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"Adam Schaf hat Angst": Wien ignoriert Georg Kreisler
Mittwoch, 12. Dezember 2007
Als Anfang des heurigen Jahres der Kabarettist, Musiker und Autor Gerhard Bronner im 85. Lebensjahr verstarb, waren die Zeitungen voll mit hymnischen Nachrufen und der ORF änderte sein Programm für Sondersendungen. „Der letzte Vertreter einer großen Ära", schrieb nicht nur „Der Standard".

Kurz zuvor hatte Georg Kreisler, Bronners nahezu gleichaltriger Kabarett-Kollege aus den Wiener Fünfzigerjahren, in Hamburg gerade die Regiearbeit an seinem Musical „Adam Schaf hat Angst" mit dem deutschen Sänger und Darsteller Tim Fischer abgeschlossen und hymnische Kritiken in deutschen Medien geerntet. „Die Welt" beispielsweise jubelte am 16. Oktober 2006: „Das Publikum sprang nach diesem Abend jubelnd von den Sitzen, der Applaus toste, Enthusiasmus machte sich breit. Tim Fischer hat das als Schauspieler und Sänger in der Rolle des Adam Schaf ebenso verdient wie Georg Kreisler als Autor und Komponist der unsterblich schönen, bösen, satirischen, komischen und traurigen Lieder dieses Musicals … einem großen, geglückten Liederabend …" Es folgten ausverkaufte Wochen im Hamburger Schmidt-Theater. Und seit Monaten gastiert Tim Fischer mit diesem Ein-Mann-Musical mit Klavierbegleitung in verschiedenen deutschen Städten. In Wien, der Geburtsstadt Georg Kreislers, nahm davon niemand Notiz. Und bestätigte damit erneut Helmut Qualtingers unverrückbares Diktum: „In Wien musst erst sterben, damit sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang!"

 

 

Wenig Interesse in Wien. Mitte November gastierte Tim Fischer mit „Adam Schaf hat Angst" nach Stationen in Salzburg und Villach im Theater Akzent in Wien. Zwei Termine (Samstag und Sonntag) waren vorgesehen. Mangels Interesse musste der zweite Termin gestrichen werden. Und der erste war nicht ausverkauft. Dieses Theater entspricht dem Fassungsvermögen nach in etwa dem Grazer Orpheum. Eine Schande also für das, was sich „Weltstadt der Kunst und Kultur" schimpft. Und kaum ein heimischer Künstler oder Kulturschaffender verirrte sich in diese Vorstellung. Georg Kreisler hat sich diesen Abend wohlweislich erspart. Aber er hat die Wahrheit nicht nur geahnt, sondern gewusst. Und in das Musical verpackt: „Dämmert schon der Untergang", sang Tim Fischer darin unter anderem, „scheint die Welt schachmatt, hat der Wiener Oper, Oper, Burg und Josefstadt". – Zawos a no a neix Musikl von an oidn Judn?

 

Keinerlei Notiz in Funk und Fernsehen. Schon jahrelang ist Tim Fischer in ganz Deutschland mit Kreisler-Liedern unterwegs. Kaum jemand hat sich um die Verbreitung von Kreislers Werk in den letzten Jahren so verdient gemacht wie dieser nicht nur in Wien, sondern auch im übrigen Österreich weithin unbekannte Ausnahmekönner (ohne die bemerkenswerten Ergebnisse der Auseinandersetzung des Grazers Jörg-Martin Willnauer mit den Chansons Georg Kreislers geringschätzen zu wollen). Kein Rundfunk, kein Fernsehen, kein Theater hierzulande scheinen von Tim Fischers Kreisler-Programmen bis dato Notiz zu nehmen.

Nun also das mittlerweile mehr als fünf Jahre alte Musical! „Adam Schaf ist ein tieftrauriger Mensch", sagt Georg Kreisler über die Figur dieses Musikstücks. „Er versucht sich aufzuheitern und erinnert sich dabei an seine Jugend, weil er meint, dass er damals fröhlicher war. Aber was für eine Jugend war das? Als er aus der Schule kommt, ist der Zweite Weltkrieg gerade vorbei, und Deutschland liegt in Trümmern. Als er Schauspieler werden will, verbieten es ihm seine Eltern. Mühsam setzt er sich durch, kommt sogar ans Staatstheater, merkt aber bald, dass er seinen Vorgesetzten in den Arsch kriechen muss, wenn er Karriere machen will. Zudem entdeckt er seine Homosexualität als karrierehemmendes Hindernis. Auch in der Gegenwart findet Adam Schaf nichts Erbauliches. Überall Kriege, skrupellose Politiker, und seit er alt geworden ist, darf er nur noch kleine, unwichtige Rollen spielen."

 

 

Standing ovations. Und dieser Adam Schaf wird verkörpert von einem 34-jährigen Tim Fischer, der sprüht vor Begeisterung und Fröhlichkeit beim Spielen dieses traurigen Menschen. Die teils zungenbrecherischen Chansons Kreislers singt Fischer mit atemberaubender Präzision und bestechender musikalischer und schauspielerischer Virtuosität. Und er wird begleitet von einem Pianisten, Rüdiger Mühleisen, um den ihn vermutlich nicht wenige Sängerinnen und Sänger beneiden, weil keinerlei Bruch hörbar ist zwischen dem Instrument und der Stimme und zugleich der Eindruck entsteht, ein unsichtbares Orchester begleite durch den Abend.

Das Stück endet mit dem melancholischen Lied, dass es keinen Sinn mehr mache, „Lieder zu machen, statt die Verantwortlichen niederzumachen". Und standing ovations. In der Tageszeitung „Der Standard" erschien am Montag danach ein braver, freundlicher Bericht. Wenn irgendwann in den nächsten Jahren, was unausbleiblich ist, die Nachricht vom Ableben Georg Kreislers die Runde machen wird, werden die Medien wieder in großer Aufmachung berichten. Und es wird Sondersendungen geben. Und irgendwer wird wieder vom „letzten Vertreter einer großen Ära" schwadronieren. Aber von seinen Leistungen zu Lebzeiten haben dieselben Leute nachweislich nicht oder kaum Notiz genommen.

Karl Wimmler


Karl Wimmler geboren 1953, grazer, multipler dilettant - u.a. als angestellter, gärtner, historiker, gelegenheitsschriftsteller, kaum noch als alleinerzieher zweier kinder.

geboren 1953, grazer, multipler dilettant - u.a. als angestellter, gärtner, historiker, gelegenheitsschriftsteller, kaum noch als alleinerzieher zweier kinder.
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