilizations“. Ursprünglich wurde die Formulierung von Bernard Lewis, einem amerikanischen Professor für Politikwissenschaften, als Möglichkeit propagiert, den kalten Krieg auf mehreren Fronten fortzuführen. Das Konzept vom Zusammenstoß der Kulturen, in Übernahme des Slogans (von gälisch Schlachtruf) durch Samuel Huntington, hat eine ausgedehnte Debatte über das Auseinanderhalten von Kulturen, die Verteidigung der westlichen Zivilisation und die Warnung vor der Gefahr des Islam ausgelöst. Nach dem 11. September 2001 wurde Huntington unkritisch als Prophet seiner Zeit gepriesen und Islamismus und Islam von rechten Populisten, die über die Perpetuierung ihnen zugetragener Slogans und Stereotype nicht hinauskommen, weitgehend synonym verwendet. Edward Saids (1935-2003) bekanntestes Werk ist das 1978 erschienene Buch Orientalismus, in dem er den Beweis zu erbringen versucht, dass die abendländische Welt seit jeher dazu tendiere, den Orient als statisches und falsch repräsentiertes Konstrukt zu konzipieren. „Und mit dieser Orientalisierung des Orients und der Orientalen“, hielt Said in Salzburg fest, „entstand nicht nur eine breite Kluft zwischen den beiden unterstellten kulturellen Identitäten, sondern auch das massive Bewusstsein einer gefestigten, in einem solchen Ausmaß essentialisierten kulturellen Identität, dass der Orient, in seinem wundersamen Despotismus, seiner Sinnlichkeit und Fruchtbarkeit, zum großen Anderen Europas wurde“. Auf dieser Kluft beharrte auch der frühere österreichische Finanzminister während seines Vorstoßes gegen die aus seiner Sicht ökonomisch marginalen Geisteswissenschaften und „Orchideenstudien“, als er im Jahr 2000 in der bekannt respektlosen Manier behauptete: „Orientalistik brauch’ ma net!“

Überregionaler Austausch. Für den interdisziplinären und überregionalen Austausch stehen die an der regionale08 beteiligten Künstlerinnen, Künstler und Kulturinitiativen, die mit ihren Arbeiten und in Arbeitsprozessen die geopolitische Lage der Südoststeiermark als Brücke zwischen mittel- und osteuropäischen Regionen bezeichnen. OPEN SKY wird vom Team des Grazer Kunstvereins Medienturm unter Leitung von Sandro Droschl realisiert. Auf drei Etagen des Schlosses Kalsdorf, auf 1500 Quadratmetern in 30 Räumen und dazu im Außenraum um das Schloss sind zwanzig durchwegs jüngere Künstlerinnen und Künstler mit Positionen vertreten, die in letzter Zeit auf internationalen Ausstellungen präsentiert wurden, und außerdem mit neuen Arbeiten, die zum Thema der Ausstellung auf Schloss Kalsdorf entwickelt werden. In Anlehnung an den Philosophen und Raumsoziologen Henri Lefebvre (La production de l’espace, Paris 1974), der über die „Wieder-Aneignung“ sozialer wie architektonischer Räume arbeitete, wird nach symbolischen Räumen beziehungsweise „emotionalen Architekturen“ gesucht, die über Vermittlung von Bildern, Klängen, Zitaten und Interventionen „distinkte“ räumliche Formulierungen eröffnen. Vor allem sollen kulturhistorisch relevante Einflüsse zwischen Bildern des Nahen und Mittleren Ostens mit solchen des europäischen Raumes am nämlichen Ort der Ausstellung zur Basis von Rezeption und Diskussion werden.
Mit raumspezifischen Phänomenen ist das Format Landmark Silo befasst. Die Silos oder Speicher haben zwar eine ganz besondere Präsenz im öffentlichen Raum, gewähren aber tatsächlich keinen Einblick. In performativen Akten und einem Verfahren, das Röntgenstrahlen und Radar simuliert, werden die Silos zu großformatigen Projektionsflächen.
Ein performativer Reisebericht ist Travel Delights, während dessen die Künstler Linda Samaraweerová und Karl Karner (vorgestellt in der ArtBox, KORSO / Mai 08) ihr Publikum auf eine imaginäre Reise mitnehmen.
Ein Zeitdokument aus der Ost-steiermark möchte der Kunstverein K.U.L.M. um die Ilzer Tabakhütte erstellen. Die mündlichen Erzählungen ehemaliger TabakproduzentInnen werden erfasst und ein Tabakfeld angelegt. Über die Zeit des Aussetzens der Pflanzen bis zur Ernte und Trocknung wird eine Filmdokumentation produziert und schließlich in der Tabakhütte präsentiert. Ebendort installieren und reproduzieren Winfried Ritsch und das Institut für elektronische Musik Alvin Luciers Music on a long thin wire. Eine hundert Meter lange Stahlseite schwingt durch elektromagnetische Induktion, die Tabakhütte wird zum Musikinstrument.
Ein- und ausgeleitet wird die regionale mit Musik und Symposion: Jäger core! ist ein Projekt in Zusammenarbeit des 40-köpfigen Steirischen Jägerchors und des Elektronik-Musikers Rainer Binder-Krieglstein. Und ein Schlusskonzert gibt die syrische Sängerin Lena Chamamyan in der Burgruine Klöch.

Soweit einige Auszüge aus dem Programm der regionale08. Ein Programmbuch ist ab 30. Juni im Festivalzentrum Feldbach erhältlich oder über Internet auf www.regionale08.at zu bestellen. Auf dieser Website ist auch eine komplette Programmübersicht abzurufen bzw. steht die zweite Ausgabe der DIWAN NEWS mit Programmübersicht unter http://www.regionale08.steiermark.at/cmsbeitrag/10953685/29278204 zum Download zur Verfügung.

Wenzel Mraček


regionale08 FAKTEN

Tickets: Ab 30. Juni 2008 im Festivalzentrum Feldbach, unter www.regionale08.at und ab 5. Juli 2008 in den Veranstaltungsorten Feldbach, Leitersdorf, Schloss Hainfeld, Laafeld (mobile Abendkassen)
regionale08-Pass: Preis: 30 Euro, nur für Tageseintritte zwischen 4. Juli und 13. September 2008
Ausstellungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 20 Uhr, Montag geschlossen
Infopoints ab 30. Juni 2008 in allen Spielorten des Festivals
Festival-Hotline: 0800/ 362036
regionale08-Spielorte: Auersbach, Bad Gleichenberg, Bad Radkersburg Umgebung, Fehring, Feldbach, Gießelsdorf, Gnas, Gosdorf, Ilz, Kirchbach, Klöch, Kornberg, Laafeld, Leitersdorf, Mureck, Pertlstein, Poppendorf, Riegersburg, Schloss Hainfeld, Schloss Kalsdorf, Söchau, Studenzen, Straden, Walkersdorf.
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