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Vom Darstellen zum Herstellen.
Mittwoch, 12. Dezember 2007
Elisabeth List: Vom Darstellen zum Herstellen. Eine Kulturgeschichte der Naturwissenschaften. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2007, 254 Seiten. 24,– Euro

Elisabeth List hat in ihrem neuen Buch ein ambitioniertes Vorhaben realisiert, es ist nichts weniger als eine Analyse der Kultur der Neuzeit mit Fokus auf die Geschichte der Naturwissenschaften im sozialen Kontext. Der Wandel „Vom Darstellen zum Herstellen", das heißt der Wandel von einer auf Ideen gründenden Form der Erkenntnis der Natur hin zu intervenierenden Eingriffen in die Realität bildet den Bogen von der Wissenskultur des Mittelalters zu den boomenden Life Sciences der Gegenwart.

Die Cyborgisierung des Normalbürgers schreitet voran, Leben wird durch technische Substitute optimiert. Die Erzeugung von „Biofakten" sei Tenor einer umfassenden Technokultur, so List, die alles einbeziehe, was sich vormals als Natur und Kultur gegenüberstand. Die Auswirkungen auf das menschliche Selbstverständnis sind fundamental, eine ethische Reflexion der Folgewirkungen findet – nicht zuletzt auf Grund der marginalen Etats der Forschungsförderungen – kaum statt, wohingegen die Verflechtung von ökonomischen, politischen und wissenschaftlichen Interessen den Biowissenschaften zugute kommt. Nicht zuletzt dieses Faktum ist Anlass für die Grazer Philosophin und Kulturwissenschafterin, eine „überfällige Kritik der Schattenseiten", also die Kehrseite der Erfolgsgeschichte der Wissenschaften, zu zeichnen, „ohne den Glauben an ihre intellektuelle Leistungsfähigkeit und soziale Nützlichkeit zu verlieren".

Neben der Umarmung der Wissenschaft durch das Militär oder der strukturellen Gewalt im Export des westlichen Erfolgsmodells konzentriert sich List dabei auf die „halbierte Rationalisierung", wie der Soziologe Ulrich Beck das nennt - Wissenschaft kennzeichne sich als männlich dominierte Institution, wobei, wie die Autorin anmerkt, sich die Assoziation von Wissenschaftlichkeit und Männlichkeit heute zu lockern beginne. Unausgesprochen präsent ist Männlichkeit vor allem in der Metaphorik der Naturbeherrschung und der Verdrängung des Subjekts und des Subjektiven aus der Wissenschaft im Namen eines reinen Vernunftbegriffs. Natur wird zum Objekt degradiert und beherrschbar gemacht bis hin zur Neusetzungen natürlicher Vorgänge, die ohne den menschlichen Eingriff nicht in Gang gekommen wären. Diese Grenzüberschreitungen machten ein neues Bewusstsein über die jeweils persönliche Verantwortlichkeit in der Wissenschaft erforderlich, betont List. Darüber hinaus müsse es heute um die Befreiung wissenschaftlichen Tuns von den Beschränkungen, die ein rigoroser Objektivismus mit sich bringt, gehen, das sind Beschränkungen der Möglichkeiten, Wirklichkeit zu erfahren und zu erfinden. Keineswegs sei es dazu erforderlich, die Grundprinzipien wissenschaftlichen Forschens über Bord zu werfen, sondern vielmehr eine Form dynamischer Objektivität zu gewinnen, die einerseits die Rolle des Subjekts als erkenntnistheoretisch relevantes Faktum mit einbezieht und andererseits auch – durch diese Selbstverortung – so etwas wie eine „ethische Zähmung der Eigendynamik der Technowissenschaften" möglich machen könnte. Intention und Ziel des Buches von Elisabeth List ist somit ein Dialog von Natur- und Kulturwissenschaften, der den dringend erforderlichen Prozess des Reflexivwerdens der Naturwissenschaften befördern soll.

Astrid Kury

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