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White Bicycles
Sonntag, 10. Februar 2008
Joe Boyd, White Bicycles, im Antje Kunstmann Verlag, 24,90 Euro.

Pop-Erinnerungen an die Musik der Sechziger- und Siebzigerjahre sind ein eigenes Genre, geprägt von gelegentlich unkritischer Heldenverehrung. Der 1942 in Boston geborene Harvardabsolvent Joe Boyd hat schon als Student Blueskonzerte mit halb vergessenen Legenden veranstaltet, danach war er Roadmanager für berühmte Jazzformationen, Organisator des legendären Newportfestivals, Gründer des Londoner UFO-Clubs, Filmmusik- (Clockwork Orange) und vor allem Musikproduzent. Als berühmte graue Eminenz des Business hat er nun seine Erinnerungen unter dem Titel „White Bicycles“ veröffentlicht. Auch wenn er mit Berühmtheiten wie Hendrix, Clapton, Pink Floyd, Soft Machine, Fairport Convention oder Led Zeppelin zu tun hatte und ihm Bob Dylan mal ein Mädchen ausspannte, betreibt Joe Boyd keine Ikonografie. Er erzählt die Musik dieser Zeit niemals als Lifestyle, sondern stets in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang, als historisch bestimmten, turbulenten Ausdruck. Für Grazer besonders unterhaltsam sind die eineinhalb Seiten, auf denen Boyd den Auftritt des Max Roach Quintets 1966 im Grazer Opernhaus schildert, der mit einer Inhaftierung der Musiker in der Polizeihaft Paulustorgasse endete. Boyd ist immer ganz detailliert, dabei aber klug und gebildet genug für die Einordnung der Details in einen größeren Zusammenhang. Gelungen ist ihm eine lebendige, bunte Mischung aus Analyse und Anekdoten, der beste derzeit erhältliche Gebrauchstext zum Erinnern wie zum Kennenlernen einer sagenhaften Ära. Selbst beendet der den Drogen durchaus nicht abgeneigte Joe Boyd sein Buch folgendermaßen: „…ich bin der lebende Gegenbeweis für zumindest einen Mythos der Sechziger. Ich war dabei, und ich kann mich dran erinnern.“

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