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Liverpool 08: „The pool of life“ füllt sich wieder
Sonntag, 11. Mai 2008
Nach einer langen Periode der Stagnation soll das Kulturhauptstadtjahr der einst zweitbedeutendsten Stadt Großbritanniens zu neuem Aufschwung verhelfen.

Die Gebäude der Cunard-Line, das Royal Liver Buiding, die restaurierten Albert Docks: Vielfältig sind die Zeugen jener Zeit, als bis zu vier Zehntel des gesamten Welthandels über die Stadt am Mersey abgewickelt wurden. Ebenso zahlreich waren aber auch bis vor kurzem noch die Spuren des Niedergangs: Das Becken der 1972 geschlossenen – allerdings schon in den achtziger Jahren restaurierten – Docks war versandet, die neoklassizistische Saint-Georges-Hall ebenso vernachlässigt wie das aus dem frühen 18. Jahrhundert stammende Museumsquartier „Bluecoat“. Die Arbeitslosigkeit lag in den achtziger Jahren unter der Thatcher-Regierung bei 20%; gegen deren Sozialabbau-Maßnahmen opponierte damals übrigens ein von überzeugten Sozialisten dominierter Gemeinderat, bis diese mit juristischen Tricks aus ihrem Amt entfernt wurden; die 5400 Sozialwohnungen, die damals errichtet wurden, zeugen allerdings heute noch von dieser gegen den beginnenden Neoliberalismus letztendlichen machtlosen politischen Strömung. Inzwischen haben die Liberaldemokraten die Macht in der Stadt und ihre Position auch bei den Gemeinderatswahlen vom 1. Mai – äußerst knapp – verteidigt.

Eine Industriestadt, die sich neu erfindet.
Zwischen 2003 und 2008/09 werden insgesamt 107 Millionen Pfund in die Aktivitäten rund um die Kulturhauptstadt geflossen sein, erzählt Neil Peterson von der „Liverpool Culture Company“: Im Gegensatz zu Graz wurden allerdings keine neuen Kulturgebäude errichtet (die neue „Echo-Arena“ neben den Albert Docks, eine Mehrzweckhalle für 10.000 Personen, steht in keinem Zusammenhang mit dem Kulturhauptstadtjahr), man beschränkte sich auf die Restaurierung bestehender Bauten, im Zentrum stand dabei besonders das bereits erwähnte „Bluecoat“, wo sich Künstlerateliers, Galerien, Veranstaltungsräume, Räumlichkeiten für die Kreativwirtschaft und Verkaufslokale befinden. Liverpool sei, so wie Linz, die Kulturhauptstadt 2009, „eine Industriestadt, die sich neu erfindet“. Bis zu 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze sollen als unmittelbarer Effekt der Kulturhauptstadtaktivitäten entstehen und 1,7 Millionen zusätzliche BesucherInnen in die Stadt kommen. Peterson hofft auf den „Glasgow-Effekt“: Für die schottische Großstadt habe 1990 auch das Kulturhauptstadtjahr die Möglichkeit eines Neustarts geboten.

Der Flair macht’s aus.
In der Tat bietet sich dem Besucher zumindest vordergründig eine vitale Mischung aus in klassizistischen Monumentalbauten geronnener Erinnerung an frühere Größe, ein wenig augenzwinkernd aufrecht erhaltener Beatles-Mania, sehr ursprünglich wirkenden Pubs, Ausstellungen auf Weltklasse-Niveau in der lokalen Filiale der „Tate“, der Walkers Gallery und dem erwähnten „Bluecoat“, Straßentheater und Performances (z.B. auch in der an das Pottersche Hogwarts erinnernden anglikanischen Kathedrale) und dem allgegenwärtigen, wenn auch gerade glücklosen FC Liverpool. „Wenn man von Liverpool etwas lernen kann“, sagt der steirische Kultuverantwortliche LH-StV. Dr. Kurt Flecker nach dem Besuch der heurigen Kulturhauptstadt, „dann, dass man ,flairbildend‘ wirken muss und keine Scheu haben darf, sich auf Bekanntes zu stützen, auch wenn es sich dabei um Populärkultur handelt wie eben die Beatles oder der Fußball.“ Dazu komme die geschickt in Szene gesetzte bauliche Substanz – „da haben wir in Graz zwar einiges aufgeholt, etwa mit der Renovierung der Orangerie oder der Neugestaltung des Burggartens, aber im Gegensatz zum Landhaus sind ja die Burg und ihr Umfeld noch nicht wirklich -für Grazer und Touristen geöffnet“.

„Liverpool is the pool of life“, steht auf einer Inschrift in der Mathew Street – ein Diktum des Schweizer Tiefenpsychologen Carl Gustav Jung. Der Besucher spürt: Das vor kurzem noch ausgetrocknete Becken füllt sich wieder.
Christian Stenner

Allein deswegen lohnt der Besuch der Kulturhauptstadt 08: 18.4. bis 10.8.: Art in The Age of Steam (Walker Art Gallery): Äußerst sehenswerte themenzentrierte Ausstellung mit Bildern über die Anfänge des Eisenbahnwesens – von Turner über Manet bis zu Chirico und Duvalier
30.5. bis 31.8.: Gustav-Klimt-Ausstellung in der Tate Liverpool
Maritime Museum und International Slavery Museum

www.liverpool08.com

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