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Joachim Gruber: „Bildungshäuser wie der Retzhof leisten Transferaufgaben“
Dienstag, 11. März 2008
Interview im Artikel

Gesellschaftliche Veränderungen erfordern auch eine Neuorientierung der Erwachsenenbildung, wenn diese weiterhin ihre Aufgaben erfüllen soll …
Ja, es geht dabei um neue Kompetenzen und neue Methoden. Richard Sennett nennt in diesem Zusammenhang den Begriff „Access“: Die Vermittlung von Zugängen zu Wissen und Fertigkeiten muss an erster Stelle stehen, noch vor den Wissensinhalten und den Fertigkeiten selbst. Diese wiederum sind neu zu definieren, der alte Bildungskanon hat nicht nur in der Schule ausgedient. Ein brauchbares Konzept dafür liefert Oskar Negt: Bildung – auch Erwachsenenbildung – muss historische, technologische, ökologische, ökonomische und soziale Kompetenzen, dazu Gerechtigkeits- und Identitätskompetenz vermitteln. Das geht quer zu den traditionellen ,Fächern‘; ökonomische Kompetenz z.B. muss betriebs- und volkswirtschaftliches Wissen vereinen.

Wie wird dieser theoretische Background am Retzhof praktisch umgesetzt?

Unsere Symposien und Workshops sind dafür hoffentlich beispielgebend. Sie vermitteln Menschen die Fertigkeiten, kompetent über die eigene Rolle und die eigenen Möglichkeiten in der Gesellschaft zu reflektieren, über Wirkungszusammenhänge, Ursachen und Folgen. Aufgabe der Erwachsenenbildung kann es nicht nur sein, ,skills‘ zu vermitteln. In einem Genderseminar kann es z.B. nicht nur darum gehen, wie in einem bestimmten Bereich Gender Mainstreaming durchgesetzt werden kann, sondern die gesamte Frage muss in einen gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang gestellt werden.

Sie vertreten, wie wir auch schon in früheren Gesprächen erörtert haben, eine Strömung innerhalb der Erwachsenenbildung, die stark auf die Emanzipation durch Bildung hin orientiert – lässt sich ein solches Konzept an einer Institution wie dem Retzhof verwirklichen?
Emanzipation setzt Partizipation – also Teilhabe – voraus. Die größten Barrieren, die einer Teilhabe im Wege stehen, sind nach wie vor materieller Natur. Und da sage ich: Wenn Weiterbildung nach den Maximen der Profitorientierung funktioniert, dann schließt sie das nicht zahlungskräftige Publikum aus. Der Retzhof als Volksbildungsheim hat dagegen den Anspruch, allen offen zu stehen. Deswegen stehe ich dazu, dass solche Häuser auch subventioniert werden müssen, sie leisten Transferaufgaben wie ein Kindergarten und eine Schule – und wahrscheinlich mehr als ein Opernhaus, dessen Subventionierung ja auch unumstritten ist. Das ist mein politisches Credo, und ich kann mich dabei auf die historischen Wurzeln dieses Hauses berufen: Der Gründungsauftrag 1948 lautete, den Retzhof als einen Ort zu führen, wo es Menschen möglich ist, miteinander zu lernen und sich weiterzuentwickeln; das ist heute aktueller denn je.

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