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Willi Hengstler zum 75. Geburtstag von Alfred Kolleritsch
Archiv - Rezensionen
Dienstag, 14. März 2006
Den unten stehenden Text las Willi Hengstler anlässlich der Feier zum 75. Geburtstag von Alfred Kolleritsch am 16. Februar im Grazer Literaturhaus.
Hohe Akademie! Verehrtes Publikum, geschätzte Kollegen! Was da zu ihnen spricht, ich, ist ein Geschöpf von Alfred Kolleritsch, dem sagenhaften Literatur-Demiurgen. Den Meister selber wagt sein Geschöpf gar nicht anzusprechen. Ich, es, ist nur eine Ausgeburt seiner rastlosen Forscherleidenschaft, ein hinfälliger Dämon, dem Literaturleben erhalten nur durch die Geduld seines Schöpfers.
Möglicherweise werden mir, diesem mittlerweile auch schon in die Jahre gekommenen Monster, im Verlauf dieses Abends noch andere seiner Geschöpfe folgen, obwohl ich natürlich am liebsten das Einzige bliebe. Aber ich, es würde jedenfalls nicht da stehen, wenn es ihn diesen modernen Prometheus der Literatur, nicht gäbe.

Anders als Viktor Frankenstein aus Genf, stammt Alfred Fraunknstoa aus der Südsteiermark. Glänzten in der Version von Mary Wollstoncraft Shelley noch abweisend die Gletscher über einer säuberlich zusammengeräumten Schweiz, so läuft man in der Kolleritsch-Variante des Mythos allenfalls Gefahr nicht mehr aus einem Weingarten herauszufinden.
Und Alfred Kolleritsch-Fraunknstoa hat es, mich, auch nicht erschaffen in einem der blitzumzuckten Gemäuer der mittelalterlichen Universität von Ingolstadt. Auch hat er für sein Monster, also mich, keine zusammengefledderten Gliedmaßen aneinander nieten oder -nähen müssen und keinem Grabfrevler das Hirn eines hingerichteten Lustmörders abgehandelt, um die Leere in meinem Schädel zu füllen – obwohl …
Anders als Viktor Frankenstein, hat Alfred Fraunknstoa auch keine Kondensatoren und Transformatoren, weder Atomstrom noch Sonnenenergie benötigt, um mir, seinem Monster, als es noch literarisch tote Materie war, den Leben spendenden Blitz durch die ungeschlachten Glieder zu jagen. Ohne die knappen Energiequellen dieser Welt weiter zu strapazieren, hat er mich en passant, mit göttlicher Beiläufigkeit, allein durch die Macht seiner Worte ins Leben gerufen:

Schreib was Hengstler! Bring mir was für die Manuskripte!
Augenblicklich schrumpfte der fröhliche Lustmörder in mir auf einen kitzekleinen Rest, verflüchtigten sich die Parfumes der für ihre Schönheit berüchtigten Grazerinnen, stoben die alkoholischen Schäferwölkchen in meinem Kopf auseinander und ich, es, war als stammelnder Adept des poeta doctus und laureatus, als Golem der Sprache geboren, keuchend unter dem Gewicht der Grammatik.

Wenigstens ersparte ich meinem Baron Fraunknstoa jenes namenlose Grauen, das den originalen Baron, der übrigens auch erst von Hollywood in den niedrigen Industrieadel erhoben wurde, die Flucht vor seinem eigenen, vermessenen Schöpferwerk ergreifen ließ. Vielmehr floh ich selbst, das Monster, vor der aufmunternden Zuneigung des Meisters in die wüsteste Einsamkeit. Der Schreibtisch wurde zum Nordpol, das Ewige Eis fand sich im unbeschriebenen und unbeschreibbaren Weiß des Papiers und die Schneeblindheit stellte sich ein beim Hineinstarren in das Geflimmer des Monitors.

… Wenn dann dieses Geschöpf, ich, auf seinen dahinsausenden Schlitten gefesselt mit der von Norbert Elias entwendeten Selbstzwangapparatur den tränenden Blick hebt und ähnliche Monstren, ganze Heerscharen von ihnen – allesamt genährt aus der Zuneigung und den Ermutigungen des Meisters – am fernen Horizont entlang jagen oder auf Eisschollen dahintreiben sieht – ergreift eine Sehnsucht sein schmutziges Herz. Das Monster sehnt sich, sehnt sich … ja wonach eigentlich?
Auf alle Fälle nach einem lang andauernden Wohlwollen und der am besten niemals reißenden Geduld seines Schöpfers Baron Alfred Kolleritsch-Fraunknstoa.

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