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Neue slowakische Literatur und ein Essay, den wir unseren LeserInnen empfehlen. |
Sonntag, 11. Mai 2008 | |
Lichtungen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik. Heft 113/XXIX Jahrgang, 114 Seiten, 5,- Euro „Bewegung – Slowakei/Steiermark“ nennt sich der Schwerpunkt der jüngst erschienenen Ausgabe der „Lichtungen“, der Texte junger slowakischer und steirischer AutorInnen beinhaltet: Peter Sulej verarbeitet David Bowies „Space Oddity“, Sophie Anna Reyer will zurück in den Mutterleib, Ivan Strpka reagiert auf die Großen der Weltliteratur und lacht über Kafka, Anna Ondrejková zelebriert als Isolde die Liebe zu ihrem „duherz“-Tristan, Marcus Poettler spürt den Synergien zwischen Tanz und Lyrik nach, Monika Kompaníkovás Mutter – eine verunfallte Zirkusartistin – bewegt Steine mit bloßer Gedankenkraft, Helwig Brunners wunderschönes Prosagedicht „Vorläufige Tage“ kreist um die Unfähigkeit des Dichters (und der Sprache), der menschlichen Existenz gerecht zu werden – vor allem dort, wo sie sich in Zweisamkeit verstrickt. Im Hauptteil finden sich einige weitere Highlights – etwa Saids Flucht aus dem zur Gewohnheit gewordenen Leben („er wird kommen“), Mette Moestrups um grönländische Lebens- und Taburegeln gestrickte Fragmente („Primitiv, privat“) und Nadine Kegeles Impressionen einer Bahnfahrt von Brünn nach Wien. Der Auszug aus dem Roman „Magma“ des in der Tschechoslowakei geborenen und in Wien lebenden Autors Michael Stavarič stellt wichtige und unwichtige historische Ereignisse gleichberechtigt nebeneinander und schafft so eine ironisch gebrochene Geschichte der Welt – vom Kambrium bis in die Gegenwart. Den grafischen Teil der aktuellen Lichtungen bildet eine schöne Foto-Dokumentation der Grenztafeln „Steiermark x 25“, die an neun Stellen der Landesgrenze an die 25 häufigsten Umgangssprachen unseres Bundeslandes erinnern. Höchst empfehlenswert ist schließlich die Lektüre des das Heft beschließenden Essays des Grazer Sozialwissenschafters Manfred Prisching über die Bluff-Gesellschaft: Nicht Leistung, sondern Erfolg sind entscheidend für die Karriere – und dass zweiterer auf erstere zurückzuführen sei, ist nur mehr ein Topos jener moralischen Märchen, die man den Zukurzgekommenen gerne auftischt. Die passende Selbstinszenierung ist wesentlich entscheidender für den Erfolg – „Selbst wer mit Leistung punkten könnte, bleibt gegenüber gekonnten Selbstinszenierern chancenlos. Er kommt nicht einmal in die Lage, seine ,Assets‘ auszuspielen, weil er schon lange vorher ausgeschieden ist.“ Entscheidend ist nicht Kompetenz, sondern „Kompetenzdarstellungskompetenz“ – ein Kriterium, dem ja inzwischen nicht nur bei der Besetzung der vorderen Listenplätze bei Wahlen, sondern auch bei der von Vorstandsposten privater und öffentlicher Unternehmen Rechnung getragen wird. Die daraus resultierende Mediokrität wird allerdings insofern nicht zur allgemeinen, als ihre Träger das in ihrem Besitz befindliche soziale Kapital und die damit gewonnenen Privilegien ungern teilen. Umso lieber bleibt man unter sich – etwa bei Fortbildungsveranstaltungen, die ganz offen weniger dem Wissenserwerb als dem „Networking“ dienen. Denn: Was früher als „Freunderlwirtschaft“ verpönt war, gilt heute als legitimes Mittel des weiteren Fortkommens. Prischings ausgezeichneter Zustandsbeschreibung wäre allerdings noch eine Frage anzuschließen – nämlich die nach den Auswirkungen auf das (noch) aktuelle Wirtschaftssystem. Denn: Bluff schafft weder Werte noch erhöht er die Produktivität. Christian Stenner
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