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USA: Supermacht auf tönernen Füßen?
Samstag, 10. November 2007
Raimund Löw: Einsame Weltmacht. Die USA im Abseits. Salzburg: Ecowin 2007, 252 Seiten, 23,60 Euro

Der Historiker und frühere ORF-Korrespondent in Wash-ington, Raimund Löw, zeichnet in seinem aktuellen Buch ein differenziertes, dialektisches Bild der weltweit einzigen Supermacht, die seit dem Fall der Sowjetunion übrig geblieben ist: Wenn auf der einen Seite seit 09/11 die Tendenzen zum starken Überwachungsstaat und zur Negierung der Menschenrechte zunehmen – Abu Ghraib und Guantanamo stehen ebenso für diese zunehmende Verrohung der Staatsraison wie die Angriffe auf Zivilisten im Irak –, so steht auf der anderen Seite eine Gegenbewegung, die bis in hohe politische und Justizkreise reicht. So verweigerten sich etwa Staatsanwälte und sogar Militärrichter dem Wunsch der Bush-Administration, Schuldsprüche ohne ausreichende Beweise zu sprechen – mit dem Ergebnis, dass es nur ganz wenige Schuldsprüche wegen terroristischer Aktivitäten gab.

Das Buch beschränkt sich aber nicht auf die Themen der „großen Politik": Die für europäische Verhältnisse nach wie vor unverständliche positive Haltung einer breiten Mehrheit der Bevölkerung gegenüber dem privaten Waffenbesitz – die etwa darin gipfelt, dass in der Kleinstadt Reserve eine Resolution verabschiedet wurde, die alle Bürger zu Waffenbesitz verpflichtet – behandelt Löw ebenso wie das zunehmende Gewicht evangelikaler Gruppen innerhalb des US-amerikanischen Christentums und das neue Phänomen der kapitalismuskompatiblen „Prosperitätskirchen", die den Gläubigen mit Gottes Hilfe zu Wohlstand verhelfen wollen. Die Orientierung der Politik an den Wertvorstellungen der christlichen Rechten hält Löw allerdings für ein Phänomen, das mehr mit der „spezifischen Machtkonstellation innerhalb der republikanischen Partei" zusammenhänge als mit einer „Welle der Religiosität" in der Bevölkerung.

Aufschlussreich auch das der Umweltpolitik gewidmete Kapitel: Waren bis vor kurzem staatliche Regelungen im Umweltschutzbereich oder internationale Verträge wie das Kyoto-Protokoll als Sabotageakte gegen die US-amerikanische Wirtschaft qualifiziert worden, komme es nun zu einem „Comeback grüner Werte", konstatiert der Autor. Dieses äußert sich allerdings entweder in einer mit den Werten der automobilen US-Gesellschaft kompatiblen Weise (etwa indem Governator Arnold Schwarzenegger seine Hummer-Sammlung auf Wasserstoff- und Biodiesel-Antrieb umbauen lässt) oder in rührenden Grassroots-Aktivitäten zur Verwendung von Biodiesel.

Dabei steht es um die wirtschaftlichen Perspektiven der einzigen übrig gebliebenen Supermacht auch ohne nach Ansicht der neoliberalen „Neocons" das Wachstum bremsende Umweltmaßnahmen nicht zum Besten: Ohne den Kapitalzufluss aus Europa und vor allem Südostasien wäre die amerikanische Ökonomie längst zusammengebrochen. So erweist sich die militärische Überlegenheit der USA als einziger verbliebener Trumpf. Die hat es aber in sich: Zum ersten Mal werden die Vereinigten Staaten demnächst sowohl über atomare Erst- als auch Zweitschlagskapazität verfügen. Auf dieser Basis sei eine Überwindung der aktuellen internationalen Isolation durchaus denkbar, argumentiert Löw: In einer zunehmend chaotischen Welt könnte die Rolle der USA als Ordnungsmacht wieder gefragt sein. Und: Es sei nicht unwahrscheinlich, dass eine Post-Bush-Administration die Traumata von Abu Ghraib und Guantanamo überwinden und durch eine Wiederbesinnung auf die demokratischen Prinzipien das derzeit schwer beschädigte internationale Ansehen der USA wieder herstellen werde. Die jüngsten Wahlergebnisse, bei welchen die Demokraten die Mehrheit in Abgeordnetenhaus und Senat errangen, sind für den Autor ebenso ein Hinweis darauf wie die widerständige Haltung der US-Justiz gegenüber den Versuchen der Regierung, sich bei Terrorverdächtigen über alle Standards eines demokratisch legitimierten Rechtswesens hinwegzusetzen.

Das Buch ist allerdings vor der Krise des US-Kreditwesens im August/September erschienen – ihre Berücksichtigung hätte den Prognosen vielleicht ein wenig von ihrem Optimismus genommen und die ökonomische Realität der Vereinigten Staaten stärker in den Vordergrund gestellt. cs

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