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Palais Thinnfeld: Ein radikaler Kompromiss |
Sonntag, 10. Februar 2008 | |
Am 30. Jänner wurde das neu gestaltete Palais Thinnfeld (das Haus trägt
seinen Namen nun wieder in der alten Schreibweise), an das „Eiserne
Haus“ und an das Kunsthaus Graz angrenzend, feierlich eröffnet – mit
Hausführung, Politikerempfang, Konzerten und anschließender Party.
Schon tags zuvor lud das Immobilien- und Bauherrenunternehmen der Stadt
Graz, die Grazer Bau- und Grünlandsicherungsgesellschaft (GBG), zu
Pressekonferenz und symbolischer Schlüsselübergabe in das Dachgeschoß
des revitalisierten Palais. Blendend weiß, hell, großzügig und weitläufig mit teils winkeligen und spitzen Deckenkonstruktionsdetails und interessanten Ausblicken durch Oberlichten an den nördlichen und östlichen Dachschrägen – so präsentierte sich der durch funktionale Einbauten aus Holz und Glas in unterschiedliche Teilbereiche gegliederte Hallenraum, der nun vom Grazer Kunstverein genutzt wird und für diesen „eine Verdoppelung der Ausstellungsfläche auf 290 Quadratmeter bedeutet“, freut sich Sören Grammel, Geschäftsführer des Grazer Kunstvereins. Eine kommunikative Lösung. Die Geschäftsführer der GBG, Bernd Weiss und Mag. Günter Hirner, erläutern die Herausforderungen, die an das 2,3 Millionen Euro-Projekt von Beginn an gestellt wurden und denen man sich in der Rolle des Bauherren und in der Bauphase als Projektkoordinator stellte: städtebaulich sensibler Bereich des Standortes, eng gesteckte Rahmenbedingungen (Denkmalschutz, Dachlandschaft …) aufgrund bautechnischer Voraussetzungen und das Finden einer kommunikativen Lösung für die Nutzung durch drei Kulturorganisationen – Haus der Architektur, Landesmuseum Joanneum und Grazer Kunstverein. „Diese kommunikative Lösung zu finden war ein Ziel des im Herbst 2005 europaweit ausgeschriebenen Architekturwettbewerbes, den das Berliner Architekturbüro ifau und jesko feszer gewann“, so Weiss. „Das Wettbewerbsergebnis wurde in sehr positivem Sinne umgesetzt und durch die gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten konnte der Projektzeitplan eingehalten werden“, ergänzt Hirner. LMJ und HDA. In der ehemaligen „Belle Etage“ des Stadtpalais hat die zentrale Verwaltung des Landesmuseums Joanneum ihren Platz gefunden, womit eine unmittelbare Verbindung zu den Räumlichkeiten des LMJ im Kunsthaus und im Haus Mariahilfer Straße Nr. 4 geschaffen wurde. Das über das barocke Treppenhaus zu erreichende „Sozialfoyer“ mit originalem Steinboden und großem Thekentisch wird für Kommunikation und Vernetzung innerhalb des Hauses genutzt werden. Im Erdgeschoß, auf der Ebene der Stadt, befinden sich die neuen Büro- und Veranstaltungsräume des Hauses der Architektur (HDA). Die im Erdgeschoß integrierte Hausbar und die Angliederung an die durchlaufende Passage sowie der Bezug zum öffentlichen Raum vor dem Haus bieten „eine andere Möglichkeit der Auseinandersetzung mit der Stadt und der Zusammenarbeit mit den Nachbarn als bislang“, stellt Markus Bogensberger, Vorstand des HDA, fest. Gemeinsam. So lautet der Titel des neuen Zweijahresprogramms des HDA, das, bereits 1988 als erstes Haus seiner Art in Österreich gegründet, ein Forum und eine Plattform an der Schnittstelle von Produzenten und einer interessierten Öffentlichkeit darstellt. Das neue Team, Danijela Gojic, Manfred Hasler, Anke Strittmatter, Fabian Wallmüller und Markus Bogensberger, versteht „Gemeinsam“ als Rahmen, um die Debatte um die qualitätsvolle Gestaltung unserer Umwelt in den kommenden beiden Jahren fortzusetzen, wobei nun verstärkt soziale Aspekte im Mittelpunkt stehen sollen. Als Einführung in „Gemeinsam“ ist ab 27. Februar die Ausstellung „Doppelhaushälften“ des Kölner Fotografen Andreas Machanek zu sehen. In einer Serie von Vorträgen des Kunsttheoretikers Gerald Raunig, der Theaterwissenschafterin Krassimira Kruschkova und der Kuratorin und Sozialaktivisten Danièle Roussel wird das Thema weiter kontextualisiert und zur Diskussion gestellt. „Gemeinsam allein sein“ behandelt ab Mai die Themen Stadt- und Raumplanung, ab Oktober geht „Gemeinsam gut sein“ der Frage nach, ob Architektur die Welt retten kann. Im Jahr 2009 folgen dann „Gemeinsam schön sein“ mit einer Debatte um den ästhetischen Wert von Architektur, „Gemeinsam brav sein“ über ihr Verhältnis zur Politik und „Gemeinsam geheim ein“ über die Verstrickungen zwischen Architektur und Business. Mit vorsichtiger Freude blickt man beim HDA der Arbeit im neuen Gebäude entgegen, stellen die offene Architektur und die räumlichen Überschneidungen doch eine große Herausforderung dar. Das neue HDA ist erheblich kleiner geworden – waren es in der Engelgasse noch 1000 Quadratmeter, die man zu bespielen hatte, so sind es nun gerade mal vom Joanneum gemietete 300. Doch die neuen Räume auf Straßenniveau verschaffen auch öffentliche Präsenz – diese optimal zu nutzen und mit ihr zu arbeiten wird sicherlich noch eines Lernprozesses bedürfen. Man darf gespannt sein. Peter Pakesch, Intendant des Landesmuseums Joanneum, weist darauf hin, dass mit der Camera Austria und den Nutzern des Palais Thinnfeld kulturell ein sehr spannender, europaweit einzigartiger Mix entstanden sei. Und Arch. Christoph Schmidt vom Architektenteam ifau & jesko fezer betonte neben der Herausforderung auch den Reiz, mit starken Partnern, die über Graz hinaus bekannt sind, zusammenzuarbeiten. „Aus der Notwendigkeit, räumliche Kompromisse zu (er-) finden und Funktionsüberlagerungen zuzulassen, ist ein ‚radikaler Kompromiss’ entstanden, und wir hoffen, dass die Räume weiterhin bebaut werden – Voraussetzungen dafür sind geschaffen worden“, so Schmidt. dw/kd
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