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Die Energiewende kann nicht früh genug kommen |
Dienstag, 11. März 2008 | |
Am 10. Symposium Energieinnovation an der Technischen Universität Graz von 13. bis 15. Februar nahmen mehr als 600 Wissenschaftler und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik teil. Das größte deutschsprachige Energiesymposium, das allen denkbaren Aspekten der Erzeugung, Verteilung und Verwendung von (elektrischer) Energie gewidmet ist, findet im Wechsel mit der TU Wien alle zwei Jahr auf Grazer Boden statt. Gemäß dem diesjährigen Motto „Energiewende“ widmete sich der Großteil der Referate den Themen steigende Energiepreise, Stromgewinnung aus erneuerbaren Quellen sowie dem effizienteren Einsatz von Energie in Haushalten und Industrie. Klimawandel im Fokus der Wissenschaft. Im Eröffnungsreferat stellte Dr.in Renate Christ vom Weltklimarat, der 2007 – gemeinsam mit Al Gore – mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, den Aktualitätsbezug zum übergreifenden Thema der Tagung her. Der jüngste IPCC-Report vom vergangenen Jahr stellt die vom Menschen verursachte Erwärmung des Erdklimas zweifelsfrei fest und forderte rasche Maßnahmen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen in den Industrieländern. Die berechneten Szenarien legen ein möglichst rasches Handeln nahe, da die Kosten für die Eindämmung der Folgen zu jedem späteren Zeitpunkt exponentiell ansteigen, wie Christ ausführte: „Bis 2030 ist das ökonomische Potenzial für wirksame Maßnahmen vorhanden, wenn die politischen Vorgaben von den Verantwortlichen in allen Ländern gezielt in Angriff genommen werden.“ Weltweit steigender Bedarf schafft Probleme. Ein wenig erfreuliches Bild von der globalen Situation zeichnete Dr.in Barbara Buchner, Spezialistin für Energie- und Umweltpolitik bei der Internationalen Energieagentur (IEA): „Der Verbrauch steigt weiterhin kontinuierlich, sodass von 1980 bis 2030 ein Gesamtanstieg um 55 % zu verzeichnen sein wird.“ Das bedeute natürlich auch einen entsprechenden Zuwachs im CO2-Ausstoß, wo China die USA in wenigen Jahren als größter Emittent ablösen wird. Auch in Europa steht nach ihrer Ansicht die Einsparung von Energie nicht ganz vorne auf der Prioritätenliste, diese stagnieren seit den 80er Jahren, weil zu wenig Geld in diesem Bereich in die Forschung investiert werde. Dabie sei Effizienz der Schlüssel zur Senkung der Emissionen, ohne den technologischen Vorsprung aufzugeben, „denn allein in der Industrie können durch die Umsetzung von Best-Practice-Standards 20 bis 30 % des derzeitigen Verbrauchs eingespart werden“. Auch in Österreich steigen die jährlichen Verbrauchsraten über dem europäischen Schnitt, sodass der Anteil an Importstrom in den kommenden Jahren weiterhin zunehmen wird, obwohl das Land bis in die neunziger Jahre weitgehender Selbstversorger auf dem Stromsektor war. Energiesparen mit Weitsicht. Erstmals beim Eninnovo-Symposium auf der Agenda standen in diesem Jahr auch Themenfelder wie Stadtentwicklung und Energie, Raumplanung und Energie sowie der disziplinenübergreifende Bereich der Energiepsychologie, betont Tagungsleiter Prof. Dr. Heinrich Stigler vom TU-Institut für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation: „Wir haben die psychologische Dimension von Energiefragen in unser Programm aufgenommen, da es sich erweist, dass die meisten Menschen Energieverwendung und mögliche Sparpotenziale sehr oft völlig falsch einschätzen“, erläutert Stigler. Es komme vor allem darauf an, im Zusammenwirken von Forschung, Politik und Industrie innovative Lösungen zu schaffen, die für einen nachhaltigeren Umgang mit den natürlichen Ressourcen sorgen, erläutert Stigler: „Wir benötigen in vielen Bereichen nicht nur Bewusstseinsbildung, sondern ein Umdenken. Wenn wir etwas ändern wollen, bedarf es einer Energiewende in allen Bereichen“. Im Vorfeld der Tagung sprach Josef Schiffer für KORSO mit Dr.in Renate Christ vom IPCC (Intergovernmental Panel on Climate) über die notwendigen Kurskorrekturen in der Klimapolitik, die inzwischen EU-weit auf den Weg gebracht werden sollen. Auf welchem Gebiet sieht man beim IPCC derzeit den größten Handlungsbedarf? Wir analysieren die vorliegenden Ergebnisse, die uns über die Jahre hinweg von hunderten Wissenschaftlern der verschiedensten Disziplinen geliefert wurden. Die Aussagen der Forscher sind eindeutig und lassen sich in drei klaren Aussagen zusammenfassen: Das Klima ändert sich beschleunigt und dieser Klimawandel ist vom Menschen verursacht. Je früher die Reduktion der Treibhausgase umgesetzt wird, desto besser sind daher die Erfolgs-chancen, den Temperaturanstieg in Grenzen zu halten. Wie schätzen Sie die Rolle Österreich auf dem Gebiet der Energiepolitik ein? Ich würde mir wünschen, dass Österreich seinem Anspruch, Musterland in Sachen Umwelt zu sein, wieder eher gerecht würde. Auf einigen Gebieten, wie z.B. der erneuerbaren Energie aus Wasserkraft, sind wir noch immer ganz gut positioniert. Trotzdem werden enorme Potenziale derzeit nicht genützt. Der Klimaaktiv-Fonds unterstützt zwar lobenswerte Projekte, aber diese sollten längst Stand der Technik, etwa in der Baupraxis, sein. Inzwischen sind ja auch Wohnhäuser, die netto einen Energieüberschuss liefern mit geringem Kostenmehraufwand realisierbar. Die Zahl der Passivenergiehäuser hat sich aber in den vergangenen Jahren nur sehr zögerlich entwickelt, hier wäre eine aktivere Rolle der Politik sehr gefragt. Kann die aktuelle Politik der EU einen glaubwürdigen Wandel einleiten? Ich glaube, dass der G8-Frühjahrsgipfel 2007 in Heiligendamm mit dem Beschluss, die globalen CO2-Emissionen bis 2050 um mindestens die Hälfte zu reduzieren, doch etwas auf diesem Gebiet bewegt hat. Dieses Ziel wird gemeinsam in einem UN-Prozess – auch unter Einbindung der großen Schwellenländer – umgesetzt. Mit den neuen EU-Richtlinien, dass bis 2020 mindestens 20% der Energie aus erneuerbaren Quellen kommen sollen, ist ein weiterer wichtiger Schritt getan, der auf die Dauer freilich allein nicht ausreicht. Damit ist jedoch eine Dynamik angestoßen, der sich kein Land mehr entziehen wird können und die, so hoffe ich, in einem breiten und beschleunigten Umstieg in neue Energiesysteme münden wird.
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