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Eine Figur im Zentrum des Abenteuers der Interpretation. |
Dienstag, 8. April 2008 | |
Andrea Winkler: Hanna und ich. Literaturverlag Droschl, Graz-Wien 2008, 133 Seiten, 16,00 Euro Dies ist eine Erzählung, die in wunderschön einfacher Sprache verfasst ist und eigentlich keine Geschichte erzählt, keine Handlung hat, und doch entsteht in mosaikartig zusammengesetzten Abschnitten das Bild von Hanna. Die Autorin beschreibt bestimmte Situationen, Hanna in einem Laden, in einer Wohnung, auf einem Platz, einer Wiese mit Baum, und wandelt dann die Beschreibung dieser Orte ab. So entsteht der Eindruck, die Personen, allen voran Hanna, aber auch „Herr Emm“, Rio und Lea, werden immer wieder aufs Neue umkreist und ins Blickfeld gerückt. Es ist die Anwendung einer Methode, mit der etwas gesucht wird. Und Hanna sucht auch etwas: Im Keller liegen Schachteln voller Briefe, die gebündelten Briefe sind Träger von Erinnerung an Vergangenes. Sie bringen Unordnung und Unruhe, sie werden zum Sinnbild von etwas Geheimnisvollem, das Hanna umtreibt. Andrea Winkler gibt keine eindeutigen Klärungen. Sie lässt ihre Hanna mit Vorstellungen spielen, in denen etwas Verstörendes auftaucht, vielleicht eine verlorene Freundschaft. Vielleicht geht es um die Tragik der Nähe. Das Buch hat keine realistisch dargestellte Handlung, trotzdem ist es spannend zu lesen. Denn diese Hanna – und das „Ich“, die rätselhafte Erzählerfigur, machen beim Lesen neugierig auf das „Abenteuer der Interpretation“. So wie nach dem Aufwachen die Träume halb vergessen und nur in Umrissen erinnert sind, so veranlasst die Lektüre von „Hanna und ich“ zum Rekonstruieren eines Bereiches, in dem die Figuren der Erzählung sich wie zwischen Traum und Wirklichkeit bewegen. In der „Einleitung“ schildert die Autorin das Erlebnis beim Zugfahren, wo sozusagen die Welt am Fenster vorüberzieht und die Passagiere dann etwa an der falschen Haltestelle aussteigen, obwohl sie anderswo erwartet werden. Also ein neues Bild für das Absurde. Die schöne und einfache Sprache ist dennoch ganz unkonventionell: „Die Tage laufen wie die Schatten der Füße im Sand. Haben sie je einen Schritt getan? … Glaubst du, dass die Ruhe weiß ist, ein Fleck im Teppich?“ Einmal heißt es etwa: ,,Hanna, häng die müßige Frage als Spiegelscherbe an die Wand!“ Andrea Winkler ist in ihrer Sprachkraft mit Friederike Mayröcker verglichen worden, der Wiener Meisterin der Sprachabenteuer. Aber sie ist offener, sie bietet als Erzählerin eine Ebene über oder neben ihren Schilderungen, eine Reflexionsebene, auf der sich bei der Lektüre erschließt, dass wir es mit einem sehr gelungenen Schreibexperiment zu tun haben. Hedwig Wingler
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