Es gibt bisher noch keine Kommentare.
Metropolregion oder Provinz? |
Sonntag, 11. Mai 2008 | |
Heute ringen wachsende Megacities und schrumpfende Kleinstädte auf der
globalen Standortkarte. In Graz scheint diese Konkurrenz in der DNA der
Stadt verankert zu sein: Hauptstadt der Habsburger oder Pensionopolis
am Ende der Monarchie, Isolation am Eisernen Vorhang oder zentrale Lage
im aufstrebenden Südosteuropa, zwischen kleingeistiger Lethargie und
virulenter Kunst- und Architekturszene. Aber auch in den Köpfen herrscht Metropole oder Provinz: Können wir uns nur vorstellen, was immer schon war oder haben wir eine Vorstellung von unserer Zukunft in Graz? Wollen wir eine Stadt oder ein Dorf sein? Die Baukultur einer Stadt ist Zeuge des Lebens der Vergangenheit, aber sie dirigiert die Zukunft. So wurden die letztendlich trostlosen Zersiedelungen um die Städte seit Jahren gebaut und geduldet. Die logischen Folgen wie Autoabhängigkeit samt Feinstaubbelastung werden uns in Zukunft begleiten. Und wir „lesen“ im gebauten Bild einer Stadt über das Lebensgefühl. Jeder erkennt Venedig oder Paris auf einer Postkarte, wer hätte nicht eine Emotion dazu? Oder Uhrturm und Kunsthaus auf Grazer Ansichtskarten: Das Nebeneinander oder Gegeneinander von Tradition und Neuem wird im Kampf um die touristische Gunst sichtbar. Wobei, die Architektur des „zeitgenössischen“ Kunsthauses ist traditionell, nämlich aus den unerfüllten Utopien der 60er entlehnt – Ironie des Schicksals? Überhaupt steht in Graz die kulturelle Vergangenheit und touristische Selbststilisierung als Kultur(haupt)stadt zunehmend im Widerspruch zur Unfähigkeit, den einfachsten Ansprüchen der Gegenwart gerecht zu werden. Man denke an etwas höchst Urbanes wie Kino: das ehemalige Baujuwel Thalia verschenkt, das zentrale Opernkino vergessen, das Augartenkino ohne sicheren Standort. Ob dies beim Händeschütteln anlässlich der Diagonale-Eröffnung ein Thema war? Es ist die Summe einzelner Zutaten, die den feinen Cocktail einer urbanen Stadt anmischt. Leider ist es in Graz möglich, dass die einmalige Chance für einen blühenden urbanen Stadtteil im Sumpf von Partikularinteressen und Parteipolemiken vergeigt wird, wie am Areal der Grazer Messe geschehen. Für die notverkauften Grundstücke wurde es verabsäumt, öffentliche Interessen state-of-the-art einzubringen. Ja, das wäre was gewesen, ein Menü aus coolen Büros und belebten Plätzen, aus netten Wohnungen und grünen Inseln für die Kids. Genannt in einem Atemzug mit Hafencity Hamburg, der Diagonal Mar Barcelona oder dem neuen Pariser Trendviertel Bercy um die Grande Bibliothèque François Mitterand. Allein, zu viele – selbsternannte – Köche verderben den Brei zum Allerlei. Bürokratie versperrt den Weg, parteipolitische „Eigentümerfreundlichkeit“ verhindert die besten Köpfe und das Diktat der Legislaturperiode die längerfristigen Ziele. Eine „Konsumentokratie“, nämlich jedem Einzelnen alles recht getan, als Kunst, die nur der Politiker kann, verhindert den Rest. Was liegt also näher, anlässlich neuer Stadtregierung und Opposition das sichtbare und unsichtbare Werden einer Stadt zu begleiten? Denn akkurat jetzt, wo die Reininghausgründe im Grazer Westen vom privaten Entwickler Asset One in Angriff genommen wurden, will das Regierungsprogramm dort wieder einmal eine Ökostadt. Eh gut! Aber wie würde diese „Entscheidung“ dem autonomen Eigentümer verklickert, wenn dieser andres will? Oder wenn der selber drauf kommt, war es dann ein Erfolg der Politik? An anderer Stelle wird die Errichtung von 500 Gemeindewohnungen angekündigt! Sehr löblich! Aber wie betreibt die Stadt derart verantwortungsvolle und anspruchsvolle Projektentwicklung? Die Heilsbotschaft als gefährliche Drohung? Für 2010 wird der seit Jahren verschleppte Entwicklungsschwerpunkt projekt_A versprochen. Super! Wie soll sich das bitte in eineinhalb Jahren ausgehen? An anderer Stelle soll das Stärkefeld Kreativwirtschaft von einer „Creative Industries Styria Netzwerkagentur“ gefördert werden. Ganz super! Seltsam nur, dass diese auf Anfrage keinerlei Förderungen vergeben will. Welche Netzwerke werden hier geflochten? Gründe genug, um mit sicherem Abstand zur Politik und in unmittelbarer Nähe zur Stadt die Stadtentwicklung lesbar machen. Und eines sei noch gesagt: Keine Angst, wenn wir sagen, was Sache ist! Wir wohnen und leben in dieser Stadt, wir arbeiten und produzieren in Graz, kurzum: wir lieben diese Stadt! (Eine Langversion und weitere Infos unter www.saiko.cc)
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich. |
< zurück | weiter > |
---|