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Frivolität zum Tode: Arthurs Schnitzlers „Anatol“ im |
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Dienstag, 14. März 2006 | |
Der Einstieg ist genial: Ein Kino durch die Panoramascheibe des Wohnzimmers – unvergessene Filme, unvergessene Stars – und schon in der ersten Sekunde Balluch im Vorgriff als gealterter Anatol. Dann stellt ein junger Mann, Dominik Warta als Anatol, eine Dame, nimmt ihr die Weihnachtspakete ab, Raub und Höflichkeit in einem. Es folgen kleine Fluchten und Gegenattacken, die sich bis in den Salon gegenüber fortsetzen, wo aus dem hellen Spiel aus Arroganz und Anarchie der Jugend, Wehrlosigkeit und Fasziniertheit des Alters, ein Crashkurs für Psychoanalyse, ein Kolleg für analytische Sprachphilosophie, ein Seminar über Rollenspiele wird. Das kann ja sehr gut werden, denkt sich der Zuseher, und es wird auch nie schlecht. Wenn Regisseur Marc von Henning Arthur Schnitzlers erotische, nur scheinbar melancholisch-leichtsinnige Szenen über den Selbstsucher und Träumer Anatol zu einem in sich geschlossenen Welttheater reiht, dann spielen trotz der beinah mittelalterlichen Form neben Freud auch Goffman – „Wir alle spielen Theater" – und Lacans „Theorie des Spiegelstadiums" mit. Für Schnitzlers Fin-de-siecle-Lover „Anatol" sind Frauen, Freunde und Welt vor allem Kulissen, Spiegel, mit denen er die Suche nach sich selbst möbliert. Die Stärke des Regisseurs Marc von Hennings besteht darin, Räume zu schaffen: Ein ganzes Bukett aus Zimmerlampen, Anatols zusammengewürfelter Damensammlung entsprechend, oder Herbstlaub, das mitten in die Agonie einer Beziehung hineinpfeift. Am Ende, während Balluch, im Laub watend, mit all seinen Eroberungen spricht, führt sein jugendliches Alter Ego von draußen fast reglos wie ein Filmplakat einen Dialog mit seinem gealterten Selbst, dessen Teile doch beziehungslos aneinander vorbeilaufen – das eleganteste Memento Mori, das sich denken lässt. So perfekt schlaksig Dominik Warta Anatols Leiden und Wehleidigkeit auch intoniert, für einen Womanizer zeigt er etwas wenig Triebverhalten. Alles ist richtig und doch zu wenig. Solar dagegen als Stichwortgeber mit Hausverstand und roter Weste macht aus Anatols schwebenden Selbstzweifeln eine robuste Komödie. Vielleicht war die Entscheidung, Schnitzlers Einakter durch Gesangseinlagen außerhalb der Bühne voneinander zu trennen, nicht ganz glücklich. Der Diskurs über Liebe und Selbsterkenntnis, Sprache und Blindheit wird damit zu einer, wenn auch geschmackvollen Nummernrevue. Und die am Rand der Bühne als Sängerinnen auftretenden Schauspielerinnen konnten bei aller Geläufigkeit die Intensität ihres Spieles auf der Bühne nicht halten. Nur Frederike von Stechow als Gabriele und Gerhard Balluch als gealterter Anatol wurden auch als Sänger für Momente magisch. Marc van Hennigs Inszenierung ist präzis und geschmackvoll bis ins Detail: Ob es sich um das zeremonielle Auswechseln einer Glühbirne handelt oder den Fressanfall einer frustrierten Ehefrau (Martina Stilp als Else), knapp bevor sie ihren Geliebten Anatol mit einem Geschoßhagel aus Zuckerwerk überschüttet. Sicher derzeit die eleganteste Produktion am Grazer Schauspielhaus, und vermutlich auch die beste. Unbedingt empfehlenswert. Zu sehen am 7., 11., 16. und 22. März.
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